Weihnachtsumfrage der SZ:Wozu noch Kirche?

Hundertfacher Missbrauch von Kindern durch Pfarrer, Intrigen und Repressalien unter Seelsorgern: Wozu braucht es die Kirche noch? Die SZ hat Menschen aus ganz Bayern diese Frage gestellt.

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Ökumenischer Kirchentag in München, 2010

Quelle: Alessandra Schellnegger

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Hundertfacher Missbrauch von Kindern durch Pfarrer, Intrigen, Lügen und Repressalien unter Seelsorgern: Die Wahrheiten, die 2010 ans Licht kamen, lassen für viele die

Kirchen in Bayern nicht als Hort der Nächstenliebe in der Nachfolge Christi erscheinen. Insbesondere die katholische Kirche scheint vielen eine Organisation zu sein, die in den vergangenen 50 Jahren ihren eigenen moralischen Ansprüchen nicht gerecht wurde

und das Handeln ihrer kriminellen Mitglieder sogar noch deckte. ,,Wir bitten als Kirche um Vergebung für das, was Mitarbeiter der Kirche getan haben'', sagte Kardinal Marx. Aber reicht das, um nun an Weihnachten in die Gottesdienste zu strömen und zu feiern, als ob nichts gewesen wäre? Viele Christen sagen nein, vor allem Katholiken verlassen ihre Kirche. In der Stadt München traten bis Ende November 7988 Gläubige aus,

am Ende des Skandaljahres 2010 wird es wohl 2000 Austritte mehr gegeben haben als im Vorjahr. Hat die Kirche ihren Anspruch und ihre Rolle in der Gesellschaft verspielt? Wozu braucht es sie noch? Die Süddeutsche Zeitung hat Menschen aus ganz Bayern diese Frage gestellt, gläubigen Christen wie bekennenden Atheisten. Ihre Antworten

werden auf diesen Seiten dokumentiert - als Anstoß für eine Debatte über die Zukunft der Kirchen. Wenn Sie sich daran beteiligen wollen, schreiben Sie uns unter E-Mail:

muenchen-region@sueddeutsche.de, Betreff: Wozu noch Kirche?.

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Quelle: Stephan Rumpf

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Nur Jesu Botschaft zählt

Christian Stückl, 49, Regisseur, Intendant des Münchner Volkstheaters und Spielleiter des Passionsspiels von Oberammergau:

"Ich fahre seit 15 Jahren nach Indien. Und immer wenn ich dort bin, merke ich, wie katholisch ich bin. Die Kirche ist für mich eine Familie, in der ich groß geworden bin. Klar, manchmal ist sie eine schreckliche Familie - so schrecklich, dass ich mich manchmal frage, ob ich austreten soll. Aber letztlich wird mir immer wieder bewusst, dass das nicht geht. Denn aus seiner Familie kann man nicht austreten. Die Menschen suchen soziale Wärme, sie sehnen sich nach einem Begriff von Gemeinde, nach innerem Halt. Nach einem Lebensgerüst. Sie wünschen sich Regeln.

Das ist die Idee der Kirche, und dazu brauchen wir Menschen sie. Leider beschäftigt sie sich mit viel zu vielen unwichtigen Dingen. Wenn ein Mensch Orientierung will, geht es ihm nicht um Liturgieformen oder Zölibat, sondern um den Kern der Botschaft: 'Liebe deinen Nächsten wie dich selbst.' Jesus hat in Matthäus, 23 seine eigene Religion, das Judentum, wegen seiner Hierarchien kritisiert. Die Kirche aber hat selbst wieder strenge Hierarchien errichtet. Sie muss jetzt umdenken und sich auf Jesus konzentrieren. Dann käme sie niemals auf die Idee, Schwule, Andersgläubige und Leute zu verurteilen, die sich scheiden lassen und wieder heiraten."

Premiere 'Giulias Verschwinden'

Quelle: dpa

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Der Zölibat muss fallen

Sunnyi Melles, 52, Schauspielerin aus München:

"Ich bin zwar katholisch, aber für mich hat der Glaube eine sehr persönliche Bedeutung. Ich denke, wenn ich in der Kirche bin, sehr oft an meine verstorbene Mutter. Vor dem Besuch der Christmette mit meiner Familie gehe ich deshalb sehr gerne auf den Friedhof - mit einem lachenden und einem weinenden Auge. Wichtiger als die Institution Kirche ist der Glaube, die Gemeinschaft, das Forum für eine Öffentlichkeit, in der sich auch wildfremde Leute begegnen können, um zur Ruhe zu kommen. Mein Traum wäre es, wenn Menschen überall auf der Welt ein Gotteshaus besuchen könnten, um dort zu beten, ganz egal ob das eine Kirche, eine Moschee oder eine Synagoge ist. Kirche braucht auch Bilder, Kunst, Musik, der göttliche Bach hat uns das gezeigt, wie man Glauben vermittelt.

In der katholischen Kirche muss allerdings bald etwas passieren, vor allem muss der Zölibat fallen. Jeder Mensch muss das Recht haben, mit einem anderen zusammenzuleben, zu lieben, ohne dass man das geheim halten muss. Auch bei der Frage der Empfängnisverhütung brauchen wir eine neue Offenheit, eine Ehrlichkeit, das darf nicht mehr tabu sein."

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Quelle: WOR

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Vielleicht bleibt etwas Moderateres

Assunta Tammelleo, 49, Unternehmerin aus Geretsried, bekennende Atheistin:

"Für die Kirche ist es auf alle Fälle ein bewegtes Jahr gewesen. Wir 'Gottlosen' müssten ja Mixa, Müller und Benedikt fast als Ehrenmitglieder aufnehmen - das können wir selber gar nicht leisten, was die für die säkulare Sache geleistet haben. Aber im Ernst: Die Kirche wird vor allen Dingen von Gläubigen nach wie vor gebraucht. Für viele ist sie eine Heimat, weil sie schon in früher Jugend eine Gemeinschaft anbietet. Das können Gottlose so nicht bieten. Die Menschen wollen sich mit Gleichgesinnten verbinden, wollen irgendwo spirituell daheim sein. Mir geht es auch darum, dass wir lernen, mit unterschiedlichsten Bekenntnissen und Weltanschauungen gleichberechtigt zu leben, und dass das irgendwann auch mal als völlig normal betrachtet wird. Die Kirche hat Strukturen, die über tausend Jahre gewachsen sind, sie ist durch Staatsverträge begünstigt, die nicht nur soziales Engagement wie Alten- oder Kinderbetreuung ermöglichen. Das können andere schon aus Geldmangel nicht leisten. Vielleicht folgt aus der momentanen Krise aber, dass ein etwas moderateres Konstrukt übrigbleiben wird."

Glueck sieht Glaeubige nach Missbrauchsskandal frustriert

Quelle: dapd

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Der Glaube braucht die Kirche

Alois Glück, 70, aus Traunwalchen, Präsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken:

"Ohne Kirche kann auf Dauer die Botschaft des christlichen Glaubens nicht weiterleben. Alle Schwächen der Kirche und auch Skandale dürfen uns den Blick dafür nicht verstellen. Und wir dürfen den Blick auf die Kirche nicht nur auf das Negativkonto verengen. Der Kern der Botschaft ist die unendliche und unbegrenzte Liebe Gottes zu den Menschen. Das ist die Botschaft von Weihnachten. Das prägt die Menschen, die ihrerseits aus dem Glauben Liebe, Zuwendung und Engagement für die Menschen leben. In dieser gebeutelten Kirche gibt es weit mehr auf dem positiven Konto als auf dem negativen. Wie viel mehr unmenschlicher, trost-und orientierungsloser wäre unsere Welt ohne die Früchte des Christentums! Die Kirche muss sich immer wieder wandeln, aber sie ist unverzichtbar."

Fürstenfeldbruck: Stadträtin Brigitta Klemenz

Quelle: Johannes Simon

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"Die Kirche ist mehr als die Summe ihrer Glieder"

Birgitta Klemenz (48), Historikerin, Stadträtin und Pfarrgemeinderätin aus Fürstenfeldbruck:

"Natürlich mache ich mir Gedanken über all das, was in diesem Jahr gerade in meiner Kirche - der katholischen - geschehen ist. Sie hat sich einmal mehr als Gemeinschaft von Menschen erwiesen, die Schuld auf sich laden, die Fehler machen, die alles andere als im Sinne des Evangeliums leben und handeln können. Und dennoch gilt für mich immer ein Wort des jetzigen Papstes: Die Kirche ist mehr als die Summe ihrer Glieder. Da ist Einer, der über und hinter allem steht und der den Menschen so viel Vertrauen entgegenbringt, dass er auch die Möglichkeit des Scheiterns zulässt. Und wenn dieser Eine so viel Vertrauen auch in mich ganz persönlich hat, wenn ich zweifeln und versagen und in manchem auch scheitern darf und Er trotzdem zu mir hält, dann gibt es keinen Grund, sich von der Gemeinschaft, in die ich hineingeboren wurde, zu trennen oder sie gar für überflüssig zu erachten. Ohne - sichtbare - Gemeinschaft kann ich nicht glauben, weil nur in der Gemeinschaft das Geheimnis des christlichen Glaubens Wirklichkeit wird. Wenn Sie sich die Klosterkirche Fürstenfeld und ihr theologisches Programm anschauen, dann ist alles beieinander, worauf es ankommt. Maria und Josef in der Vorhalle, beide mit dem Mensch gewordenen Gott auf dem Arm, das Kreuz in der Mitte, mit dem alles zu Ende zu gehen scheint und an dem niemand in seinem Leben vorbeikommt, und der Hochaltar mit der Aufnahme Marias in den Himmel, umgeben von ihren Eltern und Verwandten - und darüber die Dreifaltigkeit, die sie in Empfang nimmt. Miteinander unterwegs sein ist die Botschaft. Und diese Botschaft trägt mein Leben."

