Vorschlag-Hammer:Modernes Märchen

Es war einmal... So wie alle schönen, alten Märchen anfangen, könnte und sollte man eigentlich auch diese Geschichte einleiten. Dabei hat sich die Geschichte, die es zu erzählen gilt, eigentlich vor noch nicht gar zu langer Zeit zugetragen

Von Christoph Wiedemann

Es war einmal . . . So wie alle schönen, alten Märchen anfangen, könnte und sollte man eigentlich auch diese Geschichte einleiten. Dabei hat sich die Geschichte, die es zu erzählen gilt, eigentlich vor noch nicht gar zu langer Zeit zugetragen. Im Gegenteil, es ist eine noch junge Begebenheit, die sich unmittelbar nach Öffnung der Mauer und Fall des ehemals "Eisernen Vorhanges" in Passau ereignete. Hauptakteur war damals ein in der Stadt alteingesessener Architekt, der sich im fortgeschrittenen Alter von 75 Jahren mit der Gründung eines kleinen Museums für Moderne Kunst einen Jugendtraum erfüllte. Sein Name: Hanns Egon Wörlen.

Ursprünglich sollte der angesehene und erfolgreiche Architekt, der sich zeitlebens um Erhalt und Sanierung der Passauer Altstadt verdient gemacht hatte, im Auftrag der Stadt Pläne entwickeln, um ein Ensemble von vier maroden, direkt an der Donau gelegenen Häusern in Sozialwohnungen umzuwandeln. Wörlen aber begriff sofort den wahren Wert des bis in die Romanik zurück verfolgbaren Baudenkmals, und es gelang ihm in langwierigen Verhandlungen, den Stadtrat davon zu überzeugen, dort ein Museum für moderne Kunst einzurichten. Absolut überzeugend dabei dürfte gewirkt haben, dass Wörlen sich bereit erklärte, die Gebäude zu kaufen und auf eigene Kosten zu sanieren. Mehr noch: Für den dauerhaften Erhalt als Museum gründete er eine Stiftung, in die er sein gesamtes Privatvermögen einbrachte. Bis zu seinem Tod im Februar 2014 finanzierte er darüberhinaus noch den Museumsbetrieb mit jährlichen Zuwendungen von bis zu 125 000 Euro. Die erwirtschaftete der Hochbetagte bis zuletzt noch immer mit seinem florierenden Architekturbüro. Freistaat Bayern und die Stadt Passau haben nach Wörlens Tod zwar ihre Förderungen erhöht, im Wesentlichen finanziert sich das Museum mit seinen jährlich bis zu zwölf oft sehr exquisiten und auf die Besonderheiten der Region abhebenden Ausstellungen aus den Erträgen der Stiftung. Eine Ausstellung im Jahresablauf 2015 ist jetzt dem selbstlosen Stifter Egon Wörlen und seinen Werken als Architekt und Künstler gewidmet (bis 28. Juni in der Bräugasse). Sehenswert und märchenhaft, vor allem auch deswegen, weil hier eine Stiftung existiert, die ausnahmsweise einmal nicht private Eitelkeit bedienend die Kosten auf die Allgemeinheit abwälzt.

Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: