Kommunalwahlen in Bayern:So buhlen rechte Parteien in München um Wähler

Michael Stürzenberger bei Kundgebung

Michael Stürzenberger bei einer Kundgebung in München.

(Foto: Robert Haas)

Er hetzt gegen Muslime, provoziert bis zur Eskalation und wird vom Verfassungsschutz beobachtet: Michael Stürzenberger kann mit der islamfeindlichen Partei "Die Freiheit" zur Kommunalwahl antreten. Er ist nicht der einzige umstrittene Kandidat in München.

Von Ingrid Fuchs

Vor dem Münchner Rathaus errichtet die Polizei an diesem Vormittag Absperrgitter. Der Pavillon ist jetzt nur noch von zwei Seiten erreichbar. Eingezäunt wird eine Gruppe älterer Menschen, sie tragen dicke Mäntel gegen die Kälte. Gemeinsam bauen sie einen Tisch auf, legen Flyer aus, bringen Plakate an. Die Münchner Polizei hat etwa 20 Beamte geschickt. Der Mann, wegen dem sie hier sind, steht ein wenig abseits: Michael Stürzenberger, Landes- und Bundeschef der Partei Die Freiheit.

Am Rande der Absperrgitter pinnt er Zeitungsartikel, Fotos und Blätter mit fettgedruckten Buchstaben an eine Stellwand. Ein roter Schriftzug fällt beim Vorbeilaufen sofort auf: "Stoppt die Islamisierung Europas!" Darunter der Link zum umstrittenen Online-Forum PI - Politically Incorrect. PI und die Freiheit sind eng miteinander verflochten. Sowohl der bayerische Landesverband der Freiheit als auch die Münchner Ortsgruppe von PI werden seit März vom Verfassungsschutz beobachtet. Das bayerische Innenministerium stuft sie als extremistisch ein.

Seit Monaten stellt sich Stürzenberger mehrmals pro Woche auf Münchner Plätze und redet. Predigt. Prophezeit. Hetzt. Er selbst bezeichnet sich als "islamkritisch". Der 49-Jährige will den Bau eines islamischen Kulturzentrums in der Stadt per Bürgerbegehren verhindern. Er zeigt Bilder einer Münchner Skyline voller Minarette und in den Himmel ragender Halbmonde. Er warnt vor der Verdrängung des Christentums durch den Islam. Er zitiert aus dem Zusammenhang gerissene Passagen aus dem Koran. Er schürt eine diffuse Angst vor Muslimen. Er führt einen persönlichen Krieg.

Ude hält ihn für einen "Hassprediger"

Doch nicht nur für das Bürgerbegehren hat Stürzenberger Stimmen gesammelt. Sondern auch, um bei der Kommunalwahl am 16. März für den Stadtrat antreten zu dürfen. Trotz oder gerade wegen der extremistischen Parolen hat die Freiheit bis Montagmittag mehr als die nötigen 1000 Unterschriften zusammenbekommen, darf also antreten.

Die Vorstellung, dass einer wie Stürzenberger bald im Münchner Stadtrat sitzen könnte, lässt Mitglieder anderer Parteien schaudern. Oberbürgermeister Christian Ude (SPD) hält ihn für einen "Hassprediger". Rechtspopulisten seien derzeit "die gefährlichste Variante im rechten Spektrum", sagte Ude bereits im vergangenen Frühjahr. Auch CSU-Stadtrat Marian Offman warnt vor Stürzenbergers Einzug ins Rathaus: "Wer einen demagogischen Feldzug gegen eine Religion führt, sollte keine Mehrheit für den Münchner Stadtrat finden."

Schon seit 2008 muss sich der Stadtrat mit dem rechtsextremen Stadtrat Karl Richter von der Bürgerinitiative Ausländerstopp (BIA) herumplagen. Bei seiner Vereidigung zeigte der bayerische NPD-Landesvorsitzende damals den Hitlergruß. Seither traktiert er die Verwaltung im Rathaus mit einer Flut von Anfragen und Anträgen - meist mit ausländer-, islam- oder judenfeindlichem Tenor. Die anderen Parteien haben in der Zwischenzeit einen guten Weg gefunden, sich möglichst wenig von Richters Treiben stören zu lassen. Doch was, wenn nun einer mit ähnlich radikalen Ansichten und ähnlicher Penetranz hinzukommt?

Provozieren bis zur Eskalation

Bereits vor ein paar Tagen hat auch die eurokritische Alternative für Deutschland (AfD) mit ihrem OB-Kandidaten André Wächter die notwendigen Stimmen gesammelt, um bei der Kommunalwahl antreten zu dürfen. Die beiden Parteien kann man sicher nicht vergleichen. Die AfD wettert vor allem gegen Europa und fordert "Mut zu Deutschland" - dass derartige Parolen auch Wähler von Rechtsaußen anlocken, nimmt sie allerdings billigend in Kauf. Was sie genau will, durchschaut derzeit niemand genau.

