Vor dem NSU-Prozess:Münchner gegen Nazi-Terror

Am Samstag wollen Tausende Demonstranten in der Münchner Innenstadt an die NSU-Morde erinnern, aber auch an frühere Gewalttaten rechtsextremer Täter. Die Polizei erwartet mehrere Hundert Gewaltbereite bei der Demonstration und bereitet sich auf einen Großeinsatz vor.

Von Florian Fuchs, Bernd Kastner und Christian Rost

Bis zu 5000 Teilnehmer werden bei der Demonstration am Samstag erwartet, die sich anlässlich des NSU-Prozessbeginns "gegen Nazi-Terror und Rassismus" richtet. Ein breites Bündnis aus vorwiegend linken Gruppen, dem sich aber auch SPD und Grüne angeschlossen haben, ruft bundesweit dazu auf. Die Demonstration beginnt um 13 Uhr am Stachus und führt auf einer gut 6,5 Kilometer langen Strecke zum Marienplatz. Für kommenden Mittwoch sind zum Prozessbeginn sieben Kundgebungen angemeldet, die meist direkt vor dem Gerichtsgebäude in der Nymphenburger Straße stattfinden.

"Es muss noch viel getan werden, um diese menschenverachtenden Ansichten zu bekämpfen", sagte Hamado Dipama vom Ausländerbeirat. Er spricht vom Rassismus als Triebfeder für neonazistische Gewalttaten. "Wir müssen laut sein, um diesen Problemen Gehör zu verschaffen." Dipama erinnerte an die mehr als 180 Menschen, die seit 1990 in Deutschland von Rechtsextremisten getötet wurden.

Siegfried Benker, der bis vor kurzem für die Grünen im Stadtrat saß und nun den städtischen Altenheimträger Münchenstift leitet, erwartet als Anmelder der Demonstration "ein buntes Zeichen der Solidarität" mit den Opfern der Mordserie. Als "besonders mutiges Zeichen" wertet er, dass Yvonne Boulgarides am Stachus sprechen will; ihr Mann war 2005 in seinem Laden in der Trappentreustraße erschossen worden, er ist eines von zwei Münchner Opfern der Zwickauer Neonazi-Zelle.

Der Protestmarsch am Samstag führt über Theresienwiese, Bahnhofplatz, Stiglmaierplatz, Königsplatz und Ludwigstraße zum Marienplatz. Es sind mehrere Zwischenkundgebungen geplant. Die Route führt vorbei an Orten, die für die Veranstalter symbolhaft für alten und neuen Nazismus stehen und für das teils scharf kritisierte Agieren von Behörden und Justiz.

In der Schillerstraße kam bei einem Brandanschlag durch Neonazis auf eine Disco 1984 eine junge Frau ums Leben. Auf der Theresienwiese starben 13 Menschen, das Oktoberfest-Attentat gilt vielen noch immer nicht als restlos aufgeklärt. Der Königsplatz diente den Nationalsozialisten als Aufmarschplatz. Am Odeonsplatz hat das Innenministerium seinen Sitz, dem der Verfassungsschutz unterstellt ist, dessen Auflösung viele Gruppen aus dem Protest-Bündnis fordern. Entlang der Demo-Strecke gibt es umfangreiche Halteverbotszonen und Verkehrssperren (Infos dazu im Internet unter www.polizei.bayern.de/muenchen), auch Straßenbahnen und Busse fahren am Samstag nicht wie gewohnt.

Münchner gegen Nazi-Terror

Die Polizei erwartet neben Linksextremisten auch mehrere hundert Gewaltbereite bei der Demonstration. "Wir gehen davon aus, dass mehr Autonome kommen werden als bei der Gegendemonstration zur Sicherheitskonferenz", sagt Einsatzleiter Robert Kopp. Dennoch erwartet der Polizeivizepräsident einen friedlichen Verlauf. "Wir haben keine Hinweise auf Störungen, auch nicht aus dem rechtsextremistischen Lager." Polizei und Bundespolizei setzen am Samstag trotzdem 3000 Beamte ein, weil parallel zur Demonstration der FC Bayern München gegen den 1. FC Nürnberg spielt. Die Partie gilt als "High-Risk-Spiel", es werden 400 gewaltbereite Fans aus Nürnberg erwartet.

Für den Prozessauftakt am Mittwoch sind die Planungen der Polizei noch nicht abgeschlossen. Bisher, berichtet Kopp, gebe es auch dafür keine konkreten Erkenntnisse über Gefährdungen. Auch Gerüchte um Anschlagspläne während des Prozesses wies er zurück. Keine der sieben angemeldeten Kundgebungen für diesen Tag komme aus dem rechtsextremen Lager. Das Campieren und Lagern vor dem Gebäude, um etwa bessere Chancen auf einen Platz im Saal zu haben, hat das Oberlandesgericht verboten.

Auf Wunsch des Gerichts wird die Polizei den Transport der Angeklagten vom Gefängnis ins Strafjustizzentrum übernehmen, Beamte des Präsidiums sollen auch im Gericht zusammen mit den Wachtmeistern für Sicherheit sorgen. Vor dem Gerichtsgebäude wird ein Zelt aufgestellt, damit die Wartenden nicht im Regen stehen müssen. Das Strafjustizzentrum richtet vier Einlasspunkte ein: einen abgeschirmten für die Nebenkläger, einen für NSU-Prozessbesucher, einen für akkreditierte Journalisten und einen für den sonstigen Betrieb im Gebäude.

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