Während Nazi-Zeit entzogen:Späte Gerechtigkeit

Während Nazi-Zeit entzogen: Das Elfenbeindiptychon stammt vermutlich aus Frankreich. Es ist unklar, ob es um 1330/40 oder erst im 19. Jahrhundert entstanden ist.

Das Elfenbeindiptychon stammt vermutlich aus Frankreich. Es ist unklar, ob es um 1330/40 oder erst im 19. Jahrhundert entstanden ist.

(Foto: Bastian Krack/BNM)

Das Nationalmuseum gibt einen Klappaltar aus Elfenbein seinen Besitzern zurück

Von Evelyn Vogel

Das Bayerische Nationalmuseum hat am Dienstag einen kleinen Klappaltar aus Elfenbein an die Nachkommen des Kölner Unternehmers Ottmar Strauss restituiert. Die beiden geschnitzten Elfenbeintafeln zeigen Szenen aus dem Leben Christi und sind durch Scharniere miteinander verbunden. Die Herkunft des Elfenbeindiptychons ist nicht gesichert. Es stammt vermutlich aus Paris oder Nordfrankreich. Ob die beiden Tafeln aber um 1330/40 oder erst im 19. Jahrhundert entstanden sind, konnte bisher nicht eindeutig geklärt werden. Entsprechend unklar ist auch, welchen Wert die Elfenbeintäfelchen haben.

Der 1878 geborene Ottmar Strauss war ein wohlhabender Unternehmer aus Köln. Seine umfangreiche und wertvolle Sammlung umfasste Antiquitäten und Kunstgegenstände, ein Schwerpunkt in der Sammlung war religiöse Kunst des Mittelalters. Die Familie wurde wegen ihrer jüdischen Abstammung nach dem 30. Januar 1933 von den Nationalsozialisten verfolgt. Aus der von ihm mitgegründeten Firma Otto Wolff musste Ottmar Strauss bereits zum 1. Mai 1933 ausscheiden. Zunächst ging er zeitweilig ins Ausland, kehrte Deutschland 1936 aber endgültig den Rücken. Er starb 1941 in Zürich.

Um die Emigration zu finanzieren und um die dafür erforderliche Reichsfluchtsteuer und weitere diskriminierende Abgaben bezahlen zu können, musste Strauss sich Ende 1936 von seiner Kunstsammlung trennen. Neben Verkäufen in drei Versteigerungen in den Jahren 1934 und 1935 veräußerte er einige Kunstgegenstände direkt an andere Sammler. Zu diesen Stücken gehörte wohl auch der Elfenbeinaltar mit den Szenen Geburt, Anbetung, Kreuzigung und Grablegung aus dem Leben Christi. Denn dieser wurde auf keiner der drei Versteigerungen angeboten. Käufer war vermutlich Fritz Thyssen. Als dessen Besitz 1939 zu Gunsten des Preußischen Staates beschlagnahmt wurde, war auch der Elfenbeinaltar darunter. Danach gelangte das Relief ins Folkwang Museum in Essen und wurde nach dem Krieg zusammen mit anderen Kunstwerken an Fritz Thyssen restituiert, mit dessen Sammlung es im Jahr 1990 das Münchner Museum erwarb.

Das Nationalmuseum hat die Provenienz des Klappaltars auf eigene Initiative recherchiert und der anwaltlichen Vertretung der Nacherben von Ottmar Strauss gemeldet, denen das Kunstwerk nach Abschluss des Restitutionsprüfverfahrens nun ausgehändigt wurde. Die Restitution erfolgt auf der Grundlage der Vereinbarungen zur Rückgabe NS-verfolgungsbedingt entzogenen Kulturgutes aus jüdischem Besitz. Seit 2011 hat das Bayerische Nationalmuseum nach eigenen Angaben von 15 durch die NS-Diktatur unrechtmäßig entzogenen Kunstwerken die Provenienzen erforscht und restituiert.

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