Volkstanz:Besser als Porsche fahren

Michael und Stofferl Well spielen seit bald 50 Jahren zum Tanz auf und geben auch Anleitungen für die richtigen Schritte. Für sie ist der Volkstanz nicht nur entspannend, sondern auch gesellschaftsfördernd - und ein Trumpf bei der Partnersuche

Interview von Franz Kotteder

Michael und Stofferl Well wurden zusammen mit ihrem Bruder Hans als Biermösl Blosn berühmt. Nebenbei spielen die beiden aber von Anfang an auch noch in einer Tanzlmusik mit dem Namen Well-Buam und geben Kurse an Schulen und bei Volkstanzveranstaltungen. Ein Gespräch über den Spaß an der Bewegung zur Musik.

SZ: Wie lange machen Sie eigentlich schon Ihre Tanzlmusik?

Michael Well: Ich kann mich erinnern, dass wir als Kinder schon zum Tanz aufgespielt haben am Lichtmesstag in Kaufbeuren. Wir wurden in Naturalien ausbezahlt, da gab's einen Allgäuer Kaas.

Stofferl Well: Unsere Eltern hatten schon vor mehr als 50 Jahren eine Schrammelmusik. Unser älterer Bruder, der Hermi, hat da schon immer die Tänze vorgetanzt. Insofern hängt das stark mit dem Volkstanz zusammen, dass die Familie Well später auf die Bühne gegangen ist. Aus der Schrammelmusik heraus ist dann unsere Tanzlmusik entstanden, und da spielen wir jetzt seit genau 47 Jahren zusammen.

SZ: Da gehören die Well-Buam ja praktisch schon unter Denkmalschutz gestellt.

Stofferl Well: Genau. Wir warten immer noch auf den Bayerischen Verdienstorden!

SZ: Wie fing das alles genau an?

Michael Well: Eigentlich mit unserem Bruder Berti, der hat mit seinen Lehrerkollegen in einer Tanzlmusi mitgespielt. Und das hat ihm so gefallen, dass er gesagt hat, das mach' ich mit meinen jüngeren Brüdern auch.

Stofferl Well: Es hat sich in der Zeit ja auch der Publikumsgeschmack gewandelt. Die Tanzlmusik ist entstanden, weil die Schrammelmusik nicht mehr zeitgemäß war. Irgendwann war der Groove nicht mehr der Richtige (lacht).

Volkstanz: Zur Musik der Gruppe Hattenhofer Blech drehen sich im Herzkasperlzelt bunte Paare - Hauptsache Spaß und Bewegung, das mit den Schritten passt dann schon.

Zur Musik der Gruppe Hattenhofer Blech drehen sich im Herzkasperlzelt bunte Paare - Hauptsache Spaß und Bewegung, das mit den Schritten passt dann schon.

(Foto: Natalie Neomi Isser)

SZ: Was ist eine Tanzlmusik genau?

Michael Well: Das ist eigentlich die Miniaturausgabe von einer Blasmusik. Mit ein bis drei Melodieinstrumenten, Trompete, Klarinette, Akkordeon und Bass . . .

Stofferl Well: Eigentlich reicht auch ein Akkordeonspieler. Es gibt viele Trachtenvereine, die haben nur einen Ziachspieler, der zum Tanz aufspielt.

Michael Well: Das Akkordeon ist gut einsetzbar im Volkstanz-Guerillakrieg!

Stofferl Well: An der Dancefloor-Guerilla-Szene (lacht)! Das Publikum war immer schon eine eingeschworene, bis an seine Grenzen tanzende Gemeinschaft. Auf der einen Seite waren früher die Trachtler, die überhaupt keinen Volkstanz mitgemacht haben, und auf der anderen Seite die Volkstanzfreunde und die Trachtenverweigerer. Die Trachtler haben die Volkstänze abgelehnt, weil ihnen das, vermute ich mal, zu altdeutsch war, und keine Schuhplattler dabei getanzt werden. Die eignen sich nämlich nicht zum Volkstanzen, weil sie zu schwierig sind und man als Laie oder Volk nicht sofort mitmachen kann. So ein Plattler ist eine hoch athletische und eine hoch artistische Sach'!

Michael Well: Manchmal ist er aber auch eine hoch arthritische (lacht).

