Wiesn-Momente der Redaktion:Alles dreht sich - manchen viel zu schnell

Die Einen lieben das Oktoberfest, die Anderen hassen es: Zwölf Kollegen von Süddeutsche.de schildern ihre Erlebnisse auf der Wiesn. Über verwirrende Begegnungen im Morgengrauen, Mitfahrer, die einen im Karussell auslachen, und Besucher, die tatsächlich einen Vogel haben.

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Oktoberfest Michael Neißendorfer

Quelle: Michael Neißendorfer

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Manche lieben das Oktoberfest, andere hassen es abgrundtief: Zwölf Kollegen von Süddeutsche.de schildern ihre Erlebnisse auf der Wiesn. Über verwirrende Begegnungen im Morgengrauen und Mitfahrer, die einen im Karussell auslachen, und Besucher, die tatsächlich einen Vogel haben.

"Tschip Tschip", schallt es aus einem kleinen Leiterwagerl. Ein Kind mit Vogelpfeiferl? Nein, im Wagerl sitzt ein waschechter Graupapagei. Der 14-jährige Jakob genießt seinen Ausflug auf die Mittagswiesn sichtlich. Schnell bildet sich eine kleine Menschentraube um die vielleicht ungewöhnlichste Wiesnattraktion an diesem Tag.

"Wir hatten Jakob schon öfter im Urlaub dabei, im Wohnwagen. Auf die Wiesn nehme ich ihn nur unter der Woche und dann auch nur Mittags mit", sagt die Besitzerin. "Alles andere wäre Tierquälerei." Verschmust ist er, der Kleine, immer wieder gibt's ein Bussi für das Frauchen. Mit 14 Jahren sei er noch zu jung, um sich einen Schluck Bier zu genehmigen, sagt die Besitzerin scherzend. Aber Bier mag er eh nicht. Viel lieber sind ihm seine Leibspeisen Leberkäse und Weißwurst. An Guadn Jakob!

Michael Neißendorfer

Oktoberfest  2012 - Besucher

Quelle: dpa

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Es hat gute Gründe, dass das Oktoberfest in zwei Bereiche geteilt ist: die Wirtsbudenstraße als Heimat der Bierseligen und Hendlhungrigen und die Schaustellerstraße, in der sich die Adrenalin-Junkies tummeln. So hat jeder seinen Platz. Und vor allem: Torkelnde Bierzeltbesucher kommen nicht auf die dumme Idee, das teuer erstandene Bier während einer Achterbahnfahrt in den Münchner Himmel zu entlassen.

Der Taumler, gleich neben der Fischer-Vroni, bricht diese Regel - eine knallbunte Drehscheibe, die zunächst harmlos aussieht und selbst für Wiesn-Besucher, die sich abgesehen vom Autoscooter in kein Fahrgeschäft trauen, eine lösbare Aufgabe zu sein scheint. Zumal in einem Zustand völliger Nüchternheit.

Also, los geht's. Die Scheibe setzt sich in Bewegung. Luft anhalten, nur nicht das Gitter loslassen. Die Jugendlichen gegenüber schauen in ein recht angestrengtes Gesicht. Sie lachen. Immer schneller dreht sich der Taumler. Der Steckerlfisch von eben drückt gegen die Magenwände. Das Brechzentrum liegt im Gehirn. Also: ablenken und an einen Spaziergang im Englischen Garten denken. Die Mitte fixieren und bloß nicht das drehende Festgelände, rät der Nebensitzer und ergänzt mit ruhiger Stimme: "Gleich ist es vorbei." Nach einer gefühlten Ewigkeit ist es tatsächlich vorbei. Alles dreht sich. Ganz ohne Bier. Wie schön.

Tobias Dorfer

Wetter in Bayern

Quelle: dapd

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Während des Oktoberfests ist München voll von Lebkuchenherzen, Brezen und volkstümelnden Menschen. Da braucht der Einheimische zwischendurch dringend mal eine kleine Pause. Also ab zum Lieblingsitaliener nach Schwabing, um bei Pizza und Rotwein ein bisschen italienisches Flair statt bayerisches Brauchtum zu genießen. Doch dann das: Giovanni, der charmante Kellner, trägt eine Hirschlederne, ein rotkariertes Trachtenhemd und Haferlschuhe. Auf der Karte gibt es eine Pizza Speziale Oktoberfest. Aus den Boxen dudelt die gleiche Blasmusik, die auch in den Zelten die Massen zum Grölen bringt. Und statt "Ciao" schmettert Giovanni den Gästen belustigt ein "Servus" entgegen.

