Wahl der Stadtminister:Der Mann der Stunde

Tarifverhandlungen Öffentlicher Dienst

Thomas Böhle.

(Foto: Settnik/dpa)

Die SPD setzt auf den langjährigen Personalreferenten Thomas Böhle als Nachfolger von Wilfried Blume-Beyerle im Kreisverwaltungsreferat

Von Dominik Hutter

Manchmal muss man sich schon ins Zeug legen, damit der Stadtrat das tut, was der Referent will. Thomas Böhle setzt dann sein typisches Mikrofongesicht auf: den Kopf leicht nach vorne geneigt, den Blick trotzdem direkt auf die Zuhörer gerichtet. Es folgt Argument auf Argument, sachlich-souverän vorgetragen - und wenn es ihm sinnvoll erscheint, lässt er ganz offen durchblicken, welche Strategie er gerade verfolgt. An Autorität mangelt es dem 62-Jährigen nicht, und es gibt durchaus auch Stimmen im Rathaus, die ihm eine gewisse Arroganz unterstellen. Was aber in der Natur aller Spitzenjuristen liege, wie eine langjährige Weggefährtin sagt. Im persönlichen Gespräch zeigt sich Böhle stets freundlich, tiefsinnig-ironisch und mit einer erfrischenden Portion Eigenhumor. Als Experte, der vieles locker sieht, seine Aufgaben aber mit großer Ernsthaftigkeit und großem Engagement anpackt.

Für die Münchner SPD ist Böhle der Mann der Stunde. Seit Langem schon sucht die Partei nach einem Nachfolger für Kreisverwaltungsreferent Wilfried Blume-Beyerle, der nach 18 Jahren an der Spitze der Ordnungsbehörde in den Ruhestand geht. Exakt genauso lange ist Böhle Personalreferent, er folgte schon damals auf Blume-Beyerle.

Nun soll er die städtische Behörde übernehmen, die wie keine andere als Politikum gilt. Was an der Ruppertstraße entschieden wird, prägt maßgeblich das gesellschaftliche Klima der Stadt. Zum KVR gehören die Schank- und Lebensmittelkontrolleure ebenso wie die Ausländerbehörde, das Einwohnermeldeamt, die Kfz-Zulassung und die Feuerwehr. Es geht um Gaststätten-Sperrzeiten, Brandschutzprüfungen, Waffenscheine, Auto- und Hundeführerscheine, das Sicherheitskonzept für die Wiesn sowie alle erdenklichen Veranstaltungen - vom Kino-Open-Air über die Pegida-Demonstration bis hin zur Sicherheitskonferenz. 3699 Mitarbeiter zählt das Kreisverwaltungsreferat, die Berufsfeuerwehr inklusive.

Für Böhle ist das vergleichsweise überschaubar. Aktuell ist er oberster Chef von mehr als 30 000 städtischen Mitarbeitern. Ein Personaler durch und durch. Sein Interesse gilt der Nachwuchsförderung ebenso wie den Arbeitsbedingungen, der Fortbildung und natürlich den Löhnen. Als Präsident der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände Deutschlands und Vorsitzender des Kommunalen Arbeitgeberverbands Bayern ist Böhle bei Tarifauseinandersetzungen der wichtigste Verhandler auf der Seite der Städte und Gemeinden. Dann taucht er neben Berliner Spitzenpolitikern und Deutschlands obersten Gewerkschaftsfunktionären im Fernsehen auf und rutscht dabei nicht selten in die Rolle des Buhmanns, der Niedrigverdienern ihre Gehälter nicht gönnt. Beim Kitastreik im vergangenen Jahr etwa, als er öffentlich zu belegen versuchte, dass die Löhne der Erzieher nicht so niedrig sind wie allgemein angenommen wird.

