Waffenhändler-Prozess:"Ich hatte den Eindruck, die Waffen machen ihn geil"

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Diese Waffen, darunter eine Glock 17 (in der Hand), präsentierten die Ermittler nach der Festnahme des mutmaßlichen Waffenhändlers in Marburg. (Foto: Arne Dedert/dpa)
  • Im Prozess gegen den Waffenhändler des Amokläufers vom OEZ sagen ein befreundeter Arbeitskollege sowie ein Cousin von Philipp K. als Zeuge aus - und belasten ihn weiter.
  • Wieder ist von K.s rechter Gesinnung die Rede - und von mangelnder Reue, selbst nach dem Amoklauf in München.
  • In einer Vernehmung vor dem Prozess hat die Ex-Freundin des Angeklagten zudem von dessen Verhältnis zu Waffen erzählt.

Von Martin Bernstein

Ein Raunen geht durch Saal B 275 im Landgericht, als der Zeuge sagt: "Er hat keine Reue gezeigt." Er - das ist Philipp K., dem vorgeworfen wird, die Waffe verkauft zu haben, mit der David S. am 22. Juli vergangenen Jahres am Olympia-Einkaufszentrum neun zumeist junge Menschen ermordet, fünf schwer verletzt und am Ende sich selbst getötet haben soll.

Der Zeuge ist ein befreundeter Arbeitskollege, den K. kurz nach der Tat ins Vertrauen zog. Es gebe nur einen Weg, will der heute 47-Jährige seinem 15 Jahre jüngeren Kollegen bei dem Treffen in Köln geraten haben: Er müsse sofort zum Anwalt und sich der Polizei stellen. Philipp K. folgte dem Rat nicht, hoffte nach Erinnerung des Zeugen, er könne erst einmal Gras über die Sache wachsen lassen. Wenige Tage später fädelte K. schon den nächsten Waffendeal ein - und ging verdeckten Zollfahndern ins Netz.

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In Briefen und der von seinen Anwälten verlesenen Erklärung erklärte der Angeklagte, wie ihn die "so grauenvolle Tat" erschüttert habe. In der Erinnerung des Arbeitskollegen war K. bei dem Treffen in Köln jedoch weniger schockiert, sondern aufgelöst und hatte "Angst um sich". Bereits am Mittwoch hatte Nebenkläger-Anwalt Onur Özata aus der Vernehmung der ehemaligen Freundin des Angeklagten zitiert, wonach dieser anscheinend sogar stolz auf Berichte über den Münchner Amoklauf gewesen sei. Die Freundin soll auch gesagt haben: "Ich hatte den Eindruck, die Waffen machen ihn geil."

Der Angeklagte selbst schwieg auch am dritten Verhandlungstag. Dafür kam neben dem befreundeten Arbeitskollegen auch der "Lieblingscousin" des 32-Jährigen zu Wort. Ebenso wie der beste Freund des angeklagten Marburgers am Vortag lieferten sie zahlreiche Beispiele für rassistische und NS-verherrlichende Sprüche des Waffenhändlers. Es gebe "Tausende" solcher Aussprüche seines Cousins, sagte ein Zeuge. Der Arbeitskollege erinnerte sich daran, dass K. zusammen mit einem Bekannten nach Weltkriegsrelikten habe suchen wollen und einen "leichten Rechtsdrall" gehabt habe.

Und trotzdem spielten alle drei das Spiel mit und grüßten K. in Chats mit Hitlergruß, "Sieg Heil" oder "Hitler lebt" - der beste Freund, der türkischstämmige Cousin und der griechische Kollege. "Das ist extrem erbärmlich und traurig", sagt der Cousin vor Gericht. "Ich schäme mich dafür." Die Frage nach dem Warum fällt bei allen drei Zeugen ähnlich aus. Er habe sich untergeordnet, weil er K. gefallen wollte, bestätigt der Freund. "Er findet's lustig und ich hab mich gefreut, dass er über sowas lachen kann", sagt der Cousin. "Irgendwann hat man das rein instinktiv zurückgeschrieben", räumt der Arbeitskollege ein. Für Opferanwalt Özata nahm K. in seinem Umfeld die Rolle eines "Spiritus rector" der rechtsextremen Ideologie ein.

Auch zu den beiden Deals des Waffenhändlers mit dem späteren Todesschützen David S. wurden am Donnerstag neue Details bekannt. Ihm sei "nicht ganz wohl" gewesen dabei, soll K. nach dem Amoklauf seinem Arbeitskollegen gebeichtet haben. Sein zwei Mal aus München angereister Kunde sei ihm merkwürdig vorgekommen, wie ein "Freak". Die Treffen hätten nahe dem Busbahnhof in Marburg stattgefunden. Dort tätigte K. auch weitere Waffendeals. Ein Kunde berichtete von einem derartigen Treffen, das in seinem Fall nicht länger als 30 Minuten gedauert habe. Der Verkäufer habe sich auch nicht dafür interessiert, was er mit der Waffe vorhabe. Der Interessent hatte schon im Vorfeld darauf hingewiesen, dass er die Pistole auch zum Schutz vor Einbrechern haben wolle.

Doch nicht nur der Waffenhandel ("der halbe Laden hat doch gewusst, was er macht", sagt der Arbeitskollege) beschäftigte K. Der 32-Jährige, der von seinem Umfeld auch als hilfsbereit und positiv geschildert wird, hatte nach Zeugenaussagen selbst Tötungsfantasien. "Er sagte mal, dass er alle Menschen ausradieren will", erinnerte sich sein Cousin. K. soll von Gewaltvideos im Internet fasziniert gewesen sein, in denen vorgeblich reale Morde an Menschen gezeigt werden. Und dann erinnert sich sein Cousin noch an einen Ausspruch des Mannes, der David S. die Pistole lieferte: Er wolle "im Kugelhagel der Polizei" sterben.

© SZ vom 01.09.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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