Vor dem SPD-Bundesparteitag:In der Münchner SPD eskaliert der Streit über eine neue große Koalition

Martin Schulz Anstecker im Bundestagswahlkampf 2017

Die SPD zerkriegt sich über die Frage, ob sie Martin Schulz folgen und Gespräche über Koalition mit CDU und CSU gutheißen soll.

(Foto: Catherina Hess)
  • Am Sonntag stimmt der Bundesparteitag der SPD darüber ab, ob Koalitionsverhandlungen mit der Union aufgenommen werden sollen.
  • Die Münchner SPD schickt elf Delegierte. Sieben von ihnen sprechen sich klar gegen Verhandlungen aus, nur Stadtchefin Claudia Tausend ist dafür.

Von Heiner Effern

Anschiss per Anruf, persönliche Gespräche mit unerfreulichem, emotionalen Ende, öffentliche Mitteilungen mit Passagen, die manche als Drohungen auffassen - in der Münchner SPD eskaliert vor dem Bundesparteitag am Sonntag der Streit über das Verhalten ihrer Delegierten bei der Abstimmung über Koalitionsverhandlungen mit der Union. Gruselige Dinge spielten sich parteiintern ab, wie man sie noch nicht erlebt habe, ist zu hören, von politischen, aber auch Drohungen beruflicher Folgen ist die Rede.

Von den elf Abgesandten aus München hatten sieben in der Süddeutschen Zeitung erklärt, Verhandlungen über eine große Koalition abzulehnen. Dafür sprach sich nur SPD-Stadtchefin Claudia Tausend aus. Ihr Vize Roland Fischer zeigte sich unentschieden, die Münchner DGB-Chefin Simone Burger äußerte sich nicht. Ein Nachrücker stand noch nicht fest. Dieses Stimmungsbild ist wenig überraschend: Außer Tausend und Fischer gehören alle anderen Delegierten den Jusos an oder stehen ihnen zumindest nahe. Die Jugendorganisation der SPD gilt als größte Gegnerin einer neuerlichen großen Koalition.

Nun versuchen die Partei-Strategen und Koalitionsbefürworter, die Delegierten mit anderer Meinung einzufangen. Die Stadtratsfraktion appelliert in einer internen Mail eindringlich, dass es keinen Grund gebe, "weitere Verhandlungen abzulehnen". Sie stelle sich ausdrücklich "hinter Martin Schulz". Im Wahlkreis des Bundestagsabgeordneten Florian Post im Münchner Norden lässt sich das interne Ringen aus der jüngsten Pressemitteilung ablesen. "Mit überwältigender Mehrheit" fordert dieser nach einer Versammlung von den Delegierten aus seinem Bezirk, Simone Burger und Tobias Afsali, für Verhandlungen mit der Union zu stimmen.

In dem Schreiben wird den beiden "führenden Vertretern" der Münchner Gewerkschaften die entgegengesetzte Haltung von IG Metall und Gewerkschaftsbund DGB vorgehalten. Einige interpretieren das als Drohung: Wenn ihr nicht spurt, könnte das Folgen für die berufliche Laufbahn haben, die eng mit den Gewerkschaften zusammenhängt. IG-Metall-Mitglied Afsali selbst zeigt sich "befremdet über das Vorgehen des öffentlichen Druckausübens". Er werde sich dem nicht beugen, auch weil er sehr viel Zuspruch erfahre. Innerhalb der IG Metall gebe es keinen Druck, doch ein Klima wie jetzt habe er in der Münchner SPD noch nicht erlebt.

Besonders Florian Post lasse es "extrem an Format fehlen, leider nicht das erste Mal". Der Bundestagsabgeordnete betont, dass jeder Delegierte frei abstimmen könne. In Anspielung auf DGB-Funktionärin Burger sagt er aber auch: "Wer auf dem DGB-Ticket einen Spitzenplatz auf der Stadtratsliste beansprucht, kann das nicht ausblenden, wenn es um eine innerparteiliche Diskussion geht." Die Münchner Delegierten müssten ihre Entscheidung gegenüber der Partei vertreten. Es herrsche schon Druck, das sei wenig überraschend bei der für die Partei existenziellen Frage. Der komme aber eher von den Koalitionsgegnern. Die SPD präsentiere sich mit ihrer "Oppositionssehnsucht" gerade denkbar schlecht, "mich wundert, dass wir noch bei 18 Prozent stehen". Post bestätigte, dass viele in Berlin ein knappes Ergebnis befürchten. Daher werde um jede Stimme gekämpft werden.

"Das kann um 15 Stimmen hin oder her gehen." Auch die Münchner Parteichefin Tausend denkt, dass es sehr knapp werden wird. Telefonate habe sie deswegen aber keine geführt, Druck ausgeübt schon gar nicht. Sie ärgert sich aber über ihre Mandatsträger und Ortsvereinsvorsitzenden, die an einem Parteitag der Oberbayern-SPD wenig Interesse zeigten, im Gegensatz zu den Jusos, die stets stark vertreten seien. Dort werden auch die Münchner Delegierten für den Bundesparteitag mitgewählt, "und die Jusos wählen sich natürlich selbst". Das führe zu einer Schieflage. Sie sei überzeugt, dass keinesfalls 80 bis 90 Prozent der Münchner SPD-Mitglieder gegen die Verhandlungen seien.

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