Was bisher geschah:Für und Wider

Abstimmung

SPD und CSU haben sich für die Abstimmung am Mittwoch im Stadtrat auf eine gemeinsame Linie geeinigt: Gedenkplaketten auf Kosten der Angehörigen sollen künftig an Hauswänden angebracht werden können. Das freilich könnten sie bis jetzt schon: Die Entscheidung darüber liegt allein bei den Hauseigentümern. Lehnen diese ab, soll es Stelen vor den Häusern geben. Stolpersteine auf öffentlichem Grund sollen in München auch in Zukunft verboten sein. Ob alle Stadträte der Rathauskoalition dieser Vorgabe folgen, ist offen. Sie könnten auch - wie vom Kulturreferat vorgeschlagen - Stolpersteine als zusätzliche Möglichkeit des Gedenkens erlauben. Bedingung: Angehörige müssen zustimmen. bm

Schon 2003 sollten in München die ersten Steine verlegt werden. Die Chronologie eines Streits

1997 beginnt der Kölner Künstler Gunter Demnig mit der Stolperstein-Aktion, in München wird über das Thema seit zwölf Jahren debattiert:

2. März 2003: Demnig schreibt an den damaligen Oberbürgermeister Christian Ude (SPD) mit der Bitte, auch in München Steine setzen zu dürfen.

27. Juni 2003: Der Ältestenrat des Münchner Stadtrats lehnt die Verlegung von Stolpersteinen auf öffentlichem Grund ab.

15. Juni 2004: Ablehnung des Projekts im Stadtrat. Nur Grüne, Rosa Liste und PDS stimmen für die Stolpersteine. Am gleichen Tag werden die im Mai von Demnig in Erinnerung an Paula und Fritz Jordan in der Mauerkircherstraße - ohne Genehmigung der Stadt - verlegten Stolpersteine ausgegraben und auf dem jüdischen Friedhof deponiert. Der in England lebende Sohn Peter Jordan wird nicht informiert.

21. Dezember 2004: Bei einer Feier auf dem St.-Jakobs-Platz nennt Charlotte Knobloch, die Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde, die Stolperstein-Befürworter "Gedenk-Täter".

1. September 2007: Der erste Stolperstein auf Privatgrund wird gesetzt, für Heinrich Oestreicher in der Viktor-Scheffel-Straße 19. Knapp ein Jahr später werden in unmittelbarer Nachbarschaft weitere Steine verlegt für Jeanette, Julie Katharina und Leopold Weiss sowie für Judith Ziegler.

16. Mai 2009: In München treffen sich Stolperstein-Initiativen aus ganz Deutschland. Tags darauf werden Stolpersteine in der Haydnstraße 12 für Eugenie und Otto Max Wilhelm Benario sowie in der Kyreinstraße 3 für Betty, Esther, Hanna und Simon Berger, Julia Früh, Wilhelm Mamma, Natalie und David Mayer, Irma, Richard und Wolfgang Reiss verlegt.

20. November 2011: In der Kyreinstraße wird ein weiterer Stolperstein verlegt - für Eugenie Isaac.

18. April 2013: In der Widenmayerstraße 16 werden Stolpersteine für Else und Julius Basch sowie für Klara Strauss verlegt sowie in der Lindwurmstraße 205 für Sophie und Emanuel Gutman.

21. Dezember 2013: Stolperstein für die ermordeten Zeugen Jehovas Rosa Günther in der Isartalstraße 34 und Viktoria Klimm in der Entenbachstraße 45. Am Tag zuvor hatte die Stadtratsfraktion der Grünen eine neue Debatte über das Verbot gefordert.

5. Mai 2014: Erstmals wird ein Stolperstein im Gedenken an ein "Euthanasie"-Opfer verlegt - für Max Sax in der Von-der-Tann-Straße 7.

5. Dezember 2014: Hearing des Stadtrats zu den Stolpersteinen.

19. März 2015: Das Kulturreferat formuliert erstmals Bedingungen, wann Stolpersteine für Nazi-Opfer möglich sein sollen. Vorgeschlagen werden eine städtische Koordinierungsstelle und ein Beirat.

15. April 2015: Marian Offman plädiert in der SZ dafür, die Stolpersteine grundsätzlich zu genehmigen, das Initiativrecht aber allein den Angehörigen zu überlassen.

27. April 2015: Überraschend einigt sich die Rathauskoalition auf einen "Kompromiss", der keiner ist: Stolpersteine sollen nach dem Willen von SPD und CSU weiterhin in München nicht auf öffentlichem Grund verlegt werden dürfen. Stattdessen soll es Tafeln an Hauswänden geben oder Stelen davor.

13. Mai 2015: Der Parteirat der SPD spricht sich dafür aus, auch in München Stolpersteine zuzulassen. Die Stadtratsfraktion der SPD aber bleibt bei ihrem Nein.

9. Juni 2015: Die Initiative "Stolpersteine für München" entrollt am Königsplatz ein 480 Meter langes Band mit den Namen aller 80 000 Menschen, die ihre Online-Petitionen unterstützen.

11. Juli 2015: Demnig spricht bei einer Kundgebung der Initiative auf dem Platz der Opfer des Nationalsozialismus. Es kommt zu Debatten zwischen Befürwortern und Gegnern.

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