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Quelle: FFB

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Religion ist bösartig

Guido Zingerl, 77, Künstler und Atheist aus Fürstenfeldbruck:

"Ein böses Wort: Das Schlimmste, was die Menschen erfunden haben, ist der liebe Gott. Es ist schlimm, alles auf etwas Erfundenes zu transportieren. Religion und Kirche halte ich für bösartig. Das Gegenargument ist, dass Hoffnung und Trost gespendet wird. Auch das halte ich für überflüssig. Aber für viele Menschen ist das ein Trost in dem Sinne, dass sie von der Realität abgelenkt werden. Diskutiere ich mit einem echten Christen, finden wir auf der moralischen Ebene immer einen Zugang zueinander. Ich bin komischerweise ein Moralist.

Christen werden von ihren Sünden losgesagt, wenn sie beichten. Das wäre ein Ansatz für eine moralische Rechtfertigung der Kirche, die ich selbst nicht brauche. Dafür habe ich keine Ader. Ich denke sicher noch immer kommunistisch, aber nicht in dem Sinne, wie hier Kommunismus verstanden wird. Auch das ist eine Art Religion, eine Utopie. Ich glaube an nichts mehr, ich habe zutiefst resigniert. Wir leben in einer Kultur, die christlich ist. Da kommen wir nicht raus. Christus war ein Mensch, der sich um moralische Dinge gekümmert hat. Nur, was die Kirche daraus gemacht hat, das ist nichts Anderes wie im Kommunismus auch."

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Quelle: Claus Schunk +49 1716039668

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Es vollzieht sich ein Wandel

Johanna Rumschöttel, 64, Landrätin des Landkreises München und Mitglied im Diözesanrat der Erzdiözese München und Freising:

"Die Kirche, insbesondere auch die katholische Kirche, hat ein schwieriges Jahr hinter sich. Die Offenlegung der vielen Missbrauchsfälle hat nicht nur Menschen, die schon lange mit sich gerungen haben, zum Kirchenaustritt bewogen. Doch gerade diese Offenlegung beweist in meinen Augen auch, dass sich in der Kirche ein Bewusstseinswandel vollzieht, dass die Kirche heute bereit ist, sich selbst auf den Prüfstand zu stellen. Das ist in meinen Augen ein wichtiges Signal und Grund, der Kirche nicht den Rücken zu kehren.

Diese selbstkritische Haltung, die an manchen Stellen sicherlich ein innerkirchliches Erdbeben ausgelöst hat, gepaart mit all den großen Diensten, die die Kirche im seelsorgerisch-sozialen Bereich leistet, geben mir die Gewissheit, dass es richtig ist, sich weiterhin in und für die Kirche zu engagieren."

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Quelle: DAH

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Aufklärung statt Fundamentalismus

Norbert Göttler, 51, Theologe und Historiker aus Dachau:

"Zukunftsfähige Kirchen fördern die theologische, spirituelle und politische Kompetenz ihrer Mitglieder, beteiligen sie an allen kirchlichen Leitungsaufgaben und machen sie damit auch zu wichtigen Integrationsfiguren in der Säkulargesellschaft. Kirchen hingegen, die in ihren Reihen fundamentalistisches und totalitäres Gedankengut dulden oder fördern, dienen dieser Emanzipation nicht. Dass es solche Geisteshaltungen in nahezu allen Konfessionen, versteckt oder offen, gibt, ist offenkundig. Diese Strömungen versuchen den Menschen fälschlicherweise weiszumachen, dass Theologie und Menschenrechte, Theologie und Demokratie, Theologie und Aufklärung unüberwindbare Gegensatzpaare darstellen. Das Gegenteil ist der Fall. Glaube und Vernunft müssen sich - auch innerhalb der Kirchen -annähern und nicht durch traditionalistische Ideologen gegeneinander ausspielen lassen. Welche Kirchen diesen Weg der Versöhnung gehen, ist derzeit völlig offen. Hinter den Kulissen toben heftige Auseinandersetzungen darüber. Die Diskussionen über Amtsverständnis und Zölibat, Unfehlbarkeit und Hierarchie sind nur die Spitze des Eisbergs. Kirchen, die sich diesen Diskussionen nicht stellen, sondern sich hinter unreflektiertem Traditionalismus und Klerikalismus verstecken, werden ihre Zukunftsfähigkeit und ihr Existenzrecht im modernen Staat - zu Recht - verwirken."

