Wiener Platz:Drinnen AfD, draußen Pegida - und Gegendemonstranten

Wiener Platz: Die AfD hat den Festsaal des Hofbräukellers reserviert - er liegt im Obergeschoss.

Die AfD hat den Festsaal des Hofbräukellers reserviert - er liegt im Obergeschoss.

(Foto: Stephan Rumpf)
  • Auf Weisung des Landgerichts München I muss der Hofbräukeller den mit der AfD geschlossenen Vertrag einhalten.
  • Für die Zeit während der Veranstaltung mit Frauke Petry sind zwei Demonstrationen angemeldet.
  • Hinter einer verbirgt sich Pegida, die andere positioniert sich gegen die AfD.

Von Martin Bernstein, Dominik Hutter und Ekkehard Müller-Jentsch

Der Hofbräukeller am Wiener Platz steht an diesem Freitag unter besonderer Beobachtung. Das Landgericht München I hat den Wirt Ricky Steinberg per einstweiliger Verfügung dazu verpflichtet, seinen einseitig gekündigten Vertrag zu erfüllen und der Alternative für Deutschland (AfD) für eine Veranstaltung mit der Bundesvorsitzenden Frauke Petry zwei Säle zu überlassen. Den Sicherheitsbehörden steht damit ein Abend mit "einer gewissen Brisanz" bevor, wie es Polizeisprecher Werner Kraus ausdrückt.

Denn vor und während der Wirtshausreden der rechtspopulistischen Partei sind draußen auf der Straße zwei Demonstrationen mit unterschiedlicher Ausrichtung angemeldet: eine pro und eine kontra AfD. Die Polizei kündigte eine "der Lage angepasste" Präsenz an, damit alle genehmigten Veranstaltungen möglichst reibungslos ablaufen können.

Am Donnerstag war unklar, wie heikel die Situation rund um den Wiener Platz wirklich werden wird. Offiziell wurden die beiden Demos lediglich mit zwei bis 20 beziehungsweise 50 Teilnehmern angemeldet. Der Veranstalter der Pro-AfD- Demo nennt sich "Liberalitas Bavariae in gastronomia", dahinter steckt Pegida. Ihr Motto: "Der Aufstand der Vernünftigen - gegen die Buntstasi-Gastronomie und pseudohumanitäre Hetzmedien". Die Gegenveranstaltung wurde aus dem linken Spektrum organisiert und richtet sich "gegen den Auftritt von Frauke Petry, gegen Rassismus, Grenzregime, Sexismus, Antifeminismus".

Ricky Steinberg betrachtet das Demo-geschehen rund um sein Haus mit Sorge. "Wir können nur hoffen, dass das glimpflich abläuft", sagte der Wirt, der seine kurzfristige Absage mit der Angst vor Ausschreitungen begründet hatte. Gegen diese Ausladung war die AfD erfolgreich vor Gericht vorgegangen - sie verfügt über einen Vertrag und hatte bereits eine Vorauszahlung überwiesen.

Steinberg verzichtete nach Beratung mit seinen Anwälten auf eine Beschwerde gegen das Urteil des Landgerichts. "Das hätte keinen Sinn gehabt", die Argumente seien schließlich unverändert. "Ich bin enttäuscht, dass die Richter unsere Sicherheitsbedenken nicht so sehen", sagte der Gastronom. "Wir sehen sie sehr wohl."

Die AfD hatte den Hofbräukeller noch vor ihrem Stuttgarter Parteitag reserviert, bei dem sie sich nach Einschätzung Steinbergs radikaler als zuvor positioniert hatte. Der Wirt will nun aber seinen Vertrag korrekt erfüllen und die AfD bewirten. "Wir machen kein Kasperltheater." Allerdings sei es sehr schwer, die Mitarbeiter für einen solchen Einsatz zu motivieren.

Wie die AfD auf die Entscheidung des Gerichts reagiert

Auf einer kurzfristig anberaumten Pressekonferenz am Donnerstagnachmittag wirkten die AfD-Vertreter erfreut, aber auch leicht überrascht, dass sie nun doch in den Hofbräukeller dürfen. Während Landeschef Petr Bystron sagte, dass man viele Ersatzangebote von anderen Wirten bekommen habe, deren Säle aber alle nicht groß genug gewesen seien, sagte Thomas Fügner, Beisitzer im Landesvorstand, man habe keine Chance gehabt, eine Alternative zu finden. Dass die rechtsradikal geprägte Pegida zu einer Solidaritätsdemo aufruft, kommentierte Petry mit den Worten: "Unterstützung durch Rechtsradikale wollen und brauchen wir nicht."

