Wiesen:Weißer Blütenteppich

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Großer Auftritt für eine kleine Wildpflanze: blühende Hungerblümchen auf der südlichen Theresienwiese. (Foto: Reinhard Muhr/oh)

Hungerblümchen gedeihen auf sehr nährstoffarmen Böden, zum Beispiel auf der Theresienwiese

Es ist alljährlich einer der ersten Gäste auf der Wiesn - das Hungerblümchen. Wenn Krokusse und Schneeglöckchen ihre auffälligen Blüten zeigen, hat auch diese eher unscheinbare, kleine Wildpflanze ihren großen Auftritt. Obwohl das Hungerblümchen (wissenschaftlich: Erophila verna) nur wenige Zentimeter hoch ist und nur wenige Millimeter große weiße Blüten hat, ist es dennoch sehr auffällig: Was dem Winzling an Größe fehlt, macht er durch Masse wett. So verwandeln gerade Tausende dieser Blumen die südliche Theresienwiese in ein Blütenmeer.

Die einjährige Pflanze keimt bereits im Herbst in großen Mengen dort, wo andere Pflanzen es schwer haben: auf offenen, sehr nährstoffarmen Böden, oft auf dünnsten Substratschichten, schon wenige Millimeter Boden genügen ihren Wurzeln. Daher auch der Name "Hungerblümchen" - es wächst dort, wo andere Pflanzen verhungern würden: an Straßenrändern, in Ritzen und Pflasterfugen, auf Hausdächern. Streusalz oder Drauftreten machen dem robusten Zwerg nichts aus. Die Pflanze wächst vor allem im Winter, wo ihre kleinen, grünen Rosetten aus löffelförmigen Blättern sogar unter Schnee und Eis Fotosynthese betreiben. Mitten im Winter entwickeln sich auch die Blütenknospen, die nur darauf warten, sich an den ersten warmen Frühlingstagen zu entfalten.

Und so legt das Hungerblümchen auf diese "Hungerstandorte" im Frühjahr für ein bis zwei Wochen weiße Blütenteppiche. Dann sieht es auf einigen Münchner Wiesen, an Straßenrändern, aber auch auf den Trambahn-Rasengleisen aus, als hätte es noch einmal geschneit. Dabei ist dieses Massenauftreten für das Hungerblümchen überlebensnotwendig. Einzeln würde es kaum beachtet werden. In der Masse aber fällt man auf, und so locken die Blütenteppiche die ersten Frühlingsinsekten an. Mitten in der Innenstadt kommt das Hungerblümchen vor, allerdings muss man schon in die Hocke gehen, um die kleine Pflanze genauer zu betrachten. Die Blütezeit ist nur kurz, schon nach ein bis zwei Wochen ist der weiße Spuk wieder vorbei - übrig bleiben nur noch länglich-ovale bis rundliche Früchte mit vielen kleinen Samen darin. Bereits von Mai an ist vom Hungerblümchen meist nichts mehr zu sehen, nur die Samen im Boden warten auf den nächsten Herbst zum Auskeimen.

Der Text stammt von der Arbeitsgruppe "Flora von München", die das Pflanzenvorkommen im Stadtgebiet dokumentiert und Anfang 2019 in Buchform herausgeben wird (www.muenchenflora.de).

© SZ vom 05.04.2018 / SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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