Luise Kinseher einfach reich

Quelle: SZ

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Nur ein Weg von vielen

Luise Kinseher, 41, Kabarettistin aus München und katholisch:

"Die katholische Kirche ist eine sehr hierarchisch strukturierte Organisation, und die Hierarchien ändern sich offenbar langsamer als die Gesellschaft. Ich denke, dass Kirche den Menschen sehr viel mehr bedeuten könnte, wenn sie die Art und Weise, wie sie ihr Gottesbild vermittelt, ein wenig der Moderne anpassen würde. Das geschieht leider nicht, die Menschen entfernen sich immer mehr von der Kirche. Deshalb suchen viele die Antworten auf ihre Fragen in anderen Lebensphilosophien - das reicht vom puren Materialismus bis hin zur Esoterik.

Ich bin in Niederbayern sehr katholisch aufgewachsen und habe in der Kirche sehr viel gelernt. Das Evangelium ist für unser Zusammenleben elementar wichtig. So wie Kirche aber heute praktiziert wird, weist sie für mich nicht den Weg zu Gott. Zur Ruhe finden und die Stärkung der eigenen Intuition beispielsweise durch Meditation sind für mich Sinn bringendere Wege geworden.

Hut ab vor allen Leuten, die in der Kirche etwas verändern und reformieren wollen. Ich bin nach wie vor in der Kirche, aus Tradition und aus kulturellen Gründen - die Architektur und die Kunst zum Beispiel. Ich finde es wichtig, dass man das nicht einfach wegschmeißt und verteufelt.

Die katholische Kirche ist allerdings nur ein Weg von vielen, seinem Leben mehr Sinn und Gehalt zu geben, indem man sich auf die Suche zu Gott begibt. Das ist etwas sehr Individuelles, deshalb lehne ich alles Missionarische in der katholischen Kirche total ab."

Rosa Wagner, 81, aus Viechtach (rechts) mit Barbara Stamm

Quelle: Landtagspresse

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Kein Mensch ist sicher vor dem Fall

Rosa Wagner, 81, aus Viechtach, viele Jahre Pfarrhaushälterin:

"Ich gehe jeden Tag in die Kirche, und ich bleibe der Kirche treu. Sie gibt mir viel Kraft im Alltag und im Leben. Ich lebe nun allein, seit mein Bruder - der Pfarrer - vor zwei Jahren gestorben ist, muss ich alleine durchkommen. Da ist die Kirche mein Rückhalt und meine Hilfe. Das Evangelium zu hören, gibt mir immer neuen Auftrieb. Früher habe ich meinem Bruder den Haushalt geführt, gemeinsam haben wir auch die Rumänienhilfe aufgebaut. Ich bin selbst dreimal dort gewesen, wir haben ein kirchliches Krankenhaus gebaut und in den über 20 Jahren 100 Sattelschlepper voll gepackt mit Kleidung, Schuhen, Federbetten, Bettwäsche und woran es sonst im Krankenhaus fehlt, nach Rumänien geschickt. Es ist unsere Christenpflicht dafür zu sorgen, dass es anderen genauso gut gehen kann, wie uns. Die Skandale in der Kirche, die heuer ans Licht gekommen sind, haben mich persönlich nicht verunsichert. Das ist sehr schlimm, doch Menschen machen Fehler. Kein Mensch ist sicher vor dem Fall. Ich habe zum Glück immer meinen festen Grundsatz gehabt. Ich habe nie am Glauben gezweifelt."

Claus Hipp wird 70

Quelle: dpa

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"Ich habe nie Zweifel an Gott gehabt"

Claus Hipp, 72, Unternehmer aus Ilmmünster:

"Um eine Antwort darauf zu finden, wie die Kirche sich nun verhalten sollte, empfehle ich, das neue Buch vom Heiligen Vater zu lesen. Meine Meinung ist: Es gibt das Böse in der Welt, damit müssen wir leben. Aber es gibt auch das Gute, und das Gute ist Gott. Nun muss sich die Kirche einem Reinigungsprozess unterziehen und muss konsequent die Vergehen ahnden. Was geschehen ist, mag den Glauben von Kindern erschüttern, auch dagegen müssen wir vorgehen. Denn der Glaube gibt Halt, er ist ein Akt der Demut. Ich habe nie Zweifel an Gott gehabt."

