Wie ernst ist es wirklich?:Museen, digitale Welt und der Tanz der Ratten

Zum Interview "Das letzte Massenmedium, das noch nicht ins Haus liefert" vom 5. September - über den Stellenwert von Museen - hat die SZ die radikale Vorhersage des renommierten Illustrators und Cartoonisten Hans Traxler erreicht. Der, das sei nicht verschwiegen, war 1979 Mitbegründer des Satiremagazins Titanic:

Sehr geehrte Damen und Herren,

in einem Interview, das Ihre Mitarbeiterin Luise Schendel mit dem Münchner Kunstkritiker Walter Grasskamp über die Zukunft der Museen führte, schlägt dieser vor, die Sammlungen künftig nur noch an einem Tag in der Woche für Besucher zu öffnen, die Bilder "dafür aber rund um die Uhr in virtueller Realität" zu zeigen. Das Städel-Museum in Frankfurt sei da schon sehr weit.

Als ehemaliger Städelschüler (Klasse Professor Meistermann), der immer noch gute Beziehungen zu seiner Akademie unterhält, kann ich dazu Folgendes ergänzen: Der Plan, das Städel künftig nur noch an einem Tag in der Woche zu öffnen, ist inzwischen fallengelassen worden.

Die Frankfurter Erfahrungen der letzten Jahre, wo bei Sonderausstellungen (Dürer!) trotz Öffnungszeiten bis in die späte Nacht sich hunderte Meter lange Schlangen rund um das Gebäude bildeten, was dazu führte, dass auch Inhaber von Jahreskarten nach mehrstündiger Wartezeit letztlich nicht mehr eingelassen wurden und damit auch wochenlang die ständige Sammlung blockiert war, schließen ein solches Konzept aus.

Stattdessen gibt es nun den Plan, die Sammlung ab 2020 bis Herbst 2024 stufenweise zu schließen und im Jahr darauf komplett zu versteigern. Als nächster Schritt soll das obsolet gewordene Gebäude, ein prächtiger Gründerstilbau in bester Mainlage, auf den Markt gebracht werden.

Mein Gewährsmann aus dem Umkreis der Frankfurter Kulturdezernentin, von dem diese Informationen stammen, rechnet nicht mit einem starken Widerstand aus der Bevölkerung, ebenso wie Professor Grasskamp, der das Museum als solches ohnedies für "eine Fehlkonstruktion" hält und die Frage stellt, "inwieweit die Faktur (gemeint ist das Originalkunstwerk) noch interessant ist für die Generation, die unter digitalen Voraussetzungen groß wird".

Auch die Grünen im Frankfurter Stadtparlament konnten für die Idee der Museumsschließung gewonnen werden. Dem Argument, ein Bildermuseum stelle ja per se für die muslimische Minderheit, deren Glaube ihr ein Bilderverbot auferlegt, eine ständige Provokation dar, wollten sie sich nicht verschließen.

Angesichts der enormen Wertschöpfung (vorsichtige Schätzungen belaufen sich auf 1,7 Milliarden Euro) glaubt mein Gewährsmann, dass die Transaktion mit hoher Wahrscheinlichkeit glatt durch die Gremien gewunken wird und die "Fakturen" künftig an den Wänden der Superreichen im mittleren und fernen Osten hängen werden.

Darunter auch das Lieblingsbild der Frankfurter: "Der Tanz der Ratten", gemalt vom Genremaler Ferdinand von Kessel im Jahre 1690.

Hans Traxler, Frankfurt

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: