Wenn Jamie kommt:"Und das alles wegen eines Kochs"

Starkoch Jamie Oliver signierte im Münchner Hugendubel sein neuestes Buch. Wer zuvor eine Ausgabe ergattern konnte und außerdem über viel Geduld, Stehvermögen und eine trainierte Blase verfügte, hatte sogar eine Chance.

Violetta Simon

Wer heute nachmittag bei Hugendubel am Marienplatz mal eben ein Buch kaufen wollte, hatte Pech: an Durchkommen war nicht zu denken. Die Rolltreppen waren still gelegt, von Stockwerk zu Stockwerk zog sich eine Menschenschlange wie ein riesiger Bandwurm kreisförmig nach oben bis in den sechsten Stock. Mehrere hundert Kunden, und alle wollten ein und dasselbe: ein Kochbuch.

Natürlich nicht irgendein Kochbuch, sondern das neueste Werk des britischen Starkochs Jamie Oliver - "Genial italienisch". Und das Wichtigste: mit einer Widmung darin. Der Maestro selbst wurde erwartet, um seine Bücher zu signieren.

Vorausgesetzt, man hatte sich eine Ausgabe gesichert und bewies Stehvermögen: Die meisten warteten bereits seit über einer Stunde geduldig in ihren Winterjacken und mit einem Exemplar unterm Arm.

600 Ausgaben von "Genial italienisch" waren in verschiedenen Etagen mit Koch-Accessoires dekoriert und zu hübschen Stapeln drapiert worden. "Mal sehen, ob es reicht oder ob was übrig bleibt", sagte eine Mitarbeiterin. Kurz darauf waren alle weg, mittlerweile drängten sich die Leute sogar um die älteren Bücher - Hauptsache, man hat etwas für´s Autogramm.

Florian Söltl steht die Enttäuschung ins Gesicht geschrieben. Fünf Bücher wollte er für sich und seine besten Freunde kaufen und signieren lassen. "Ich hab sogar schon die Widmungen aufgeschrieben", sagt er und zieht mehrere Zettel mit Namen und passenden Texten aus seiner Tasche. Der Grafik-Designer hatte sich eigens einen halben Tag dafür frei genommen. Nun wartet er an der Kasse im Erdgeschoss darauf, dass ein entnervter Kunde aufgibt und sein Exemplar zurücklegt.

Eben ist eine Dame verärgert wieder abgezogen. Sie wollte eigentlich nur ein Wirtschaftsfachbuch kaufen, doch die Fachabteilung befindet sich im sechsten Stock, und war somit unerreichbar. Sicher, sie hätte sich an der Fan-Schlange vorbeidrängen können, doch das mit dem Wirtschaftsbuch hätte ihr in dem Moment bestimmt keiner geglaubt.

Unbeeindruckt vom Rummel um den Starkoch

"Dass diese Aktion ein gewisses Interesse wecken würde, war uns schon klar", sagt eine Kassiererin, "aber dieser Andrang hat uns dann doch etwas überrascht". Nun, wer die Laufbahn des 30-Jährigen kennt, der bereits im Alter von acht Jahren im Pub seines Vaters in der Küche stand, wundert sich nicht wirklich darüber.

Jamie Oliver startete seine Karriere 1998 als TV-Koch bei BBC mit der Koch-Kultserie "The Naked Chef". "Naked" steht für eine "nackte", das heißt einfache und unkomplizierte Küche. Mit dieser Philosophie traf er einen Nerv: Seine Rezepte sind außergewöhnlich, aber nie abgehoben. Die Zubereitung ist unkonventionell, aber nicht kompliziert. Selbst Fans von Fertiggerichten und Koch-Autisten können sich für seine Art zu kochen begeistern.

Dass er sich auch sozial engagiert, indem er arbeitslose Jugendliche in seinen Restaurants zu Köchen ausbildet und dafür sorgt, dass britische Schulen gesünderes Essen anbieten, hat ihm auch öffentlichen Ansehen, etwa bei Premier Tony Blair, verschafft.

Doch es gibt auch Menschen, die haben von Jamie Oliver noch nie gehört und verstehen die ganze Aufregung nicht. Eine Frau schiebt sich genervt an der Menschentraube vor dem Hugendubel-Gebäude vorbei und sagt kopfschüttelnd: "Das muss man sich mal vorstellen - so ein Zinnober. Und das alles wegen einem Koch!"

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