SZ: Wie schaut denn so ein Volkstanzabend mit den Well-Buam aus?

Michael Well: Das geht los mit einem Auftanz, einer Art Polonaise, wo jeder ganz problemlos mitmachen kann . . .

Stofferl Well: . . . Die Polonaise ist ja entstanden, weil man die höfischen Tänze imitiert hat. Volk und Adel waren ja nicht nur im Grundbuchamt und beim Essen und Trinken, sondern auch beim Tanzen strikt getrennt. Der Zwiefache war übrigens eine Zeitlang verboten in Bayern, weil dabei die Füße ineinander gekommen sind, und das war der Kirche zu unzüchtig.

Michael Well: Nach dem Auftanz geht's weiter mit den Volkstanzrunden, die immer mit einem Walzer oder einer Polka zum Rauslocken beginnen. Ich stell' mich bei den Figurentänzen in die Mitte und zeige sie vor, dann machen wir es zusammen trocken, also ohne Musik, und dann geht's ab. Wir schauen dann schon, dass bei den Tänzen auch eine Abwechslung ist und nicht alles im gleichen Takt abläuft.

Stofferl Well: So wie in einer Disco halt auch nicht jeder Beat wie der andere ist. Die Volkstänze sind untereinander sehr abwechslungsreich. Wir machen jedesmal abwechselnd eine Runde Herren- und eine Runde Damenwahl. Und am Schluss dann wild durcheinander, wie im Swinger-Club (lacht)!

Volkstanz: So wird's gemacht: Stofferl (links) und Michael Well zeigen Figuren aus der Volkstanz-Praxis.

So wird's gemacht: Stofferl (links) und Michael Well zeigen Figuren aus der Volkstanz-Praxis.

(Foto: Stephan Rumpf)

Michael Well: Es ist wichtig, dass man durchwechselt, dass man die Möglichkeit hat, mit anderen zu tanzen.

Stofferl Well: So mischt sich das Publikum und die Gesellschaft. Da tanzt dann ein Punk mit der Bäuerin, eine Mieterin mit einem Immobilienmakler . . .

SZ: Bei den Well-Buam gibt's ja nicht nur bairische oder deutsche Volkstänze.

Stofferl Well: Es gibt keinen deutschen Volkstanz. Genauso, wie sich die Volksmusik immer vermischt hat mit Einflüssen, die man von irgendwelchen Durchreisenden abgeschaut und abgehört hat, so ist es beim Volkstanz auch. Da gibt's den Webertanz aus Schlesien, es gibt einen Italiener, einen Schottischen, eine Polka, Mazurkas aus Polen, ja sogar einen Rheinländer!

Michael Well: Es gibt alpenländische Volkstänze, die in den verschiedenen Regionen ganz anders getanzt werden. Den Siebenschritt zum Beispiel tanzt man in Südtirol ganz anders als in Bayern. Aber es gibt eigentlich nur ein paar Grundformen: Das sind der Sechsachtelschritt, der Vierviertler und Zwoaviertler und der Dreiviertler. Und die werden halt abgewandelt in verschiedenen Schrittfolgen. Was die Einzigartigkeit der alpenländischen Volkstänze ausmacht: Sie sind leicht zu erlernen. Ein griechischer Sirtaki hingegen hat oft mindestens 14 verschiedene Schritte. Das kannst du nicht so schnell lernen.

SZ: Trotzdem kommen zum Volkstanz immer noch mehr Frauen als Männer, oder?

Michael Well: Ja, viele Männer trauen sich nicht, weil sie unsicher sind. Das ist manchmal erschütternd, wenn man von der Bühne runterschaut und sieht: Da sitzen Madl, und keiner fordert sie auf. Deshalb habe ich eine Woche vor dem Maitanz im Hofbräuhaus einen TWM-Kurs gegeben, einen Kurs für "Tanzwütige Männer".

Stofferl Well: Ich denke, den Madln ist ein Bursch, der tanzen kann, viel lieber als einer, der einen Porsche fährt! Volkstanz ist einfach was Großartiges. Die Melodien sind von einer unglaublichen mozartesken Schönheit. Und wer dazu tanzt, entspannt sich, wird offener und lockerer. Volkstanz ist also wahnsinnig gesund und für jede Gesellschaft extrem wichtig und wohltuend.

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