Wasser:Durch den Westpark weht ein Hauch von Konfuzius

Wasser: Die Sala ist ein Blickfang im Westpark.

Die Sala ist ein Blickfang im Westpark.

(Foto: Robert Haas/Robert Haas)

Gewässer und Bachläufe machen den Park besonders. Genau wie die japanischen, chinesischen, thailändischen und nepalesischen Elemente am Wasser.

Von Isabel Meixner

Wer im Münchner Westen der Hektik der Großstadt für ein paar Momente entrinnen will, der sucht zum Beispiel den "Garten von Duft und Pracht" auf. Durch die Pforte des Frühlings betritt der Gestresste die Ruheoase im chinesischen Teil des Westparks und gelangt an einen Teich. Von einer Anhöhe plätschert ein Bach herunter, der Wind streicht durch die Bäume und Büsche, weit ausladende Äste hängen über dem Wasser. Direkt gegenüber lädt ein Pavillon zum Ausruhen ein, eine steinerne Brücke führt dorthin. Sie ist offenbar ein Ort der Hoffnung, denn viele Besucher werfen hier Münzen ins Wasser. Aus reinem Aberglauben. Oder aus dem Gefühl heraus, dass dieser Ort wirklich gut tut?

Dass das Areal zwischen Laim, Sendling und der Schwanthalerhöhe den Münchnern einmal viel bedeuten würde, war vor 40 Jahren nicht abzusehen. Es war flach, schmucklos und hatte, abgesehen von zwei Eichen, nichts zu bieten. Auch kein Wasser. Nur Gewerbebetriebe, etwas Landwirtschaft, die Grube eines Kieswerks und Abgase von der Lindauer Autobahn und dem Mittleren Ring.

Heute sind es unter anderem die Gewässer und Bachläufe, die den Westpark so besonders machen. Im Sommer grillen viele Besucher am Westsee, kehren nach der Arbeit im Bauwagen-Café Gans am Wasser am Mollsee im östlichen Teil des Parks ein, lesen in Ruhe ein Buch auf dem Steg im japanischen Garten. Oder sie setzen sich einfach auf die Bänke an den Seeufern, lassen die Ruhe auf sich wirken und beobachten die Schwäne, Wildgänse und Enten.

Dass die Ödnis einer grünen Oase gewichen ist, ist unter anderem dem Landschaftsarchitekten Peter Kluska zu verdanken. Er hat den Westpark für die Internationale Gartenausstellung (IGA) 1983 angelegt. Wer mit ihm durch den Westpark geht, der merkt dem 78-Jährigen die Freude darüber an, dass sein Konzept aufgegangen ist, dass das Gelände heute so daliegt, als hätte es nie anders ausgesehen. An manchen Stellen im Westpark ließ Kluska acht Meter tief das Erdreich abtragen, andernorts wurden 17 Meter aufgeschüttet in der klaren Absicht, durch diesen künstlichen Höhenunterschied und neu gepflanzte 6000 Bäume die Stadt mit ihrer Hektik, ihrem Lärm und Gestank auszusperren.

Nicht allen gefiel damals seine Idee, mancher Stadtrat hätte es lieber gehabt, die Stadt würde besser integriert werden. In einem anderen Punkt ging Kluska dafür umso mehr auf die Wünsche aus der Politik ein: dass Wasser eine Rolle spielen sollte. Kein leichtes Unterfangen an einem Ort, an dem nicht einmal ein Rinnsal floss.

Der Landschaftsarchitekt Kluska dachte damals schon an das Thema Nachhaltigkeit. Er entschied sich deshalb für ein System, das Grundwasser an die Oberfläche pumpt und von dort über eine Reinigungsanlage wieder zurück unter die Erde. Dieser Kreislauf funktioniert noch heute. Auf diese Weise entstanden nicht nur der große Westsee und der Mollsee im östlichen Teil, sondern auch die kleinen Teiche und Flussläufe im asiatischen Teil wurden an das System angeschlossen.

Die Gewässer plante Peter Kluska an den tiefsten Stellen des Westparks ein. Dass sie dorthin gehörten, das war "so ein Gefühl". In jedem Fall hatte es den positiven Nebeneffekt, dass das Grundwasser nicht so weit nach oben gepumpt werden musste - an einer Stelle drang es sogar von selbst an die Oberfläche.

"Der Weise erfreut sich an Wasser, der Herzensgute erfreut sich an Bergen"

Sein Gefühl half Kluska in vielen Fragen der Gestaltung des Westparks, und er lag auch richtig, als die Frage nach einer geeigneten Stelle für die asiatischen Nationen aufkam. Bei der IGA sollten sich nämlich erstmals auch China, Thailand, Japan, Nepal und Indien präsentieren. Einen Bezug zu diesen Ländern hatte Kluska zu dem Zeitpunkt noch nicht, erst vor sechs Jahren flog er zum ersten und bis dato letzten Mal nach Asien, ins Reich der Mitte genauer gesagt. Doch er habe bei der Standort-Frage seinen "Favoriten im Stillen" gehabt, sagt der gebürtige Erlanger: das kleine Nebental neben der Seebühne, auf der jeden Sommer das Kino, Mond & Sterne Filme unter freiem Himmel zeigt.

Und tatsächlich, die Vertreter der asiatischen Länder entschieden sich für genau dieses Areal. Ihr Grund: die Lage direkt an den Seen. Was Peter Kluska als "Gefühl" bezeichnet, ist im Fernen Osten der Versuch, Gärten und Parkanlagen harmonisch zu gestalten. "Der Weise erfreut sich an Wasser, der Herzensgute erfreut sich an Bergen", sagte schon der chinesische Philosoph Konfuzius.

Asiatische Gärten stecken voller Symbolik. Ihre gewundenen Wege gleichen dem menschlichen Leben, das nie geradlinig verläuft, Pflanzen werden Sinnbilder für Jahreszeiten oder das Zurückblicken, und auch Gewässer spielen eine zentrale Rolle. Wasser gilt als beruhigend, den Blick weitend. Seen werden deshalb gemäß der Feng-Shui-Lehre im Süden von Gärten und Parks angelegt - während Hügel beispielsweise nach Norden abschirmen sollen. Diese beiden Voraussetzung waren im heutigen asiatischen Teil des Westparks erfüllt.

Mit dem japanischen, chinesischen, thailändischen und nepalesischen Garten des Westparks sind heute noch vier der ursprünglich fünf ostasiatischen Anlagen erhalten, und mit ihnen die Wasserläufe und Teiche. Über den Erhalt der Nationenbereiche wurde nach der IGA im Stadtrat diskutiert. Kluska sprach sich damals klar dafür aus: "Die Gärten sind ein kultureller Impuls für München."

Denn einen thailändischen Pavillon, eine Sala, mitten im See in einem Münchner Stadtpark dürfte wohl kaum ein Besucher erwarten. Ebenso wenig wie die Wasserbühne im japanischen Garten, die, umringt von Wasser, zum Meditieren, Entspannen oder zum Zusammensitzen mit Freunden einlädt. Zumindest wird sie das in ein paar Tagen wieder: Derzeit ist der Steg gesperrt, weil die maroden Holzbalken durch neue ersetzt werden.

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