Weggehen an Weihnachten:Von wegen Stille Nacht: An Heiligabend macht München Party

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In der Milchbar haben die Gäste Weihnachten bereits am Vorabend gefeiert, sie bleibt am 24. Dezember geschlossen. (Foto: Robert Haas)

Wem es nach der Bescherung zu besinnlich wird, für den gibt es "Vodka statt Familie" in der Bar Kiste. Oder "Süßer die Platten nie klingen" im Substanz. Die Milchbar führt zum Fest der Liebe indes keine einsamen Seelen zusammen.

Von Laura Kaufmann

Heiligabend, das ist: Die traute Familie um den Weihnachtsbaum, glückliche Gesichter im Kerzenschein, liebevoll eingepackte Geschenke. Stille Nacht, Heilige Nacht, das weckt hingegen eher nicht Assoziationen mit harten Bässen und zuckenden Stroboskoplichtern. Aber auch das gibt es am 24. Dezember, und für manche gehört das zu Weihnachten dazu wie für andere die Gans mit Blaukraut und Knödel.

"An Heiligabend ist immer was los", sagt zum Beispiel Dierk Beyer von den großen Partyhallen "Neuraum" und "Nachtgalerie", "das Weihnachtsgeld muss ja auf den Kopf gehauen werden". In der "Nachtgalerie" gibt es Glühwein und Plätzchen umsonst, ein wenig Weihnachtsfeeling muss schon sein. Im "Backstage", der alternativen Anlaufstelle für jüngeres Partypublikum, ist der Eintritt frei, dafür gibt es eine Spendenaktion für Ärzte ohne Grenzen. "Süßer die Platten nie klingen" auch im kleinen Indieschuppen "Substanz" an der Poccistraße. Das auf Elektro spezialisierte "MMA" in der Maxvorstadt öffnet seine Pforten, und auch der Club "Charlie" in Giesing hat sich ein gutes DJ-Booking organisiert. Ein Weihnachtsgeschenk für die Gäste, sozusagen.

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Aber nicht alle üblichen Verdächtigen des Nachtlebens sperren an Heiligabend auf. Die Milchbar zum Beispiel mit ihrem Ruf als Anbandlschuppen wird zum Fest der Liebe keine einsamen Seelen zusammenführen. Eine große Weihnachtsfeier gab es dafür am Vorabend; wer selbstgemachte Vanillekipferl mitbrachte, die für den Kältebus gespendet wurden, bekam zum Dank eine Flasche Wodka aufs Haus.

Elektropionier Harry Klein an der Sonnenstraße wird seine Türen nicht öffnen, und auch das Bobbeaman in der Maxvorstadt bleibt geschlossen: "Wir definieren uns über unser Booking, und ein großes Booking mit Konzertcharakter an Heiligabend, das passt irgendwie nicht. Ich glaube, die Leute wollen, wenn sie an Heiligabend ausgehen, eher einen kleineren, intimeren Rahmen", sagt Niels Jäger. Die Bar des Hotels "Flushing Meadows" im Glockenbachviertel, das er außerdem mitbetreibt, bleibt geöffnet, weil Hotelbars einfach immer für die Gäste da sind. Die Bar "James T. Hunt" in der Schellingstraße hingegen lassen Jäger und seine Kollegen zu. "Das hätte zwar den intimeren Rahmen. Aber wir wollten dem Personal dort die Möglichkeit geben, Weihnachten mit den Familien zu feiern."

Während die einen nach der Bescherung die Haare stylen, um das Weihnachtsgeld in ihren Lieblingsclub zu tragen und noch mit Freunden zu feiern, gehen andere lieber gemütlich aus und treffen ihre Liebsten auf ein paar Bier oder Cocktails. Dann gern in der Bar, in der sie sich das ganze Jahr gut aufgehoben fühlen, die ein Zuhause im Nachtleben geworden ist.

In Altschwabing etwa, das schicker und schicker wird, bildet "Die Kiste" mit Flohmarktmöbeln und wechselnder Ausstellung einen kleinen Hort für die, die ihre Schuhe vor dem Ausgehen nicht polieren wollen. Hier gibt es "Vodka statt Familie". Nicht viel anders als sonst wird es zugehen, sagt Geschäftsführer Severin Atzinger. Ein gemütliches Beisammensein mit DJ-Beschallung. "Damit die, die nicht daheim versandeln wollen, die, die keine Familie haben oder einfach dringend einen Verdauungsschnaps brauchen, eine Anlaufstelle haben", sagt er. Das Barteam ist nicht sonderlich weihnachtsaffin, die Schicht an Heiligabend zu besetzen, war für ihn kein Problem.

Im "Unter Deck" am Oberanger wird am 24. Dezember gefeiert, ebenso im "Baader Café" im Glockenbachviertel oder im neuen "Riffraff" in Giesing. Das "Attentat Griechischer Salat", ein paar Blocks entfernt vom "Riffraff", sperrt erst um 22 Uhr auf und serviert nur Getränke, kein Essen. Ein Treffpunkt für Freunde und Stammgäste von Wirt Jannis Amperiadis, und wer sonst noch vorbeikommen möchte. Robinson Kuhlmann, der das "Attentat" mit betreibt, sperrt seine Bar in der Corneliusstraße 14 auf, die "Wedding Chapel" beim Sendlinger Tor hingegen lässt er zu.

"In der Wedding Chapel würde es mir an Weihnachten wegen der Lage vielleicht zu touristisch und unpersönlich werden", sagt er. Kuhlmann ist ab Mitternacht, wenn er mit seinen Kindern Heiligabend gefeiert hat, in seiner Bar am Gärtnerplatz. Seit sieben Jahren hält er das so. "Ich bin Münchner, und am 24. kommen viele alte Freunde vorbei, die mittlerweile nicht mehr in der Stadt wohnen, aber zu Weihnachten ihre Eltern besuchen", sagt der Gastronom. "An Heiligabend ist immer eine schöne Stimmung an der Bar. Viel los, aber gemütlich, und es wird viel geratscht."

An Weihnachten ausgehen oder nicht, das hält jeder anders. Aber jeder hält an seinen eigenen Traditionen fest. "An Fasching gehen die Leute mittlerweile weniger in Bars. Und an Halloween mehr", sagt Robinson Kuhlmann. "Aber an Weihnachten, da bleibt eigentlich immer alles gleich."

© SZ vom 24.12.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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