Waldperlach:Kahlschlag

Waldperlach: Trauriger Anblick: An der Grenze zu Putzbrunn verschwindet der Wald.

Trauriger Anblick: An der Grenze zu Putzbrunn verschwindet der Wald.

(Foto: Claus Schunk)

In Waldperlach wird mit dem Fällen von circa 140 potenziellen Wirtsbäumen begonnen, um zu verhindern, dass sich der Asiatische Laubholzbockkäfer weiter ausbreitet

Von Hubert Grundner, Waldperlach

Der Countdown im Kampf gegen den Asiatischen Laubholzbockkäfer (ALB) läuft: Am Montag, 31. August, wird in Waldperlach mit der Fällung potenzieller Wirtsbäume begonnen, um auf diese Weise zu verhindern, dass sich der Schädling weiter ausbreitet. Wie der Vorsitzende des Bezirksausschusses (BA) Ramersdorf-Perlach, Thomas Kauer (CSU), in der Feriensitzung des Gremiums berichtete, seien inzwischen die amtlichen Bescheide verschickt worden. In dem gleichen Schreiben wurden die Grundstückseigentümer aufgefordert, eine Einverständniserklärung abzugeben. Diese wiederum ist Voraussetzung dafür, dass die Stadt die Kosten der Koordination und Abwicklung der notwendigen Fällungen sowie der vorschriftsgemäßen Entsorgung übernimmt.

Nach Kauers Angaben sind rund 35 Anwesen in einzelnen Abschnitten der Dornröschen-, Rübezahl-, Stoll und Waldperlacher Straße betroffen. Grund dafür sind rechtliche Vorgaben der EU und des Bundes. Diese besagen, dass rund um einen Fundort in einem Radius von 100 Metern mögliche Wirtsbäume umgesägt werden müssen. Bislang ist das in der Stadt zwei Mal vorgekommen: Anfang Mai wurde im Riemer Wäldchen ein Befall durch den Asiatischen Laubholzbockkäfer festgestellt. Und nach einem neuerlichen Fund am Rande des Putzbrunner Wäldchens "Große Wiese" - es handelte sich um eine lebende ALB-Larve kurz vor Verpuppung und Ausflug - sind neben Fällungen im Wald nun erstmals auch Fällungen auf Münchner Privatgrund erforderlich - am Ostrand von Waldperlach eben. Die Arbeiten dauern von 31. August bis voraussichtlich 4. September. Während dieser Zeit werden in Abschnitten der genannten Straßen werktags zwischen 7 und 18 Uhr Halteverbote erforderlich.

Unterdessen macht sich bei Waldperlacher Gartenbesitzern große Sorge breit. Was nachvollziehbar ist, wenn man von der Stollstraße in Richtung des Putzbrunner Waldes blickt: Nach der Entdeckung des Holzschädlings wurden dort in den vergangenen Tagen in rauen Mengen Laubbäume umgelegt. Er verstehe deshalb sehr gut die momentane "Gefühlslage" mancher Waldperlacher, in deren direkter Nachbarschaft gerade eine "Mondlandschaft" entstehe. Allerdings ist der Kahlschlag nicht in toto dem aus Asien eingeschleppten Insekt zuzuschreiben. Es würden auch noch die Schäden aufgearbeitet, die Sturm Niklas im vergangenen April verursacht hatte, sagt Kauer.

Was auf Putzbrunner Flur geschehen ist, sollte sich nach bisherigem Kenntnisstand nicht eins zu eins in Waldperlach wiederholen. Dort haben die Experten der Bayerischen Landesanstalt für Landwirtschaft (LfL) inzwischen die Kartierung potenzieller Wirtsbäume abgeschlossen. So werden nach Kauers Informationen circa 140 Bäume der Säge zum Opfer fallen. Wobei man natürlich nicht mit letzter Sicherheit weiß, ob damit ein weiteres Vordringen des ALB gestoppt und der Schädling vernichtet ist. Einzelne Anwohner haben sich deshalb auch schon gegen Fällungen ausgesprochen und ihren Widerstand angekündigt. Allerdings machte Kauer bei einer Informationsveranstaltung für die betroffenen Haushalte darauf aufmerksam, dass Alternativen zur Fällung nach aktuellem wissenschaftlichen Diskussionsstand nicht bestehen. Dem EU-Durchführungsbeschluss seien eingehende Diskussionen der wissenschaftlichen Fachwelt vorausgegangen. In Toronto/Kanada, Braunau am Inn/Österreich, Chicago und Jersey City/beide USA, sowie Almere/Niederlande konnte der Laubholzbockkäfer durch entsprechende Fällungen offenbar ausgerottet werden. Ergänzend seien auch die Einfuhrkontrollen deutlich verschärft und die Zahl der Inspektoren erhöht worden, um eine weitere Einschleppung des Insekts zu verhindern.

Allerdings gibt es in Waldperlach auch kritische Stimmen, die bezweifeln, dass sich der Schädling mit den genannten Maßnahmen überhaupt noch bekämpfen lässt. Dafür komme er zum einen schon zu lange in unseren Breitengraden vor und zum anderen müsste die komplette Globalisierung zurückgedreht werden - ein schlicht aussichtsloses Unterfangen, wie ein Anwohner glaubt. Denn an dieser Wirtschaftsform mit seinem erdumspannenden Güter- und Warenaustausch wolle man um jeden Preis festhalten. Deshalb würden die Behörden auch stur am Konzept der Schädlingsbekämpfung mit Axt und Säge festhalten, anstatt anzuerkennen, dass im Zuge der Globalisierung in Zukunft vermehrt "fremde" Tier- und Pflanzenarten eingeschleppt werden. Es sei also fraglich, ob der Fund eines befallenen Ahorns das Fällen von mehren tausend Bäumen rechtfertige. Fest steht für den Anwohner hingegen schon heute, dass das Verschwinden der Bäume einen ungeheuren sozialen und ökologischen Verlust bedeute.

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