Wozu Kirche?

Quelle: SZ

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"Ein Ort für die letzten Fragen"

Sr. Dr. phil. Johanna Kuric aus dem Kloster Karmel Heilig Blut in Dachau:

Die Kirche als Gemeinschaft von Christen ist nach meiner Erfahrung wichtig für die Vermittlung von Sinn und Lebenshilfe. Gott kann durch sie in gewisser Weise sichtbar und erlebbar werden. Die Kirche besteht zudem als Liturgie und in der Liturgie; die Apostelgeschichte berichtet von ersten Bekehrungen zu Jesus, sie ließen sich taufen und "hielten an der Lehre der Apostel fest und an der Gemeinschaft, am Brechen des Brotes und an den Gebeten". (Apg 2,42). Kirche als Glaubensgemeinschaft, die Glaubenserfahrungen bewahrt, kann bei aller Enttäuschung durch einzelne Vertreter Orientierung und Halt bieten. Unsere Klosterkirche z.B. wird von Menschen besucht, die am Gebet der Schwestern teilnehmen und Kraft schöpfen wollen. Wozu noch Kirche? Damit es in der Gesellschaft Orte gibt, an denen der Mensch seine letzten Fragen stellen kann, die sich der materiellen Verwertbarkeit und Effizienz entziehen. So darf er sich als von Gott geliebt und angenommen erfahren.

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Quelle: STA

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Jegliche Arroganz verbietet sich

Friedemann Greiner, 64, Direktor der Evangelischen Akademie Tutzing:

"Die Kirchen sind mit ihrer eigenen Ohnmacht konfrontiert. Grauenhafter Missbrauch und Glaubwürdigkeitsverlust geschehen in einer Zeit, in der es einen unglaublichen Boom gibt, was die Sehnsucht nach 'Sinn' anbelangt. Die Ressource 'Sinn' ist mehr denn je gefragt. Die 'Kundschaft' für die Kirchen ist zweifellos da, sie kauft sich allerdings immer öfter woanders ein, nicht jedoch bei den bisherigen 'Sinn-Agenturen'.

Die Kirchen manövrieren sich ins Abseits, wenn sie nicht begreifen, dass ihr Monopolanspruch schon längst aufgehört hat zu existieren. Wer ein Monopol aufgeben muss, das weiß Gott satt und träge im Geist macht, der sollte nicht jammern, sondern sich der Konkurrenz stellen. Ich bin überzeugt davon, dass unsere Gesellschaft auf die christliche Botschaft nicht verzichten kann, ohne wesentliche geistige, kulturelle und soziale Errungenschaften preiszugeben. Allerdings verbietet sich jegliche geistige und geistliche Arroganz. Respekt im Gespräch mit Andersdenkenden und Andersglaubenden - als Christen haben wir darin durchaus Nachholbedarf!"

Weitere Statements zum Thema "Wozu noch Kirche" lesen Sie in der Süddeutschen Zeitung vom 24./25./26.12.2010.

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Quelle: dpa

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Weihnachtsumfrage der SZ:Landgericht

"Heimat auch in der Fremde"

Christoph Strötz, Generalstaatsanwalt:

"Ich vertraue der Kirche, weil sie von Jesus erzählt - wer sollte es sonst tun? Kirche bedeutet für mich Gemeinschaft mit Menschen, die auf Jesu-Worte hören und an ihn glauben. Eine Kirche, die glaubwürdig Jesu-Worte verkündet, bietet Menschen auch in unserer heutigen Gesellschaft Halt und Orientierung. Kirche wirkt Vereinsamung und Egoismus entgegen: das Hören auf die Worte Jesu schenkt mir Gemeinschaft mit ihm, es solidarisiert mich mit anderen Menschen.

Die Weite der Worte Jesu wirken befreiend. Die weltumspannende Kirche vermittelt nicht zuletzt Heimat auch in der Fremde; der Ritus der Kirche ist überall auf der Welt derselbe; kirchlicher Gottesdienst verbindet mich so mit Menschen auf allen Kontinenten. Ohne Jesus und eine Kirche, die von ihm kündet, gäbe es nicht Weihnachten als Fest der Freude - ich möchte dies nicht missen!"

© SZ vom 24.12.2010/sonn
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