Vorschlag-Hammer:Der Preis des Reisens

Die Lust am Reisen packt ja die meisten Menschen dann und wann. Das wusste schon Goethe. Und wenn dafür Zeit oder Geld fehlen, dann tun es auch Gedankenreisen

Von Antje Weber

Ja, wäre nur ein Zaubermantel mein! Und trüge er mich in fremde Länder." So sehnte sich Goethes Faust einst nach der Ferne. Dabei wusste Goethe: "Es wandelt niemand ungestraft unter Palmen", denn "die Gesinnungen wandeln sich gewiss in einem Lande, wo Elefanten und Tiger zu Hause sind".

Allen Tigern zum Trotz: Die Lust am Reisen packt ja die meisten Menschen dann und wann. "Ich sehe mich daher gerne bei fremden Nationen um und rate jedem, es auch seinerseits zu tun" - diesen Rat von Goethe, der ja zu jedem denkbaren Thema etwas Weises gesagt hat, haben in den Ferien gerade wieder Tausende von Menschen befolgt. Und wenn Zeit oder Geld fehlt? Dann tun es auch Gedankenreisen. Auch darin kannte sich Goethe bestens aus, wie der Germanist Dieter Strauss weiß. Kürzlich hat er die Studie "Goethes Wanderjahre in Lateinamerika und der Südsee" herausgebracht - und es lohnt sich gewiss, am 16. April (Gasteig, 18 Uhr, Raum 3142) zum Vortrag des eloquenten Autors zu gehen, der selbst als - nomen est omen - Goethe-Instituts-Leiter in der Welt herumgekommen ist. Obwohl allerdings Goethe überzeugt war, dass er "aus Büchern und im Gespräch, nicht aber durch den zusammenhängenden Kathedervortrag etwas lernen konnte", seien noch weitere Vorträge zum Klassiker empfohlen: an diesem Mittwoch, 15. April, von SZ-Redakteurin Christine Dössel über "Goethe und das Theater" und am 21. April von SZ-Redakteur Gustav Seibt über "Goethe in der Revolution" (je 20 Uhr, Gasteig, Black Box).

Nicht alle Menschen haben das Glück, wie einst der Geheimrat auf friedliche Reisen oder Gedankenreisen gehen zu dürfen. Auch davon berichten etliche Schriftsteller in den kommenden Wochen: Der rumänische Politiker, Essayist und Lyriker Varujan Vosganian wird am 22. April im Gasteig aus seinem "Buch des Flüsterns" über den Völkermord an den Armeniern lesen; einst wurden sie zu Hunderttausenden in die Wüste getrieben, wo sie elend umkamen. Die junge syrische Autorin Dima Wannous wiederum, die derzeit im Beiruter Exil lebt, stellt am 20. April im Eine-Welt-Haus bei einer Benefiz-Lesung ihren Erzählband "Dunkle Wolken über Damaskus" vor.

Und auch Uwe Timm kann davon erzählen, was es bedeutet, aus seiner Heimat flüchten zu müssen. Der große Münchner, Hamburger, Berliner Autor, soeben 75 geworden, berichtet in seinem neuen Essayband "Montaignes Turm" und bei einer Lesung am 23. April im Literaturhaus unter anderem von seiner Reise in das Flüchtlingslager Darfur im Tschad im vergangenen Herbst. Timm beschreibt das Leid, insbesondere der Frauen, und er wird dadurch an die Vertriebenen nach dem Zweiten Weltkrieg erinnert: "Willkommen waren die Flüchtlinge, obwohl sie deutsch sprachen und dieselbe Hautfarbe hatten, nicht." Ob Goethe daher heutzutage noch Sätze schreiben würde wie diesen: "Die Reise gleicht einem Spiel, es ist immer Gewinn und Verlust dabei"? Denn spielerisch ist das Fernweh eben nur für die einen; bei den anderen überwiegt das Weh.

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