Wiesn: Sexuelle Übergriffe:"Alkoholisierte Frauen sind leichtere Opfer"

Es ist Wiesn-Zeit und die Meldungen über sexuelle Übergriffe auf Frauen häufen sich. Ein Interview mit Christine Rudolf-Jilg von der Aktion "Sichere Wiesn".

Beate Wild

sueddeutsche.de: Während des Oktoberfests steigt die Zahl der sexuellen Übergriffe in München signifikant an. Gerade erst wurde eine Frau im Westend vergewaltigt, bei mehreren Frauen wurde es versucht, glücklicherweise ohne Erfolg. Was ist die Ursache der wachsenden Gewalt?

Wiesn: Sexuelle Übergriffe: Christine Rudolf-Jilg von der Aktion "Sichere Wiesn" gibt Frauen Tipps, wie sie sexuelle Übergriffe vermeiden können.

Christine Rudolf-Jilg von der Aktion "Sichere Wiesn" gibt Frauen Tipps, wie sie sexuelle Übergriffe vermeiden können.

(Foto: Foto: oh)

Christine Rudolf-Jilg: Grund ist, dass zur Wiesn rund sieben Millionen Menschen in der Stadt sind und natürlich auch dem Alkohol kräftig zugesprochen wird. 2007 wurden neun Vergewaltigungen gemeldet, sechs davon sind auf dem Festgelände passiert, drei auf dem Heimweg. Tatsache ist jedoch sicherlich, dass die Dunkelziffer viel höher ist. Viele Frauen verzichten aus unterschiedlichen Gründen darauf, zur Polizei zu gehen

sueddeutsche.de: Wo passieren die meisten Übergriffe?

Rudolf-Jilg: Entweder auf dem Festgelände selbst oder auf dem Heimweg von der U-Bahn zu sich nach Hause. Auf der Theresienwiese ist etwa der Rasen unter der Bavaria gefährlich. Die Frauen wollen sich ausruhen, weil sie einen über den Durst getrunken haben, und werden dann belästigt. Aber auch mitten auf dem Gelände, hinter einem Zelt oder Fahrgeschäft, kommen sexuelle Übergriffe häufig vor.

sueddeutsche.de: Wenn es mitten auf der Wiesn passiert, sind doch unzählige Besucher in der Nähe. Wieso schreitet niemand ein?

Rudolf-Jilg: Man muss leider sagen, dass die betroffenen Frauen häufig Alkohol getrunken haben, zum Teil sogar reaktionsunfähig sind. Sie können sich kaum wehren und schreien auch nicht immer um Hilfe. Für Außenstehende sieht das dann so aus, als hätte ein Liebespaar ein bisschen Spaß. Wenn zwei hinter einem Zelt stehen und Sex haben, da geht keiner hin und fragt nach.

sueddeutsche.de: Man sollte also hingehen, wenn man derartiges beobachtet?

Rudolf-Jilg: Entweder das oder man wendet sich an die Security oder an die Polizei, damit die das Ganze überprüfen.

sueddeutsche.de: Wie kann man sich als Frau vor sexuellen Übergriffen am besten schützen?

Rudolf-Jilg: Man sollte aufpassen, dass man nicht zu betrunken wird. Also immer eine gute Grundlage schaffen, sprich viel genug essen, und nur so viel trinken, dass man noch reaktionsfähig ist. Alkoholisierte Frauen, die alleine sind, sind die leichtere Opfer.

sueddeutsche.de: Auch der Heimweg ist nicht ungefährlich. Was sollte man hierbei beachten?

Rudolf-Jilg: Grundsätzlich gilt: Je weiter außerhalb man wohnt, umso risikoreicher ist es, weil man dort auf der Straße weniger Leute trifft. Als Frau sollte man sich zusammen mit Freunden auf den Heimweg machen und sich bis vor die Haustüre begleiten lassen. Oder Taxi fahren, nur ist es manchmal sehr schwer, an der Wiesn ein freies zu bekommen.

sueddeutsche.de: Was ist mit den Tätern? Gibt es ein gewisses Muster?

Rudolf-Jilg: Man kann kein bestimmtes Schema ausmachen, nach dem die Täter vorgehen. Es handelt sich dabei sowohl um Touristen als auch um Einheimische. Man hat allerdings festgestellt, dass Vergewaltiger zwar angetrunken sind, aber niemals total besoffen. Die Straftat wird also gezielt begangen. Wer zu viel Alkohol intus hat, ist zu nichts mehr fähig, das ist ja allgemein bekannt. Erschreckend ist zudem, dass manche Männer in Gruppen vorgehen. Neulich wurde ein junges Mädel von fünf Männern gleichzeitig massiv sexuell bedrängt.

sueddeutsche.de: Und wenn man nun trotz aller Vorsichtsmaßnahmen plötzlich belästigt wird, wie soll man reagieren?

Rudolf-Jilg: Am besten Passanten ansprechen oder laut schreien. Auf den Täter einschlagen ist mit Vorsicht zu genießen: Manche lassen dann zwar von ihrem Opfer ab, andere werden wiederum erst recht aggressiv und verletzen die Frau. Man sollte hierbei auf seinen eigenen Instinkt vertrauen.

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