Bei der Bundestagswahl im September schrammte die AfD nur knapp am Einzug ins Parlament vorbei, für die Kommunalwahl stehen ihre Chancen noch besser. Anders als bei Bundes- und Landtagswahl gibt es auf kommunaler Ebene keine Fünf-Prozent-Hürde. Um einen der 80 Sitze im Stadtrat zu bekommen, reichen nach dem 2014 erstmals angewandten Hare-Niemeyer-Verfahren schon 0,6 bis 1,25 Prozent der Stimmen. Das erhöht die Chancen für kleine Parteien, auch für Freiheit, BIA und AfD. Zumal es in München durchaus Sympathien für rechte Themen gibt.

Im Frühjahr 2013 hat die Ludwig-Maximilians-Universität in Zusammenarbeit mit der Fachstelle gegen Rechtsextremismus mehr als 1000 Münchner zu gesellschaftlichen und politischen Einstellungen befragt. Mehr als 20 Prozent der Befragten stimmten damals der Aussage zu, es gebe zu viele Muslime in Deutschland. Fast die Hälfte der Münchner fand sogar, dass die muslimische Kultur nicht nach Deutschland passt. Vor allem ältere Menschen scheinen für viele Vorurteile anfällig zu sein (die Studie dazu finden Sie hier).

Morddrohungen an Grünen-Politikerin

Einen Teil des Erfolgs rechter Parteien sieht Robert Andreasch in der betont harmlosen Inszenierung nach außen. Andreasch, freier Journalist und Mitarbeiter beim Antifaschistischen Informationsarchiv Aida (a.i.d.a.), verfolgt die rechte Szene in Bayern intensiv. In der NPD würden sich nur noch wenige offen erkennbar als Rechtsradikale geben, viele verpassen sich ein cooleres Image. Beliebt sei die Figur des Rockers: mit Lederweste, Tätowierungen, Sonnenbrille und durchaus krawalligem Auftreten, aber eben nicht immer auf Anhieb der rechtsextremen Szene zuzuordnen.

Intern sei die Organisation dagegen eher straff. Es gehe für viele darum, Härte zu zeigen, Männlichkeit zu demonstrieren. Ihre Zugehörigkeit zeigen die Rechten durch Symbole, Abkürzungen, Kleidermarken und gemeinsame Aktivitäten. "Es ist ein Spagat zwischen radikalem Auftreten mit klassischen Merkmalen und dem Versuch, wählbar zu bleiben", sagt Andreasch. Trotzdem kommt hin und wieder das wahre Gesicht der Rechtsextremen durch. Vor kurzem im Fall eines Denkmals für Trümmerfrauen in München. Grünenpolitiker haben den Stein verdeckt, mit der Begründung es sei "Geschichtsklitterung", ein Denkmal, das "Alt-Nazis" gewidmet sei. Die Folge: Morddrohungen.

Stürzenberger erweitert sein Repertoire

Zimperlich geht auch Stürzenberger in seinen Reden an den "Infoständen" nicht mit seinen Mitmenschen um. Wer nur vorbeiläuft und lediglich Fetzen seiner Lautsprecher-Ansagen mitbekommt, merkt das nicht unbedingt. "Er schreibt Muslimen durchtriebene Charaktereigenschaften zu, verurteilt sie pauschal", beschreibt Andreasch das Vorgehen des Mannes. Er provoziere bis zur Eskalation - wenn sich etwa Muslime durch die Beleidungen und Anschuldigungen angegriffen fühlen und sich wehren, nur um dies als weiteren Beleg für seine Unterstellungen zu werten.

Sein Repertoire habe Stürzenberger im Laufe der vergangenen Jahre erweitert. Neben seiner grundsätzlichen Muslim- und Islamfeindlichkeit vertrete der ehemalige Pressesprecher der Münchner CSU inzwischen auch generell rassistische Thesen. In einem Blogbeitrag für PI zieht Stürzenberger über "maximalpigmentierte Einwanderer" in Hamburg her. Unterstellt ihnen pauschal, nur vom "deutschen Rundum-Allesversorger-Sozialparadies-Staat" profitieren zu wollen.

Sollte Stürzenberger im März bei der Kommunalwahl tatsächlich erfolgreich sein, werden derartige Parolen nicht nur als Blog zu lesen sein. Er wird sie wohl auch im Stadtrat vorbringen - so oft er kann. Und wenn es sein muss, bis zur Eskalation.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: