Vorbericht:Musikalische Pisa-Studie

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Gemeinsame Spurensuche betreibt das Aki Rissanen & Jussi Lehtonen Trio mit dem Saxofonisten David Liebman (rechts). (Foto: Unterfahrt)

Mit drei Trios und einem Quartett aus dem hohen Norden zeigt die Unterfahrt einen Querschnitt der inzwischen international erfolgreichen Jazzszene Finnlands

Von Oliver Hochkeppel

Mit nur knapp fünfeinhalb Millionen Einwohnern auf einer Fläche so groß wie Deutschland zählt Finnland zu den am dünnsten besiedelten Ländern Europas. Dass kein Talent unentdeckt und ungefördert bleiben darf, gehört deshalb zu den Leitlinien der Gesellschaft, schon lange bevor dies durch die Pisa-Studie international bekannt wurde. Ob Architektur, Design oder Kommunikationstechnologie, die Finnen zählen auf vielen Gebieten zu den Vorreitern. Beim Jazz freilich stand das Land lange im Schatten seiner Nachbarn Schweden und Norwegen, die - auch dank Münchner Lables wie Ecm und Act - den "Nordic Jazz" in den vergangenen 20 Jahren zur Marke für innovative, stilistisch neue Wege eröffnende Sounds machten.

Erst mit dem Pianisten Iro Rantala spielte sich zuletzt ein finnischer Jazzer ins internationale Rampenlicht. Was nun auch Kollegen wie den Saxofonisten Jukka Perko oder den Pianisten Kari Ikonen dem deutschen Publikum näher bringt. Ikonen und sein Trio mit dem armenischen Bassisten Ara Yaralyan und dem finnischen Landsmann Markku Ounaskari am Schlagzeug sind nun gewissermaßen das Zugpferd eines Minifestivals mit finnischem Jazz in der Unterfahrt, wo man mit der Reihe "European Jazz Made in: . . ." seit Jahren den Blick auf andere Jazznationen richtet. Das Kari Ikonen Trio kann auch deshalb als prominenteste der vier präsentierten Bands gelten, weil es seit 2013 auch beim deutschen Label Ozella, im Vertrieb des Fürstenfeldbrucker Weltmusiklabels Galileo, erscheint. Für das dortige Debüt "Bright" bekam Ikonen 2013 den Yrjö-Award als bester finnischer Jazzmusiker - und im Jahr darauf dann auch sein Drummer Markku Ounaskari. Tiefer als die meisten schwedischen oder norwegischen Jazzer ist Ikanen in der klassisch-amerikanischen Jazztradition verwurzelt. Seine rhythmisch wie melodisch klar strukturierten Kompositionen klingen nie poppig und lassen viel Raum für Improvisation und den Energiefluss der Bandkommunikation. In der Unterfahrt spielen die drei am Freitag bereits ein vorwiegend aus Stücken von der demnächst erscheinenden neuen CD "Beauteous Tales and Offbeat Stories" bestehendes Programm.

Als moderne Traditionalisten, geprägt durch die europäische Klassik wie den amerikanischen Jazz, verstehen sich auch der Pianist Aki Rissanen und der Schlagzeuger Jussi Lehtonen, weshalb sie in ihr neues Quartett neben dem Bassisten Jori Huhtala auch den amerikanischen Saxofonstar Dave Liebman geholt haben. Zusammen geht es am Donnerstag auf die Suche nach den gemeinsamen Wurzeln; man streift dabei auch die nordische und slawische Volksmusik. Den Auftakt bestreitet indes am Mittwoch das Sun Trio mit dem Trompeter, Sänger und Elektroniker Jorma Kalevi Louhivuori, dem Bassisten Antti Lötjönen und demDrummer Olavi Louhivuori - ein etwas wilderes Ensemble, das seine impressionistischen, mal elegisch schwebenden, mal explosiven Stücke mit Elementen verschiedener Genres anreichert.

Deutlich in Richtung Pop, wenn auch nicht weniger experimentell, geht es zum Abschluss am Samstag mit Elifantree. Die Mitglieder des Trios der Sängerin Anni Elif Egecioglu, dem Saxofonisten Pauli Lyytinen und dem Schlagzeuger Tatu Rönkkö leben in Berlin und Helsinki, schwärmen von dort durch ganz Europa aus und beziehen daraus auch ihre mit eingängigen Pop-Melodien, schrägen Sounds und kräftigem Groove umgesetzten Ideen. In der Unterfahrt stellen sie ihr drittes, verstärkt elektronisch und polyrhythmisch geprägtes Album "Movers and Shakers" vor. Weil Elifantree sich aber vor allem als energetischer, stets überraschender Live-Act einen Namen gemacht hat, kann das kein Ersatz für den Club-Besuch sein.

European Jazz Made in: Finnland , Mittwoch bis Samstag, 25. bis 28. März, jeweils 21 Uhr, Unterfahrt, Einsteinstraße 42

© SZ vom 24.03.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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