Nach der Bluttat am OEZ:Telefonüberwachung belastet Zeugen im Waffenhändler-Prozess

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Mit dieser Waffe tötete David S. neun Menschen am Olympia-Einkaufszentrum. (Foto: Sven Hoppe/dpa)
  • Unterlagen der Staatsanwaltschaft Köln deuten darauf hin, dass sich mehrere Zeugen im Prozess gegen den Waffenhändler Philipp K. abgesprochen haben könnten.
  • David S. soll die Waffe vor seiner Bluttat am OEZ über das Darknet bei ihm gekauft haben.
  • Nach einer ersten Durchsicht des Materials gibt es Hinweise darauf, dass die Zeugen ihre Aussagen "eingeübt" haben könnten.

Von Martin Bernstein

Haben wichtige Zeugen sich im Waffenhändler-Prozess vor ihrer Aussage abgesprochen? Die Staatsanwaltschaft Köln hat brisante Ermittlungsakten freigegeben, die nach einer ersten Einschätzung der Münchner Strafverfolger auch die Glaubwürdigkeit einer Bundeswehrärztin erschüttern könnten.

Diese hatte ausgesagt, ihre ehemalige Schwägerin Elke F. habe von den Anschlagsplänen am Olympia-Einkaufszentrum gewusst und sowohl dem Täter David S. als auch dem Waffenhändler Philipp K. Tipps für den Umgang mit Waffen gegeben. Für mehrere Nebenklage-Anwälte ist diese Aussage ein wichtiges Element in einer Indizienkette, wonach sich K. nicht nur der fahrlässigen Körperverletzung schuldig gemacht haben könnte, sondern möglicherweise der Beihilfe zum Mord. Die Eltern der Bundeswehrärztin hatten sich ähnlich geäußert, ebenso ihr Bruder Uwe, der mit F. verheiratet war.

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In der Verhandlung wird wohl nie das ganze Geschehen ans Licht kommen.

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Die jetzt freigegebenen Akten - es soll sich um zehn Bände handeln - stammen aus Ermittlungen gegen eben diesen Bruder. Der jetzt in Leverkusen wohnende Uwe F. hatte bei dem Waffenhändler, der S. über das Darknet seine Tatwaffe verkaufte, ebenfalls eine Pistole bestellt. Die Ermittler überwachten offenbar das Telefon des Mannes und seiner Angehörigen. Nach einer ersten Durchsicht des Materials gebe es Hinweise darauf, dass die Familie ihre Aussagen "eingeübt" habe, sagte Staatsanwalt Florian Weinzierl. Die Glaubwürdigkeit insbesondere der Bundeswehrärztin, der Schwester von Uwe F., ist nach Einschätzung von Prozessbeobachtern entscheidend für das Verfahren.

Etliche Opferanwälte fordern seit Prozessbeginn eine Verurteilung wegen Beihilfe zum Mord und kritisieren, dass die Kammer es bisher unterlassen habe, einen entsprechenden "rechtlichen Hinweis" zu erteilen. Die Staatsanwaltschaft dagegen macht immer wieder deutlich, dass sie mit dem Vorwurf der fahrlässigen Tötung in neun Fällen schon weit gegangen sei. "Wir haben aus unserer Sicht einen relativ weit gehenden Anklagevorwurf erhoben", sagte Pressesprecherin Anne Leiding in der ZDF-Sendung Frontal 21, "da sind wir auch noch sozusagen den Nachweis schuldig."

Die Vertreter mehrerer Opferfamilien baten darum, den Prozess bis in den Januar hinein zu unterbrechen, um das neue Material sichten zu können. Zunächst sagte der Vorsitzende Richter Frank Zimmer aber nur den für Montag anberaumten nächsten Verhandlungstag ab. Der Prozess soll kommenden Mittwoch weitergehen, danach ist Sitzungspause bis zum 10. Januar.

Dass die Kölner Staatsanwaltschaft das Material aus den Ermittlungen gegen Uwe F. für den Münchner Prozess freigegeben hat, ist eine Überraschung. Denn auch gegen seine (mit ihm inzwischen verfeindete) Ex-Frau Elke F. wird ermittelt - aus diesem Verfahren darf auf Anweisung aus Köln in München jedoch nicht im Detail ausgesagt werden: Verdeckte Ermittler sollen geschützt werden.

Auch zum Stand eines weiteren Verfahrens gegen die Frau wollte Staatsanwalt Weinzierl nichts sagen. Er gebe grundsätzlich keine Auskünfte zu laufenden Ermittlungen - und schon gar nicht, wenn diese dann durch die Vertreter der Nebenklage "öffentlich breitgetreten" würden, wie im Prozess gegen den Waffenhändler geschehen. Die Nebenkläger wollen Uwe F. jetzt erneut als Zeugen hören.

© SZ vom 14.12.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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