Westend:Nach langer Suche - Geburtshaus findet neue Räume

Westend: Das Geburtshaus in der Nymphenburger Straße zieht im August in seine neuen Räume im Westend.

Das Geburtshaus in der Nymphenburger Straße zieht im August in seine neuen Räume im Westend.

(Foto: Robert Haas)
  • Lange Zeit war die Zukunft von Münchens einzigem Geburtshaus ungewiss.
  • Der Vermieter hatte die Räume in Neuhausen gekündigt, eine Alternative war nicht in Sicht.
  • Jetzt haben die Hebammen neue Räume gefunden. Im August soll der Umzug stattfinden.

Von Inga Rahmsdorf

Nach langer Suche haben die Hebammen des einzigen Geburtshauses Münchens neue Räume gefunden. Sie werden im August in eine ehemalige Praxis im Westend ziehen, in der seit über 20 Jahren der Arzt Friedrich Stapf Abtreibungen praktiziert hatte. Diese Vorgeschichte sei kein Problem, sagt Christine Zinsler, Vorsitzende des Vereins zur Förderung der selbstbestimmten Geburt, dem Träger des Geburtshauses. Sie sei sehr erleichtert, endlich Räume und damit eine Perspektive für das Geburtshaus gefunden zu haben.

"Wir richten unseren Fokus darauf, dort einen Ort für Frauen und Familien zu errichten, der stärkend und unterstützend sein wird", sagt Zinsler. Das Geburtshaus kann in der Fäustlestraße im Westend seine Fläche verdoppeln und künftig auf 340 Quadratmeter nicht nur mehr Platz für die Geburtshilfe anbieten, sondern auch mehr Kurse für Schwangere und Mütter, etwa Geburtsvorbereitungen und Rückbildungsgymnastik.

Wer der Vormieter im Westend ist

Die Hebammen haben schon seit Jahren darum gebangt, ob sie das Geburtshaus in Neuhausen schließen müssen, weil ihr bisheriger Mietvertrag eigentlich längst ausgelaufen ist, ihr Vermieter die Räume für den Eigenbedarf benötigt, sie aber keine geeignete Immobilien in München fanden. Ende 2014 hatten sich die Hebammen deswegen mit einem Hilferuf an die Öffentlichkeit gewandt und mit einer Online-Petition mehr als 10 000 Unterschriften gesammelt. Damit forderten sie den Stadtrat auf, sie beim Erhalt ihrer Einrichtung zu unterstützen.

Die Stadt zeigte sich auch hilfsbereit, und es kam die Idee auf, das Haus bei den Sanierungsplänen für die Klinik in Schwabing miteinzubeziehen. Auch im Stemmerhof in Sendling standen zwischenzeitlich Räume zur Diskussion. Doch beide Optionen zerschlugen sich aufgrund finanzieller oder zeitlicher Hindernisse.

Die neue Adresse des Geburtshauses im Westend ist recht bekannt in München, weil ihr Vormieter als einer der erfahrensten Abtreibungsärzte in Deutschland gilt. Er hat nie heimlich und im Stillen praktiziert. Besonders in den 1990er Jahren war er heftig umstritten, er legte sich mit der CSU an und engagierte sich auch politisch für das Recht auf Abtreibung.

Bis zu seinem Auszug vor kurzem, demonstrierten regelmäßig Abtreibungsgegner vor seiner Praxis in der Fäustlestraße und lauerten dort auch seinen Patientinnen auf, um sie von ihren Ansichten zu überzeugen. Der Arzt betrieb eine weitere Klinik in Stuttgart, doch die musste er Anfang dieses Jahres schließen, weil auch dort sein Mietvertrag auslief. Anders als in Stuttgart hat der 69-Jährige in München aber offenbar andere Räume gefunden, am 4. April will er seine Praxis wiedereröffnen.

Geburtshaus soll im August umziehen

Der Mietvertrag des Arztes sei nach 23 Jahren ausgelaufen, nun hätten Fragen einer umfangreichen Sanierung angestanden und schließlich sei man im beidseitigen Einvernehmen auseinandergegangen, sagt der Vermieter des Gebäudes in der Fäustlestraße, das einer Familiengesellschaft gehört. Er zeigt sich erfreut über die neuen Mieter, das sei ein tolles Konzept und passe sehr gut in die Umgebung des Westends. Bis zum Umzug des Geburtshauses, der für Anfang August geplant ist, müssen allerdings noch einige Umbauarbeiten vorgenommen werden, die bereits begonnen haben.

Die Hebammen wollen große Zimmer für Kurse im ersten Stock einrichten, im Erdgeschoss sind zwei Geburtsräume vorgesehen, die den hygienischen Anforderungen entsprechen müssen, zudem werden eine schwere Wanne für Wassergeburten und Schallschutzwände eingebaut.

Der Mietpreis sei für Münchner Verhältnisse sehr günstig, sagt Christine Zinsler und der Vertrag laufe für mindestens zehn Jahre. Allerdings rechnen die Hebammen mit Umbaukosten von etwa 300 000 Euro, eine große Summe, für die die Geburtshelferinnen nun Kredite aufnehmen müssen, für die sie persönlich haften, sagt die Geschäftsführerin und Hebamme Susanne Braun. Der Verein und die Hebammen hoffen daher, dass die Stadt sie finanziell unterstützen wird.

Hebammen wollen Beratungsangebot ausbauen

Immerhin trägt das Geburtshaus mit dazu bei, die schwierige Versorgungssituation bei der Geburtshilfe in München zu entzerren. Im vergangenen Jahr sind dort 220 Babys zur Welt gekommen, seit seiner Gründung 1994 insgesamt mehr als 4000 Kinder. Im Verhältnis zu den großen Kliniken ist das zwar eine niedrige Zahl, doch die Geburtsabteilungen sind überfüllt und der Bedarf an Entbindungsplätzen steigt seit Jahren. Da zählt jeder Platz. Außerdem garantiert das Geburtshaus den Frauen eine Wahlfreiheit, denn es bietet eine Alternative zu Klinik und Hausgeburt.

Die Warteliste ist lang, derzeit arbeiten im Geburtshaus elf Hebammen und leisten eine eins zu eins Betreuung, was in den meisten Kliniken nicht gegeben ist. Anders als vielerorts hätten sie auch keine Schwierigkeiten, Fachkräfte zu finden, sagt Zinsler. Bei Hebammen sei diese Form der intensiven und persönlichen Betreuung der Schwangeren sehr beliebt.

Die Hebammen planen außerdem, ihr Beratungsangebot auszubauen. Zudem sollen in dem Gebäude in der Fäustlestraße künftig auch andere Veranstaltungen angeboten werden. Lisa Flögel und Dinah Vogel haben das Mütternetzwerk gegründet und wollen in Kooperation mit dem Geburtshaus dort einen Raum für junge Mütter mit Kindern schaffen und ihnen Kurse in den Bereichen Sport, Bildung und Freizeit anbieten.

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