Werksviertel:Geschmacksfragen zählen beim neuen Konzerthaus nicht

Entscheidung für neues Münchner Konzerthaus

Mit ihrem Vorschlag konnten die Bregenzer Architekten Andreas Cukrowicz und Anton Nachbaur-Sturm die Jury überzeugen.

(Foto: Cukrowicz Nachbaur/dpa)

Warum das Glashaus trotz Verstößen gegen Vorgaben gewinnen konnte und warum der Bau letztlich doch anders aussehen könnte - Antworten auf die wichtigsten Fragen.

Von Christian Krügel

Das Interesse am neuen Konzerthaus im Werksviertel ist groß. Allein am ersten Öffnungstag besuchten mehr als 1200 Münchner die Ausstellung aller Architektenentwürfe. Dort und in den sozialen Medien wird heftig über viele Fragen zu dem Konzert-Glashaus gestritten, für das die Bregenzer Architekten Andreas Cukrowicz und Anton Nachbaur-Sturm den Zuschlag bekamen.

Der Entwurf verstößt gegen viele Vorgaben - wie kann er dann gewinnen?

Das Vorarlberger Büro hat sich weder an die vorgegebene Höhe des Gebäudes noch an die Geschoßflächenzahl gehalten. Statt 26 Meter soll der Glasbau 45 Meter hoch sein, statt maximal 17 500 Quadratmeter werden es bis zu 22 500 sein. Beides war in der Jury Thema, dennoch votierte sie am Ende bei nur einer Gegenstimme dafür. Denn zum einen sind solche Verstöße bei Architektenwettbewerben eher die Regel statt die Ausnahme. So auch hier: Viele der Entwürfe durchbrachen alle Maßvorgaben zugunsten einer besseren Gestaltung. Der Bebauungsplan sieht zudem explizit Ausnahmen für Kulturbauten vor. Und grundsätzlich gilt Paragraf 31, Absatz 2 des Baugesetzbuches: "Ausnahmen und Befreiungen sind möglich, wenn die Grundsätze der Planungen nicht berührt sind." OB Dieter Reiter hat dafür schon Zustimmung signalisiert, aber der Stadtrat muss dem zustimmen.

Warum hat sich die Jury für das Glashaus entschieden?

Jury-Präsident Arno Lederer hatte nach der Entscheidung die hohe Funktionalität und die einfache, klare Form des Baus gelobt, die städtebaulich hervorragend ins Werksviertel passe. Vergleicht man die Detailplanungen der Wettbewerbsteilnehmer, wird klar, dass die Vorarlberger das ehrgeizige Raumprogramm am besten erfüllten: mehrere Säle, große Foyers, viel Platz für die Musiker. Und mit ihrem Entwurf des großen Saals dürften sie für den Akustiker keine unlösbaren Probleme geschaffen haben: Während viele extrem steile und verwinkelte Auditorien geplant hatten, schlägt das Vorarlberger Büro eine einfache ausladende Schuhschachtel mit sehr demokratischer Anmutung vor: ein großes Parkett und umlaufende Ränge, aber ohne extremen Steigungen oder Logen.

Wird das Konzerthaus nun auch so gebaut?

Das ist keineswegs sicher. "Der Architekt des Entwurfs ist noch nicht mal beauftragt, der Vertrag also noch nicht sicher", heißt es aus dem zuständigen Innenministerium. Minister Joachim Herrmann hatte zwar nach der Jury-Entscheidung angekündigt, dass man die Realisierung des Siegerentwurfs anstrebe. Aber zunächst müssten die Bregenzer Architekten erst einmal die Details ihrer Pläne ausarbeiten. Dabei dürfte die Geschossflächenzahl schon noch mal eine Rolle spielen, auch Fragen des Brandschutzes und der Fluchtwege in dem 45 Meter hohen Gebäude, zudem die Fassadengestaltung. In den nächsten drei, vier Monaten soll die Ausarbeitung erfolgen, parallel dazu ein Akustiker in einem separaten Wettbewerb ausgewählt werden. Und erst dann lassen sich wohl die genauen Kosten abschätzen, die der Landtag freigeben muss.

Können die Münchner den Bau verhindern?

In Architektenforen und den sozialen Medien wird schon über ein Bürgerbegehren gegen den Entwurf diskutiert. Das ist allerdings so nicht möglich, denn reine Geschmacksfragen lassen sich laut Gemeindeordnung nicht zur Abstimmung stellen. Möglich wäre ein Bürgerbegehren aber gegen einen Beschluss des Stadtrats, den Bebauungsplan im Sinne des Projekts zu ändern. Dafür wären dann die Unterschriften von drei Prozent aller Münchner Wahlberechtigten nötig.

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