Gerüchte, die Absage Steinbergs sei auf Weisung von Markus Söder (CSU) erfolgt, wiesen sowohl der Wirt als auch das Finanzministerium mit Nachdruck zurück. Es habe keinerlei Gespräche mit der staatseigenen Brauerei, dem Finanzministerium oder irgendeiner politischen Partei in Sachen AfD gegeben, versicherte Steinberg. Dies sei seine eigene Entscheidung als Wirt gewesen. Im Ministerium kursiert die Vermutung, die AfD wolle sich zum Opfer politischer Intrigen stilisieren. Tatsächlich streut die Partei gerne Behauptungen, sie werde von einer Art Kartell gezielt außen vor gehalten.

Wilfried Biedermann, der Vorsitzende der AfD München Ost, sprach bereits unmittelbar nach Steinbergs Rückzieher von einer "bundesweiten Mobbing-Kampagne militanter AfD-Gegner", die seiner Partei "mit undemokratischen und zum Teil kriminellen Methoden Räume streitig machen wollen". Die AfD München Ost veranstaltet den Petry-Abend, bis Donnerstagmittag hatten sich laut AfD etwa 300 Leute angemeldet.

Wie das Gericht die Entscheidung genau begründet

Die 14. Zivilkammer des Landgerichts begründete die einstweilige Verfügung gegen Steinberg damit, dass er den am 28. April geschlossenen Mietvertrag unter den derzeitigen Umständen nicht wirksam kündigen konnte. Er verwies in dem nichtöffentlichen Eilverfahren auf die gewalttätigen Ausschreitungen in Stuttgart - solche befürchte er auch am Wiener Platz.

Es müsse davon ausgegangen werden, sagte er, dass "mit einer erheblichen Zahl von friedlichen und/oder gewalttätigen Gegendemonstranten gerechnet werden muss". Ein Sicherheitskonzept könne er in der kurzen Zeit nicht mehr entwerfen. Der Wirt sorgt sich auch um seine anderen Gäste: Besucher im Erdgeschoss des Hofbräukellers würden sich gewiss "aufgrund des massiven Polizeiaufgebots und der zu erwartenden Gegendemonstranten weder wohlfühlen noch Gemütlichkeit verspüren".

Das sah das Gericht anders. Gekündigt werden dürfe der Mietvertrag nach den eigenen Geschäftsbedingungen lediglich bei einem "begründeten Anlass". Bloße Mutmaßungen und Befürchtungen seien da nicht genug, argumentiert das Gericht, "sondern es müssen konkrete Anhaltspunkte für eine objektiv bestehende Gefährdungslage benannt werden".

Friedliche Proteste seien ohnehin kein Kündigungsgrund; sie seien "Ausdruck der politischen Kultur und Versammlungsfreiheit". Im Übrigen müsse die AfD mit einem eigenen Sicherheitsdienst an Ort und Stelle für Ordnung sorgen - vor der Gaststätte sei das Sache der Polizei.

Auch wenn der Wirt einen "Shitstorm" in den sozialen Medien befürchte, wirke sich das nicht auf die Sicherheit des Geschäftsbetriebs aus. Das Gericht hat sich dazu die Facebook-Seite des Hofbräukellers genau angeschaut: Hier gebe es seit dem Rücktritt sowohl kritische wie lobende Kommentare.

Das Gericht sagt, dass dem Wirt schon aus früheren Veranstaltungen, auch in seinen eigenen Räumen, bekannt gewesen sei, dass es sich bei der AfD um eine islamkritische Partei am rechten Rand handle. Zudem habe er noch am 2. Mai, also nach den Krawallen in Stuttgart, der AfD geschrieben: "Wir freuen uns, folgende Veranstaltung für Sie planen zu dürfen und bestätigen Ihnen wie folgt . . ."

Auch zum denkbaren Unbehagen anderer Gaststättenbesucher sagte die Kammer, dass diese kein Kündigungsgrund seien. Sofern der Wirt Umsatzeinbußen befürchte, seien diese keine Folge durch Störungen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung, "sondern eine unmittelbare Folge des Vertragsabschlusses".

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