Vorwürfe gegen die Münchner Polizei:"So geht man doch nicht mal mit Tieren um!"

Teresa Z. Münchner Polizei

"Ich hab' nichts gegen die Polizei", sagt Teresa Z., "ich hab' sie ja gerufen, damit sie mir hilft."

(Foto: Jakob Berr)

Sie wurde in Polizeigewahrsam gefesselt und geschlagen. Hier erzählt Teresa Z. erstmals ausführlich, wie sie die Nacht auf einer Münchner Polizeiinspektion erlebt hat. Die 23-Jährige berichtet von brutaler Gewalt und fragt: "Warum haben sie mich nicht einfach in die Zelle gesteckt und gewartet, bis ich mich beruhige?"

Von Susi Wimmer und Florian Fuchs

Obwohl ihr Foto seit Wochen in allen Medien zu sehen ist, erkennt man sie nicht auf den ersten Blick. "Hallo, ich bin Teresa", sagt sie zur Begrüßung. Eine hübsche junge Frau, klein, zierlich und gepflegt, langes, braunes Haar. Das Sehen auf dem rechten Auge fällt ihr schwer, es ist entzündet und wirkt trüb. Hornhaut-Läsion, hieß es in der Augenklinik. Eine der Folgen, mit denen die junge Frau vier Wochen nach den Schlägen zu kämpfen hat.

Teresa Z. ist die Frau, die am 20. Januar in der Haftzelle der Polizeiinspektion in der Au von einem 33-jährigen Beamten mit der Faust ins Gesicht geschlagen wurde. Das Foto mit dem zerschundenen Gesicht der Frau hat viele Menschen entsetzt. Seitdem wird über Polizeigewalt diskutiert. "Ich hab' da irgendwas ins Rollen gebracht", sagt die 23-Jährige.

Es gibt zwei sehr unterschiedliche Versionen der Geschichte. Die junge Frau habe randaliert und wollte dem Polizeibeamten einen Kopfstoß versetzen; er habe daher in Notwehr zugeschlagen, das ist die Version des beschuldigten Polizisten, die Polizeipräsident Wilhelm Schmidbauer auch am Wochenende in einem Interview wiedergab. Teresa Z. nennt das "enttäuschend": "Ich hatte gedacht, es kommt endlich so etwas wie eine Entschuldigung."

Was die junge Frau erzählt, hört sich schockierend an. Blutend und winselnd sei sie in der Zelle gelegen, ständig habe sie gedacht: "So geht man doch nicht mal mit Tieren um!" Auf der Pritsche liegend, die Hände am Rücken mit Handschellen gefesselt, die dicke Jacke so nach unten gezogen, dass auch die letzte Bewegung unmöglich ist: So sei sie hilflos dagelegen, sagt sie. Ihre Nase zertrümmert, der Augenboden rechts gebrochen, das Gesicht und der Mund voller Blut. "Schau mal, ob die noch da ist", habe ein Polizist direkt nach den Schlägen gefragt, erzählt sie. Dann habe einer an ihrer Schulter gerüttelt, wohl um festzustellen, ob sie noch bei Bewusstsein ist. "Ich habe gestöhnt", daraufhin seien alle gegangen. "Und dann war ich allein."

"Aufhören! Ich krieg' keine Luft"

Dabei habe sie an diesem Tag nur Ruhe vor den Streitereien mit ihrem Freund haben wollen, sagt die 23-Jährige. Sie hatte die Nacht durchgefeiert mit einem Kumpel. Ihr Freund war wütend. Das Paar lümmelte ein paar Stunden daheim auf der Couch herum, besuchte einen Freund, aber auch dort besserte sich die Stimmung nicht. "Er wollte alles ausdiskutieren, ich nur noch ins Bett", erzählt Teresa Z. Auf dem Heimweg eskalierte der Streit am Regerplatz, Teresa Z. rief die Polizei. Zwei Beamte der Inspektion 21 kamen, schlichteten - und nahmen die zwei in getrennten Autos mit.

Von diesem Zeitpunkt an gibt es unterschiedliche Versionen über den weiteren Verlauf. Teresa Z. schildert es so: Auf der Fahrt wollte sie ihrer Mutter eine SMS schicken, doch der Polizist habe ihr das verboten. Es sei zum Gerangel um das Handy gekommen, der Fahrer habe gehalten, ihren Oberkörper nach vorne gedrückt und ihre Hände am Rücken gefesselt.

Dann habe sich der andere Beamte auf ihren Rücken gestützt und sie mit dem Kopf nach unten festgehalten. Der Druck auf ihrem Oberkörper sei sehr heftig gewesen, sie habe versucht, sich aufzurichten, und geschrien: "Aufhören! Ich krieg' keine Luft!" An der Inspektion steuert der Wagen den Hinterhof an. Sie sei aus dem Wagen gezogen und die Treppen nach unten in die Zelle gebracht worden. "Natürlich hab' ich versucht mich zu wehren", sagt sie.

Die Beamten schildern die Situation völlig anders. Zunächst sei Teresa Z. mit ihrem Einverständnis mit auf die Wache genommen worden. Sie habe zuvor die Einsatzkräfte alarmiert, weil sie von ihrem Freund geschlagen, verfolgt und bedroht worden sei. Auf der Fahrt zur Dienststelle sei die 23-Jährige dann ausgerastet: Sie habe geschrien, gekratzt, um sich getreten - und habe dabei mehrmals einen Beamten am Oberschenkel getroffen. Erst nachdem sie gefesselt worden sei, gaben die Polizisten später zu Protokoll, habe die Fahrt fortgesetzt werden können.

Auch über das, was in der Zelle geschah, gibt es widersprüchliche Angaben. Teresa Z. sagt, sie habe mit dem Rücken zur Wand auf der Pritsche gelegen. "Zwei oder drei Beamte haben meine Beine fixiert", sie habe sich aus der Umklammerung lösen wollen. Ein Beamter habe mit dem Ellenbogen ihren Kopf gegen die Pritsche gedrückt. Daraufhin habe sie dem Polizisten ins Gesicht gespuckt. Als Reaktion darauf habe er zugeschlagen: "Zweimal kurz hintereinander, peng, peng." Die 23-Jährige kann das alles nicht verstehen: "Warum haben sie mich nicht einfach in die Zelle gesteckt und gewartet, bis ich mich beruhige?"

"Nicht gerade eine Drogenhöhle"

Aus Sicht der Polizei ging die Aggression nicht von den Beamten aus. Teresa Z. habe die Polizisten auf der Wache beschimpft, dann sei sie in die Zelle gebracht worden. Dort habe man sie weiter fixiert - worauf sie einem Beamten ins Gesicht gespuckt habe. Nach eigenen Angaben drückte der Polizist ihr deshalb das Gesicht zur Seite. Daraufhin seien Kopf und Oberkörper der 23-Jährigen nach oben geschnellt. Der Polizist habe dies als versuchten Kopfstoß wahrgenommen und sich mit einem Faustschlag verteidigt. Er behauptet, in Notwehr gehandelt zu haben. Sie sagt, dies sei physisch gar nicht möglich gewesen, weil sie in diesem Moment seitlich lag und von den Beamten festgehalten wurde.

Nach dem Schlag sei alles still gewesen, sagt Teresa Z. Sie habe gesehen, wie vor den Gitterstäben ein Beamter mit Brille und grau-braunen Haaren stand, ein Handy mit LED-Licht hielt und dann wegsteckte. "Das Video will ich haben", habe sie geschrien. Als sie im Krankenhaus ihr Gesicht gesehen habe, habe sie einen Beamten angebrüllt: "Ihr habt mich so zugerichtet!" Sie wird stationär in der Klinik behandelt, die zertrümmerte Nase operiert, fünf Tage später erstattet sie Anzeige gegen den Polizisten. Polizeivizepräsident Robert Kopp hatte schon früh bestritten, dass es ein Video gibt. Und das LED-Licht? Das sei von einer Taschenlampe gekommen.

"Temperamentvoll", so würde Teresa Z. sich selbst beschreiben. Sie wuchs in München auf, nach der Trennung der Eltern pendelte sie zwischen Vater und Mutter. Sie hat ihre Ausbildung als Tierarzthelferin durchgezogen, lebt an der Theresienwiese in ihrer "Traumwohnung" mit Designerbad, weißer Ledercouch und Panoramafenster im Wohnzimmer. "Nicht gerade eine Drogenhöhle", sagt sie in Anspielung auf die Aussagen der Polizei. "Ich bin keine Drogensüchtige." Sie raucht, ja, ab und zu mit Freunden auch mal Gras. "Alkohol ist mir zuwider, ich vertrag' auch nichts."

Die Polizei wolle sie "in eine Ecke stellen", sagt ihr Anwalt Franz J. Erlmeier, "paranoid und drogensüchtig". Am Dienstag habe er erstmals die Ermittlungsakte einsehen, darin aber "keine Notwehrlage" erkennen können, sagte er am Mittwochabend bei sternTV. "Das war nichts anderes als Rache."

Am Faschingsdienstag standen acht Beamte vor ihrer Tür, weil ein Nachbar angeblich Hilferufe aus der Wohnung gehört habe. Vergangenen Freitag versuchte die Polizei um 6.11 Uhr, die Wohnung gewaltsam zu öffnen: Hausdurchsuchung. Dann nahmen sie Teresa Z. mit in die Rechtsmedizin, wo man ihr für einen Drogentest ein Büschel Haare abschnitt. Das Ergebnis liegt noch nicht vor. Ihr Handy wurde sichergestellt. Mittlerweile hat sie auch alle Accounts in sozialen Netzwerken gelöscht. Aus Angst vor der Polizei.

Die Polizei verwahrt sich dagegen, sie habe Teresa Z. durch Hausbesuche unter Druck setzen und in ein schlechtes Licht rücken wollen. Der Nachbar, der am Faschingsdienstag die Polizei geholt habe, sei namentlich bekannt. Erst in der Wohnung der 23-Jährigen hätten die Beamten, realisiert, dass es sich um Teresa Z. handelte. Bei der Durchsuchung drei Tage später sei es darum gegangen, Beweise in dem Strafverfahren zu sichern.

Freunde stehen Teresa Z. bei. Sie geht zu einer Psychologin, weint sich aus, oft fühlt sie sich ausgelaugt. "Ich hab' nichts gegen die Polizei", sagt die 23-Jährige, "ich hab' sie ja gerufen, damit sie mir hilft." Ein derartiger Gewaltausbruch aber dürfe nicht sein: "Die Sache muss aufgeklärt werden", fordert sie. "Ich beiß' die Zähne zusammen und zieh das jetzt durch."

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