Vor der Zerreißprobe:Heftiger Streit im Ausländerbeirat

Vor der Zerreißprobe: Ist der Ausländerbeirat noch funktionsfähig? Vorsitzende Nükhet Kivran und Anti-Rassismus-Aktivist Hamado Dipama streiten über das Miteinander.

Ist der Ausländerbeirat noch funktionsfähig? Vorsitzende Nükhet Kivran und Anti-Rassismus-Aktivist Hamado Dipama streiten über das Miteinander.

(Foto: Schellnegger, Rumpf)
  • Im Münchner Ausländerbeirat wird heftig gestritten: Eine Reihe von Mitgliedern fordert die Vorsitzende Nükhet Kivran zum Rücktritt auf.
  • Kivran weist die Vorwürfe zurück und lehnt einen Rücktritt ab.
  • Die Konflikte fallen in eine Zeit, in der im Rathaus hinter den Kulissen über die Zukunft des Ausländerbeirats diskutiert wird.

Von Bernd Kastner

Der Ausländerbeirat in München befindet sich in einer Zerreißprobe. Eine Reihe von Mitgliedern fordert die Vorsitzende Nükhet Kivran zum Rücktritt auf. In einem "Appell" für einen Neustart kritisieren sie scharf das Agieren Kivrans und lasten ihr an, dass das Gremium seit Monaten "funktionsunfähig" sei. Hintergrund des Konflikts sind inhaltliche Auseinandersetzungen, gemischt mit persönlichen Animositäten. Kivran weist die Vorwürfe zurück und lehnt einen Rücktritt ab.

Die Konflikte fallen in eine Zeit, in der im Rathaus hinter den Kulissen über die Zukunft des Ausländerbeirats diskutiert wird. Bislang wurde das Gremium von rund 260 000 Münchner Migranten direkt gewählt, die Wahlbeteiligung lag 2004 und 2010 aber jeweils nur im mittleren einstelligen Prozentbereich.

Kivran-Kritiker sagen, sie sei "gescheitert"

Trotz drängender Themen habe im zweiten Halbjahr 2014 noch keine Vollversammlung stattgefunden, was die Kritiker um Hamado Dipama der Vorsitzenden anlasten. Zwei Treffen wurden wegen zu geringer Teilnahme abgebrochen oder abgesagt. Um beschlussfähig zu sein, müssen mindestens 21 der 40 Mitglieder anwesend sein. Diese Zahl wurde weder in der Oktobersitzung erreicht noch in dieser Woche. Am Montag wollte das Gremium unter anderem über die sogenannte Lagerpflicht für Flüchtlinge diskutieren, über die Lage in der Bayernkaserne, "rassistische Schießbudenfiguren" auf der Wiesn und Alltagsrassismus am Beispiel des Münchner Nachtlebens.

Am Dienstagabend trafen sich etwa zehn Mitglieder spontan zu einer Krisensitzung. Für den dabei verabschiedeten "Appell" wollen die Kivran-Kritiker in den nächsten Tagen weitere Unterstützer im Gremium suchen und dann die Vorsitzende mit den Vorwürfen konfrontieren. Sie werfen ihr unter anderem vor, weniger an inhaltlicher Arbeit denn an Einladungen zu externen Veranstaltungen interessiert zu sein. Sie sei "einer der wesentlichen Gründe" für angeblich weit verbreitete Demotivation unter den Beiräten. Deshalb seien neben zwei Vollversammlungen auch bereits zwei Klausurtagungen ausgefallen. Fazit der Kivran-Kritiker: Sie sei "gescheitert", weshalb sie den Weg für eine neue Führung freimachen solle.

Kivran nennt das Vorgehen ihrer Kritiker "populistisch"

Die aus der Türkei stammende Kivran, nach der Wahl 2010 knapp an die Spitze gewählt, hält den Beirat für "voll funktionsfähig". "Indiskutabel" und "populistisch" sei das Vorgehen ihrer Kritiker, da sie "hinter meinem Rücken" agierten. Sie sei nicht schuld an den ausgefallenen Sitzungen, vielmehr rufe sie vor jedem Treffen die Mitglieder persönlich an und erinnere sie. Inhaltlich müsste mehr aus den vier thematisch arbeitenden Ausschüssen des Beirats kommen.

Sie selbst sei sehr an Inhalten interessiert, was man an ihrem Projekt "Bildungsbrücken bauen" sehe, das sich an Schüler mit Migrationshintergrund richte. Ihren Kritikern wirft sie vor, dem Gremium zu schaden und es zu gefährden: Seit Jahren steht es unter Beobachtung des Stadtrats. "Wollen sie den Beirat komplett kaputt machen?", fragt Kivran.

Worum es bei dem Streit geht

Neben persönlichen Animositäten hat sich der aktuelle Streit vor allem an zwei Themen entzündet. Da ist die Eingliederung der städtischen Antidiskriminierungsstelle Amigra in die Fachstelle gegen Rechtsextremismus im Büro des Oberbürgermeisters. Dem hat die Spitze des Ausländerbeirats zugestimmt, ohne alle Mitglieder einzubeziehen.

Zweiter Streitpunkt ist die Anti-Rassismus-Aktion im Münchner Nachtleben: Der aus Burkina Faso stammende Dipama hat mit Freunden und Beiratskollegen getestet, ob Migranten an Discotüren diskriminiert werden. Ergebnis: Sie wurden auffällig oft abgewiesen. Dies war eine offizielle Aktion des Ausländerbeirats. Kritiker werfen Dipama vor, die Aktion zur eigenen Profilierung genutzt zu haben - was dieser wiederum zurückweist. Er erklärt auch, nicht den Vorsitz des Beirats übernehmen zu wollen. Und Kivran betont, in zwei Jahren nicht wieder kandidieren zu wollen.

Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: