Weil Stadtwerke geschwiegen haben:Hausverwalterin zweigt mehr als eine Million ab

Wohnungseigentümer klagen wegen mangelnder Information - SWM-Chef Mühlhäuser gelobt Besserung.

Von Bernd Kastner

Die Stadtwerke stehen wegen einer betrügerischen Hausverwalterin unter Beschuss. Die Frau hat über Jahre hinweg Gelder veruntreut und allein bei dem Energiekonzern 600.000 Euro Schulden angehäuft.

Die Wohnungseigentümer machen angesichts hoher Nachforderungen den Konzern für den Schaden mitverantwortlich, weil er sie nicht über die Schulden informierte. Nun wollen die Stadtwerke ihre Informationspolitik verbessern.

Zunächst schien der Fall auf eine betrügerische Hausverwaltung begrenzt. Die 43-jährige Maria K., die rund 50 Wohnanlagen in München und Umgebung betreute, zeigte sich im Dezember selbst bei der Polizei an und packte aus. Kurz zuvor hatte eine Bank wegen Unregelmäßigkeiten zahlreiche Konten gekündigt.

Seit etwa zehn Jahren, so K.s Anwalt Christian Vorländer, habe die Frau Gelder von Wohnungseigentümergemeinschaften (WEG) veruntreut, zwischen den verschiedenen Konten verschoben und für den eigenen Bedarf abgezweigt. Der Gesamtschaden dürfte bei weit mehr als einer Million Euro liegen.

Nachforderungen an Eigentümer

Auf die lange ahnungslosen Eigentümer der rund 300 von K. verwalteten Wohnungen, die alle Gebühren und Reparaturen vermeintlich korrekt bezahlten, kommen nun hohe Nachforderungen zu - unter anderem von den Stadtwerken (SWM).

Und hier bekommt der Fall eine politische Dimension. Die Eigentümer greifen die SWM an, weil sie nicht über die Rückstände informiert worden seien. Dabei war der städtische Konzern offenbar die einzige Stelle, die die Dimension der Machenschaften K.s hätte erkennen müssen.

Hätten die SWM schon vor zwei, drei Jahren Alarm geschlagen, wäre der Schaden weit weniger groß geworden, so der Vorwurf. Ein Abwasserverband im Umland etwa habe rechtzeitig auf Unregelmäßigkeiten K.s hingewiesen.

Stillhalteabkommen mit SWM

Mehrere WEGs wollen die Stadtwerke nun verklagen, um Nachzahlungen zu vermeiden. Anwalt Michael Maisch begründet diesen Anspruch mit der aus dem Energieliefervertrag erwachsenden Fürsorgepflicht der Stadtwerke gegenüber den Eigentümern.

"Es gibt keine Ausrede für die Stadtwerke", so Maisch. Schließlich könne es kein Zufall sein, wenn 50 Anlagen, die von einer Verwalterin betreut werden, die Rechnungen nicht bezahlen. Sie SWM hätten spätestens Ende 2002 reagieren müssen. Statt dessen, so Maisch, schlossen die SWM noch im November 2004 eine Stundungsvereinbarung mit K. - wieder ohne Information an die Eigentümer.

Laut Anwalt Marco Schwarz, der fünf Gemeinschaften vertritt, habe es sogar eine Art Stillhalteabkommen zwischen dem Konzern und K. gegeben mit dem Tenor: Wenn wir die Bürgschaft bekommen, verraten wir den Eigentümern nichts.

Kontrollmechanismen greifen nicht

Von einer Mitschuld will man in der Konzernzentrale nichts wissen, man gibt sich aber sehr einsilbig. Sprecherin Bettina Hess erklärte noch vor kurzem kategorisch: "Die Kontrolle einer Hausverwaltung obliegt allein den Eigentümern. Punkt."

Nun aber sieht sich SWM-Chef Kurt Mühlhäuser doch zu einer Kurskorrektur veranlasst. Auf Nachfrage der SZ teilte er mit: Um den Schaden für die Eigentümer zu begrenzen, habe er veranlasst, "dass bei nicht unerheblichen Zahlungsrückständen künftig die einzelnen Wohnungseigentümer informiert werden." Es gebe aber "keinen rechtlichen Anspruch" darauf. Vielmehr hätten die Kontrollmechanismen der Wohnungseigentümer "nicht gegriffen".

Die Sperrung von Wasser oder Strom erfolge bei Eigentumsanlagen "in der Regel" nicht. Grund: Die Stadtwerke kommen immer an ihr Geld, weil die Eigentümer gesamtschuldnerisch haften. Man könnte rein rechtlich die kompletten Schulden bei einem einzigen Eigentümer eintreiben.

Kein Schutz vor Betrug

Laut Rainer Mebes, der als Hausverwalter drei Anlagen von K. übernommen hat, haben Eigentümer kaum eine Chance, einen so raffinierten Betrug zu bemerken. "K. hat bewiesen, dass alle Kontrollmechanismen ausgehebelt werden können."

Sie habe Bank-Kontoauszüge und Protokolle von WEG-Versammlungen so gefälscht, dass kein einziger der Beiräte in den 50 Anlagen etwas bemerkt habe. "Wie schütze ich mich vor einer solchen Verwaltung? Ich weiß es als Fachmann selbst nicht." Umso wichtiger wäre die Hilfe der Stadtwerke gewesen.

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