Werbespots im Kino:Mit Witz gegen Schmutz

Wie ein Verein die Feiernden zur Einsicht und Rücksicht bewegen will

Von Jakob Wetzel

München - Tatort: München, am Isarufer zwischen Cornelius- und Reichenbachbrücke. Der Morgen graut, ein Polizeiwagen fährt mit Sirene über den Fluss, die Spurensicherung ist bereits da. "Tatzeitpunkt?", fragt der Ermittler. "Wie mir eintroffen san, waren die Teile noch warm", antwortet der Kollege im weißen Overall, er sagt es ganz nüchtern, wie beiläufig. Doch was die abgebrühten Beamten dann sehen, das macht auch sie sprachlos.

Seit Ende Juli ist diese Szene in den Münchner Kinos zu sehen, und zwar egal, welcher Film gezeigt wird. Sie läuft vor dem Hauptfilm, nicht als Auftakt zu einer blutigen Kriminalgeschichte, sondern als Werbespot, als Appell an die Münchner, doch bitte ihren Fluss sauber zu halten. Was die Ermittler erschüttert, ist keine menschliche Leiche, es ist der Dreck, den die Feiernden am Abend zuvor an der Isar zurückgelassen haben: Flaschen, Lebensmittel, Bierkästen, ein umgekippter Grill. Und so erscheint über all dem Durcheinander schließlich der Slogan: "Mach die Isar nicht zu deinem Tatort!"

Der Film ist das Werk von Studierenden der Hochschule für Fernsehen und Film (HFF), aber vor allem ist er die jüngste Aktion des Vereins "Deine Isar", der seit fünf Jahren mit Witz und Einfallsreichtum gegen die Vermüllung des Flusses kämpft, mit Plakaten, mit Pavillons, mit Mülltüten, verteilt aus einer Rikscha. Es ist der Versuch, die Isar zu schützen - und auch, die Feiernden zur Einsicht zu bewegen, bevor die Behörden womöglich Verbote aussprechen müssen. Der Einsatz des Vereins ist groß. Nur der Erfolg bleibt bislang aus.

Hinter "Deine Isar" steht der Werber Hartmut Keitel. Er hat in den vergangenen Jahren jede Menge Aufmerksamkeit erregt und ebenso viele Slogans entworfen. 2011 ließ er die ersten Plakate drucken, auf denen etwa "Ganze Kerle, ganze Flaschen" stand oder "Nach mir die Müllfee? Die Isar hat keinen Selbstreinigungsmodus". Rasch beteiligte sich die Stadt an der Kampagne. Und schon 2011 gab es den ersten Werbespot fürs Kino, zunächst in einer Kooperation mit der Hochschule Macromedia. Den ersten Spot drehten Studierende als Semesterarbeit, vier Münchner Kinos zeigten ihn kostenlos, ebenso den zweiten. In diesem schlug die Isar zurück, es hagelte Bierbüchsen, Zigarettenkippen und gefüllte Windeln auf Passanten, die zuvor Müll achtlos weggeworfen hatten; der Spot wurde zusätzlich in U-Bahnhöfen gezeigt. Den Sprung in alle großen Münchner Kinos schaffte dann der dritte Werbespot: 2013 ließen Absolventen der Hochschule ein Liebespaar in herumliegende Scherben springen. Aus der gewollten Umarmung wird im Film eine Bauchlandung. Dem Verein aber brachte der Spot große Aufmerksamkeit. Der jüngste, bereits fünfte Spot entstand nun nach einem Wettbewerb. Die Studenten der HFF haben sich gegen fast 30 Mitbewerber durchgesetzt. Um ihre Idee zu verwirklichen, erhielten sie 10 000 Euro von der Paulaner-Brauerei.

Die Spots sind nur das eine. Seit 2013 gibt es unter anderem eine Sprechblase, die sich in der Isar verankern lässt - das sieht dann so aus, als rufe der Fluss den Menschen "Sauba bleim sog i!" zu. Es gibt Angebote für Schulkinder, um sie für die Nöte der Isar zu sensibilisieren, und auch der Kabarettist Harry G lässt sich auf Youtube dabei zusehen, wie er auf die schimpft, die an der Isar ihren Müll liegen lassen oder den Kot ihres Hundes nicht wegräumen. Für sie hat Keitel auch, was sonst, ein Plakat im Sortiment: "Hunde lesen nicht! Sie kacken", heißt es da. Was dagegen geschehen könnte, wenn sich an der Isar nichts ändert, das zeigt ein anderes Plakat: Da ist der Fluss abgesperrt, unerreichbar für die Münchner, freilich etwas zugespitzt hinter Stacheldraht. Darüber steht "Isar 2020?" Um das abzuwenden, blieben noch fünf Jahre Zeit.

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