Vorbestraft, aber wählbar:Münchner Neonazi tritt gegen Otto Schily an

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Der Bundesinnenminister trifft bei der Bundestagswahl in seinem Stimmkreis auf den Kopf der "Kameradschaft München", Norman Bordin.

Berthold Neff

Der Münchner Neonazi Norman Bordin tritt bei der Bundestagswahl als NPD-Direktkandidat gegen Bundesinnenminister Otto Schily (SPD) an. Der mehrmals vorbestrafte Bordin, den das Landgericht München I als "gewaltbereiten Neonazi" einstufte und im März 2002 zu 15 Monaten Haft verurteilte, hat seine Direktkandidatur im Stimmkreis München-Land angemeldet.

Damit kommt es bei der Bundestagswahl zur Konfrontation zwischen einem führenden Exponenten der gewaltbereiten Neonazi-Szene und Otto Schily, der als Bundesinnenminister im Januar 2002 mit dem Plan scheiterte, die NPD zu verbieten. Der heute 28 Jahre alte Bordin ist der Kopf der "Kameradschaft München", die früher "Kameradschaft Süd" hieß und damals von Martin Wiese geführt wurde. Dieser sitzt derzeit im Gefängnis, nachdem er im Mai vom Bayerischen Obersten Landgericht wegen des geplanten Anschlags auf die Baustelle des Jüdische Gemeindezentrum als "Rädelsführer einer terroristischen Vereinigung" zu sieben Jahren Haft verurteilt wurde.

Bordin trat im September 2004 in die NPD ein, die damals bereits eine "Volksfront von Rechts" ausgerufen hatte. Anfang dieses Jahres vereinbarten Münchens Rechtsradikale in einem "Münchener Bekenntnis" eine enge Zusammenarbeit. Die DVU, deren Chef der Pasinger Verleger Gerhard Frey ist, und die NPD machen sich bei der Bundestagswahl keine Konkurrenz mehr, sondern treten gemeinsam an. Bordin gehörte zu den Mitunterzeichnern des "Münchener Bekenntnisses".

Bordin, der inzwischen in Ottobrunn wohnt, hat seine Direktkandidatur beim Kreiswahlleiter München-Land angemeldet. Dazu besorgte er sich vor etwa zwei Wochen die dafür nötige "Bescheinigung der Wählbarkeit" bei der Gemeinde Ottobrunn, wie Bürgermeisterin Sabine Kudera (SPD) der SZ gestern bestätigte. Da der Gemeinde keine Mitteilung des Gerichts vorlag, wonach Bordin nach Paragraf 15 des Bundeswahlgesetzes von der Wählbarkeit ausgeschlossen sei, sei ihm die Bescheinigung ausgestellt worden, sagte die Bürgermeisterin.

Das Strafgesetzbuch sieht den Verlust der Wählbarkeit vor, sobald jemand wegen eines Verbrechens zu einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt wird. Norman Bordin jedoch kam in dem Verfahren vor dem Landgericht München I, in dem es um den Überfall vor der Gaststätte "Burg Trausnitz" auf einen Griechen ging, vergleichsweise glimpflich davon. Während andere Angeklagte wegen versuchten Totschlags verurteilt wurden, wurde er nur wegen einer versuchten und einer vollendeten Körperverletzung sowie wegen Beleidigung zu einer Gesamtstrafe von 15 Monaten bestraft. Wäre er beispielsweise wegen schwerer Körperverletzung verurteilt worden, hätte ihm die Gemeinde die Wählbarkeitsbescheinigung unter Verweis auf Paragraph 45 Strafgesetzbuch verweigern können.

Nach seiner Entlassung aus der Justizvollzugsanstalt Bernau wurde Bordin vor allem in der Münchner rechtsextremen Szene aktiv. Zum 60. Jahrestag des Kriegsendes wollte er am 8. Mai unter dem Motto "Tag der Ehre, nicht der Befreiung" auf dem Marienplatz eine Mahnwache durchsetzen, was die Stadt zu verbieten suchte. Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof jedoch erlaubte den Auftritt. Im Juni trat er als Redner einer Neonazi-Demo in Dorfen auf.

© SZ vom 5.8.2005 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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