Ja, hat man denn nirgendwo mehr Ruhe von dem Wiesn-Zinnober? Am Ende war es dann doch ein netter Abend. Statt Riesenbrezen haben wir Ciabatta bestellt. Statt gebrannten Mandeln ein Tiramisu. Und auf den Toiletten musste man auch nicht so lange anstehen.

Beate Wild

Fahrgeschäft auf dem Münchner Oktoberfest, 2012

Quelle: Robert Haas

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Mit meiner kleinen Tochter wollte - besser gesagt - musste ich Wilde Maus fahren. Und zu meinem Erstaunen feststellen, dass das, was von unten so harmlos aussieht, in der Realität tatsächlich viel zu wild für mich ist. Meine Tochter dagegen lachte nur, sie hatte ihren Spaß. Je älter man wird, desto mehr wird man zum Angsthasen. Am schönsten auf der Wiesn ist doch die Krinoline.

Daniel Hofer

Oktoberfest 2012

Quelle: dapd

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Die Frühschicht beginnt um 6 Uhr. Das heißt: Um halb sechs Uhr umsteigen am Ostbahnhof. Während der Wiesn ist das keine schöne Angelegenheit. Frisch geduscht zwischen lauter desorientierten Menschen, von denen man nicht sagen kann, wie sie hier hingekommen sind. Wie dieser junge Herr mit dreckigem T-Shirt und verdreckter Lederhose.

Mit schwerer Zunge stammelt er: "Heeeeyyyy...." (Pause.) "Eine Frage...." (Pause.) "Kannst Du mal stehenbleiben?"... (Pause.) Ich so: "Äh, ne, bin auf dem Weg zur Arbeit, also wenn Du was wissen willst, dann mal zackig!"  "... ."(Lange Pause, glasiger Blick.) Und dann er: "Ich bin ein fränkischer Zipfel aus Würzburg." Ich laufe mit zügigen Schritten weiter, er ruft mir hinterher: "Wo bin ich denn hier?"

Hannah Beitzer

125. Bayerisches Zentral-Landwirtschaftsfest -  Aussteller

Quelle: dpa

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Der Stadtmensch und vor allem das Stadtkind fährt gerne hinaus aufs Land, um zu schauen, wie der Bauer arbeitet. Wie praktisch, dass in diesem Jahr während der Wiesn nun das Land in die Stadt kommt, das Zentrale Landwirtschaftsfest fand auf dem südlichen Teil der Theresienwiese statt.

Statt Achterbahnen, Maßkrügen oder Seppelhüten gibt es hier riesige Traktoren und Mähdrescher, kleine Ferkel, süße Ponys und bullige Stiere. Die einzige Chance für Eltern, die Kleinen wieder loszureißen: einen Spielzeug-Traktor für Zuhause zu erwerben. Die Verkäufer sind vorbereitet: Das Verkaufszelt ist größer als ein Bierzelt auf der Wiesn. Bis da das richtige Modell ausgesucht ist, dauert es allerdings noch einmal eine Ewigkeit.

Mirjam Hauck

Oktoberfest 2012 Promi-Stammtisch von Birgitt Wolff

Quelle: dpa

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Ob im Bierzelt, am Karussell oder am Fischsemmel-Stand - überall Wiesn-Hüte. Doch die Oktoberfest-Besucher schmücken sich im Jahr 2012 keineswegs mehr mit traditionellen Trachtenhüten mit Geschichte und Symbolträchtigkeit, sondern tragen Musikantenstadl-Modelle à la Claudia Effenberg und Verona Pooth. Hüte in Leoparden-Imitat, grellem Pink oder Apfelgrün - Geschmacklosigkeit kennt keine Grenzen. Eine Truppe aus dem Ruhrpott schießt den Vogel ab: Kleine Hütchen mit aufgeklebten Bambis und Federn "schmücken" die Häupter der acht Frauen. Dabei beginnt der Karneval doch erst im November.

Deniz Aykanat

Oktoberfest 2012

Quelle: dapd

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Es gibt Diskussionen, bei denen weiß man schon zu Beginn, dass man am Ende zu keiner Lösung finden wird. So auch bei folgender Situation auf der Wiesn: Die Bedienung stellt zwei Maß Bier an unserem Tisch im Hofbräuzelt ab. Sie kassiert nicht gleich, sondern macht sich auf, um die restlichen bestellten Bierliter zu bringen. Zurück am Tisch bezahlen wir. Und zwar unserer Meinung nach auch die beiden vorher abgestellten. Die Bedienung sieht das anders. Es folgen Wortgefechte - und schließlich eine sauer abziehende Kellnerin. Eine sinnvolle Lösung des Konflikts - die Ehrlichkeit aller Beteiligten mal vorausgesetzt - fällt mir immer noch nicht ein. Aber sogar auf der Wiesn gilt: In dubio pro reo.

Thomas Moßburger

Power Tower auf dem Oktoberfest 2003

Quelle: AP

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70 Meter geht es nach oben, den Power Tower, den größten transportablen Freifallturm der Welt, hinauf. Der Blick streift über die nächtliche Theresienwiese, das Riesenrad wirkt von hier so klein, als gehöre es zur Kulisse einer Puppenstube. Ein paar Sekunden schon hängen wir oben, gleich geht es runter. Die Frage ist: nur wann?  Ein Kreischen.

Weitere Sekunden vergehen. Der Ansager scherzt, dass es nun kein Zurück mehr gebe. Noch immer passiert nichts, wir kreischen trotzdem. Weitere Sekunden verstreichen. Kreischen. Ich wage einen Blick nach unten. Ein Fehler. Ich kreische noch lauter. Erneut vergehen Sekunden. Das Herz klopft - obwohl noch immer nichts passiert ist. Die Wucht der Wiesn hat dennoch wieder einmal zugeschlagen. Noch ein Kreischen. Und dann sausen wir hinunter.

Lisa Sonnabend

Oktoberfest Cat Cam Pferd Rudi

Quelle: Anna Fischhaber

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Plötzlich geht nichts mehr auf der Theresienwiese. Vor dem Hippodrom bleiben die Menschen stehen, zücken ihre Kameras, klatschen begeistert. Welcher Wiesnpromi da so enthusiastisch begrüßt wird? Rudi!

Man sollte ja denken so ein Pferd habe jeder schon einmal gesehen. Doch von dem stattlichen Brauereipferd scheint eine ganz besondere Exotik auszugehen. Frauen in Dirndl lassen sich mit dem Tier fotografieren und nicht nur kleine Kinder, auch ältere Herren, wollen mal streicheln.

Das Pferd lässt die Prozedur ruhig über sich ergehen, nur manchmal schnaubt es und schüttelt ein wenig ungeduldig den Kopf. Rudi, 14, ist ein Profi: Es ist bereits seine sechste Wiesn und er jeden Tag im Einsatz.

Nur manchmal schaut Rudi sehnsuchtsvoll zu Vroni rüber. Die zieht neben ihm die Kutsche, früher waren die beiden mal ein Liebespaar, erzählt ihr Besitzer: "Da war Rudi noch ein Hengst, jetzt ist er allerdings ein Wallach." Vielleicht träumt Rudi dann aber auch nur vom Wald. Denn wenn er nicht auf der Wiesn ist, wird er zum Holzrücken im Deisenhofener Forst eingesetzt. Also keine Hände, keine Handykameras, nur Holzstämme. Und endlich Ruhe.

Anna Fischhaber

Oktoberfest 2012

Quelle: dpa

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Am ersten Wiesn-Montag habe ich um 10.05 Uhr den Hackerbiergarten betreten - als dritter Gast. Um dann eineinhalb Stunden lang nahezu ungestört Brotzeit machen und Zeitung lesen zu können. Und beim nächsten Mal scheint bestimmt auch die Sonne. Obwohl? Dann wird es bestimmt wieder furchtbar voll. 

Sascha Gorhau

© Süddeutsche.de
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