Dabei ist Böhle überzeugter Sozialdemokrat, ein Verfechter sozialer Gerechtigkeit. Er sieht sich als Anwalt der städtischen Angestellten, nicht als geiziger Vorarbeiter mit der Peitsche in der Hand. Neben seiner konsequent liberalen Haltung war für die SPD jedoch vor allem die juristische Fachkompetenz ausschlaggebend, den Personalreferenten an die Spitze der Münchner Ordnungsbehörde zu rufen. Böhle hat sich in seiner langen Verwaltungslaufbahn intensiv mit Themen wie Zweckentfremdung von Wohnraum oder den Kompetenzen der Bezirksausschüsse auseinandergesetzt. Der promovierte Rechtswissenschaftler ist Autor des Standardkommentars der Bayerischen Kommunalgesetze sowie Herausgeber des Beckschen Online-Kommentars zum Tarifvertrag des öffentlichen Dienstes. Seine einflussreichen Posten bei den kommunalen Arbeitgebern will der verheiratete Vater dreier Kinder zunächst behalten.

Böhle arbeitet schon seit 1982 für die Münchner Stadtverwaltung. Zunächst als sogenannter "Pooljurist" in diversen Dienststellen, 1987 machte ihn der damalige SPD-Bürgermeister Klaus Hahnzog zu seinem persönlichen Referenten und Büroleiter. Es folgte ein Wechsel ins Büro von Oberbürgermeister Georg Kronawitter. Dort leitete er die Projektgruppe für den Erhalt preiswerten Wohnraums und formulierte den stadtweit ersten Bescheid über die Ausübung des Vorkaufsrechts. Die Adresse des Hauses weiß Böhle bis heute: Adelheidstraße 10. Die nächste Station bildete das Direktorium.

1993 kandidierte Böhle für das Amt des Gesundheitsreferenten, unterlag aber seinem parteiinternen Konkurrenten Hermann Schulte-Sasse, der eine einzige Stimme mehr bekam. Seit 1998 ist er Personal- und Organisationsreferent. "Mein Anspruch war es immer, neutral und objektiv über Personalien zu entscheiden und keine Parteipolitik zu betreiben", beteuert Böhle. Diese Haltung will er auch ins neue Büro mitnehmen.

Im KVR will Böhle die mit Blume-Beyerle eingezogene Liberalität fortsetzen. "Wir müssen realisieren, dass wir in einer Großstadt leben", sagt er etwa zum Dauerthema Gaststättenlärm. Es gelte dennoch, auch die Interessen der Anwohner zu berücksichtigen. Beim Ausländerrecht bezeichnet sich Böhle als Verfechter eines "liberalen und humanen Vollzugs", in bewusster Abgrenzung vom Kurs seines Vorvorgängers Hans-Peter Uhl (CSU). Die Rathaus-CSU will Böhle trotzdem mitwählen. Nicht nur wegen der Bündnisräson - die SPD hat das Vorschlagsrecht fürs KVR. Sondern erklärtermaßen wegen Böhles Kompetenz. Der Sozialdemokrat sei für den Posten des Kreisverwaltungsreferenten "mehr als geeignet", findet CSU-Fraktionschef Hans Podiuk. Die Christsozialen haben ihm deshalb auch schon aus der Opposition heraus ihre Stimmen gegeben.

Über Privates spricht der Absolvent der Speyerer Universität für Verwaltungswissenschaften nur ungern. Dabei kann er schon in seiner Jugend eine ungewöhnliche Weltläufigkeit vorweisen: Böhle ist in Freiburg geboren, aber in Luzern, Caracas und München aufgewachsen. Später unterbrach er sein Jurastudium, um eine neunmonatige Südamerika-Reise anzutreten. Böhle hat ein Faible für Kunst, Literatur und Sport. Er liebt Franz Kafka, malt gelegentlich selbst und gilt als begeisterter und hervorragender Schwimmer. Vor einigen Jahren, als das Rathaus noch ein jährliches Skiderby zwischen Stadtrat und Münchner Presse veranstaltete, stand stets der Gleiche auf dem Siegertreppchen: Thomas Böhle. Früher hat er auch noch Judo, Fußball und Basketball betrieben.

Das Kreisverwaltungsreferat, in das Böhle am 1. Juli einziehen soll, kann auf eine ebenso illustre wie unterschiedliche Chefriege verweisen. In den Siebzigerjahren wurde es vom liberalen Bürgerrechtler Klaus Hahnzog geleitet, dessen Nachfolger waren die Hardliner Peter Gauweiler und Hans-Peter Uhl (beide CSU). Böhle kann nur für eine Amtszeit kandidieren. Bei der nächsten Wahl hat der SPD-Mann, der deutlich jünger aussieht, bereits die Altersgrenze erreicht.

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