Wahl-Thesentest zur Kommunalwahl in München:Würden Frauen anders entscheiden als Männer?

125 Kandidatinnen und 236 Kandidaten für den Münchner Stadtrat haben beim SZ-Wahl-Thesentest teilgenommen. Unterscheiden sich die Geschlechter bei kommunalpolitischen Fragen? Wir haben uns die Antworten der Frauen und Männer getrennt angesehen.

Von Anna Fischhaber

SZ.de hat insgesamt mehr als 350 Kandidatinnen und Kandidaten aller demokratischen Parteien und Wählergruppen gefragt, was sie über 20 zentrale Thesen zur Münchner Kommunalpolitik denken. Im sechsten Teil der Auswertung haben wir uns die Antworten der Frauen und Männer getrennt angesehen.

Die Kandidaten und Kandidatinnen hatten die Möglichkeit, zu den von uns formulierten Thesen auf einer Skala von 0 ("Ich stimme absolut nicht zu") bis 100 ("Ich stimme absolut zu") Stellung zu beziehen. Die Zwischenstufen "Ich stimme eher nicht zu", "Ich bin unentschieden" und "Ich stimme eher zu" wurden zur Berechnung durch die Werte 25, 50 und 75 ersetzt. Anschließend berechneten wir für jede Partei den Durchschnitt. Je höher dieser Mittelwert, desto größer die Zustimmung der Abgeordneten einer Partei zu einer bestimmten These.

Seit fast 100 Jahren sitzen Frauen im Münchner Stadtrat. Von den 80 Stadträten sind derzeit 31 weiblich. Alle Fraktionsvorsitzenden sind allerdings männlich - nur die Grünen haben eine Frau in ihrer Doppelspitze. Und auch von den zwölf Parteien, die den Münchner Oberbürgermeister stellen wollen, schicken nur die Linken und die Grünen bei der Kommunalwahl am 16. März eine Frau ins Rennen.

Wie unterscheiden sich Frauen und Männer, wenn sie Politik machen? Noch dazu, wenn sie konkrete kommunalpolitische Fragen - etwa nach Bauprojekten oder Sperrzeiten - beantworten sollen, die wenig mit den Kategorien links und rechts zu tun haben? Interessieren sich Frauen eher für Familienpolitik und Männer eher für Verkehrsprojekte? Die Antwort muss hier lauten: Nein. Und ein bisschen: Ja.

Viele Übereinstimmungen

Vor allem fällt bei der Auswertung auf: Bei vielen Fragen unterscheiden sich Frauen und Männer nur minimal. Etwa wenn es um Kameras im öffentlichen Raum oder einen generellen Leinenzwang für Hunde geht, liegen sie nur einen Punkt auf der Zustimmungsskala auseinander. Und auch das Thema kostenlose Kitaplätze scheint Politikerinnen wie Politiker in München umzutreiben.

Insgesamt haben beim Wahl-Thesentest von SZ.de 125 Frauen und 236 - also fast doppelt so viele - Männer teilgenommen. Doch wo sind sich die Geschlechter uneinig? Ein Punkt ist sicherlich das Münchner Nachtleben. Während sich die Kandidaten (Mittelwert: 57) eher für längere Kneipenabende im Freien einsetzen, sind die Kandidatinnen etwas skeptischer bei der Abschaffung der Sperrzeit für Freischankflächen (46). Auch bei der Frage, ob München Kioske braucht, in denen man abends einkaufen kann, sind Frauen (60) weniger aufgeschlossen als Männer (68). Zudem befürworten geringfügig mehr Politikerinnen (34 zu 30) ein Alkoholverbot auf dem Gärtnerplatz.

Die größte Uneinigkeit herrscht allerdings beim Thema Verkehrs- und Bauprojekte: Bei der Frage, ob der Englische Garten untertunnelt werden muss, liegen die Geschlechter am weitesten auseinander. Der Zustimmungswert der Männer ist hier mit 65 eher positiv, die Kandidatinnen sind unentschieden (50). Ähnlich sieht es beim Thema Hochhäuser aus: Hier liegt der durchschnittliche Zustimmungswert bei den männlichen Kandidaten bei 52. Frauen sind mit 41 da skeptischer. Eine Teilnehmerin des SZ-Wahl-Thesentests begründet das so: "Frankfurt mit den Bankhochhäusern und hier Neuperlach bieten für mich ein unschönes Bild mit den zu hohen und auch sonst zu großen Blöcken."

Nun muss man die Zahlen natürlich differenziert betrachten: Frauen sind nicht in allen Parteien gleich stark vertreten. Die Grünen haben nicht nur eine Doppelspitze, sondern auch eine festgeschriebene Frauenquote. Bei der Münchner SPD steht auf jedem zweiten Kandidatenplatz eine Frau. Damit treten für die linken Parteien deutlich mehr Frauen an als für die konservativen.

Frauen skeptischer bei Hochhäusern

Zudem haben die Kandidatinnen und Kandidaten nicht aus allen Parteien mit gleicher Häufigkeit geantwortet. Nur 26 der Frauen, die beim SZ-Wahl-Thesentest teilgenommen haben, gehören konservativen Parteien (CSU, Freie Wähler, Bayernpartei, AfD) an, dem stehen 74 Männer gegenüber. Überdurchschnittlich viele Antworten kommen dafür von Kandidatinnen der Rosa Liste, hier haben nur 23 Männer mitgemacht und 24 Frauen. Auch bei den 48 Antworten der SPD kommt die Hälfte - also ebenfalls 24 - von Frauen. Dadurch werden die Ergebnisse verzerrt. Ein genauerer Blick auf die Zahlen kann also nicht schaden.

Beispiel Hochhäuser gegen die Wohnungsnot: Schaut man sich die Zustimmungswerte der Parteien einzeln an, fällt auf: Vor allem die Kandidatinnen der Rosa Liste sind deutlich kritischer (28) als ihre männlichen Parteikollegen. Der durchschnittliche Wert von Männern und Frauen liegt bei 45. Bei der CSU ist dieser Abstand ähnlich groß: Liegt die durchschnittliche Zustimmung aller CSU-Kandidaten und -Kandidatinnen bei 24, liegt er bei den CSU-Frauen nur bei 8.

Insgesamt sprechen sich eher die Parteien links der Mitte für Hochhäuser aus. Und obwohl mehr Kandidatinnen Parteien links der Mitte angehören, fällt das Urteil zu Hochhäusern bei Frauen deutlich kritischer aus. Damit kann man folgern: Über Parteigrenzen hinweg liegt der durchschnittliche Zustimmungswert der Kandidaten zu Hochhäusern höher als derjenige der Kandidatinnen.

Solche Unterschiede lassen sich allerdings nur einzelnen Fragen des Wahl-Thesentests feststellen. Bei den meisten Themen haben die Kandidatinnen und Kandidaten für den Münchner Stadtrat ähnliche Vorstellungen. Exakt gleich haben Männer und Frauen allerdings bei keiner der 20 Thesen geantwortet.

Details zur Umfrage: Die Redaktion hat Ende Januar bis Mitte Februar alle Stadtratskandidaten aller demokratischen Parteien per Mail angefragt, etwas weniger als die Hälfte hat teilgenommen. Die Antworten wurden anonymisiert. Detailergebnisse finden Sie hier.

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