Wiedereröffnung der "Gruam":Ganz unten in der Grube

In der "Gruam" trafen sich früher Fernfahrer, Prostituierte, Zuhälter und Milieuliebhaber. Am Samstag eröffnet die seit 1934 existierende Kneipe wieder - mit neuem Wirt und altem Charme. Das leicht heruntergekommene Flair soll bleiben.

Jan Knobloch

Die Hausordnung war in der Gruam ein Baseballschläger. "Es hat schon ein paarmal kräftig gescheppert hier, aber wir haben das immer ohne Polizei geregelt. Beleidigt war hinterher nie jemand", sagt Toni Holzer. Die Gruam war seine Kneipe, 31 Jahre lang stand er hier hinter dem Tresen. In den vergangenen zwei Jahren musste er das Lokal aus gesundheitlichen Gründen fast immer geschlossen lassen - jetzt wird die seit 1934 bestehende Institution wieder eröffnet.

Wiedereröffnung der "Gruam": Musste auch mal mit dem Baseballschläger seine Hausordnung durchsetzen: Der ehemalige Pächter Toni Holzer vor der Gruam.

Musste auch mal mit dem Baseballschläger seine Hausordnung durchsetzen: Der ehemalige Pächter Toni Holzer vor der Gruam.

(Foto: Robert Haas)

Holzer, bislang selbst wichtigstes Inventar der Kneipe, wird dann nicht mehr hier arbeiten. Wie jemand, der regelmäßig einen Baseballschläger einsetzt, sieht der kleine rundliche Mann in dem Wollpullover nicht gerade aus. Wenn er von seiner Zeit als Wirt erzählt, verliert sich der 66-Jährige oft in Erinnerungen und lächelt dabei glücklich wie ein kleiner Bub, der gerade seinem Mathelehrer einen Klingelstreich gespielt hat. Und gleichzeitig sieht man ihm an, dass er die Kneipe mit ihren zwielichtigen Gestalten schon jetzt vermisst.

"Zur Gruam": Willkommen in der Grube. Unterwelt gehört hier zum Programm. Die Gäste nannten das Lokal schon so, als es eigentlich noch Brotzeiteck hieß. Der einstöckige Flachbau liegt im Niemandsland zwischen Sendling und der Isarvorstadt neben einer Eisenbahnbrücke, dort, wo die bunten Mehrfamilienhäuser langsam von Lagerhallen und Industriegelände abgelöst werden. Zu den besten Zeiten trafen sich hier in der Thalkirchner Straße Fernfahrer vom Großmarkt nebenan mit Prostituierten vom Straßenstrich um die Ecke. Gangster, Zuhälter, Arbeiter und Milieuliebhaber gingen ein und aus. "Vom Millionär bis zum Penner" habe es hier eigentlich alles gegeben, sagt Holzer. Zudem lag gegenüber früher eine öffentliche Toilette, die als Schwulen-Treffpunkt bekannt war. Von 11 Uhr an seien dann häufig reiche Herren vorbeigekommen, um sich dort einen Stricherjungen anzuwerben. Sogar Rudolph Moshammer soll einmal da gewesen sein. "Aber alle haben sich immer gut verstanden." Und wenn doch nicht, wurde einfach die "Hausordnung" konsultiert.

Geschichten aus der Grube gibt es viele. Die meisten davon beginnt Holzer mit den Worten: "Des schreiben's aber ned." Einmal habe ein Gast zum Beispiel einer an der Bar trinkenden käuflichen Dame 50 Euro dafür gezahlt, dass sie sich nackt in die Schwulenklappe gegenüber einschleiche. Den Schwulen gefiel das gar nicht, sie jagten die Frau wieder auf die Straße. Mit zerzausten Haaren lief sie daraufhin auf dem Mittelstreifen zwischen den Fahrbahnen entlang, was einen durch so viel Nacktheit abgelenkten Autofahrer dazu veranlasste, einen Unfall zu bauen. Trotz allem habe ihm die Polizei nie Schwierigkeiten gemacht, sagt Holzer. Die habe sein Regiment in der Gruam toleriert und ihn stattdessen schon mal um Auskunft gebeten, wenn sie in gewissen Kreisen wegen einer Straftat ermitteln musste.

Diese Legenden, man meint sie immer noch zu spüren, wenn man die Gruam betritt. Über die Jahre hat sich auf Wänden und Inventar eine Patina gelegt, sich feiner Staub in Ecken und Nischen gesetzt. Dieses leicht heruntergekommene Flair soll auch jetzt erhalten bleiben. Außer einem neuen Anstrich und ein paar Kleinigkeiten will der neue Wirt, Stephan Maria Alof, nichts verändern. Neben der Bar hängt ausgebleicht das Bild einer nackten Frau, daneben steht auf einem Brett eine Marienstatue. Es gibt einen Miniatur-Truck und einen Teller von 1977, der das 25. Thronjubiläum von Queen Elizabeth feiert. Und es gibt eine echte Jukebox, die Elvis, die Beatles, Janis Joplin und einige Pop-Scheiben spielt.

Dass jetzt ein etwas anderes Publikum hierher kommen wird, glaubt Alof schon. Trotzdem sieht er seine Boazn als Gegenentwurf zur Schickeria: "Hier bekommst du noch ehrlich dein Bier gezapft", sagt er. Wann die Einweihungsparty stattfindet, hat er kurzerhand mit einer Sprühdose auf die Eingangstür geschmiert: "10. September. Geilste Party des Jahres", steht dort in roter Schrift. Um 18 Uhr geht es los, zu trinken gibt es neben Tegernseer, Hopf Weißbier und Astra auch Rüscherl sowie Longdrinks, Caipirinha und Mojito. Das Essen beschränkt sich auf einen bodenständigen Wursttopf, Fleischpflanzerl und Leberkäs, bei der Eröffnungsfeier wird zusätzlich noch gegrillt.

Auch der alte Baseballschläger wird wieder einen Stammplatz am Tresen der Gruam bekommen - wenn auch in Kombination mit einem Handschuh. Nur dann nämlich zählt der Schläger als Sportgerät, alleine ist er mittlerweile verboten.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: