Vogelschutz:Flechtkunst für Störche

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Richard Straub engagiert sich schon seit knapp 30 Jahren für die Erhaltung von Natur- und Tierwelt. Er ist einer der wenigen Experten, der Horste binden kann

Von Johanna Feckl, Markt Schwaben

Bis zu zwei Meter Durchmesser und ein Gewicht von zwei Tonnen könne so ein Storchenhorst erreichen, sagt Richard Straub. Und das alles auf einer Höhe von etwa 15 Metern. Straub muss es wissen: Der Mann aus Markt Schwaben ist einer der ohnehin wenigen Storchenexperten, die das Handwerk beherrschen, einen Horst zu flechten. In Forstinning im Landkreis Ebersberg stellte er sein Können erst vor kurzer Zeit unter Beweis. Bislang brütete ein Storchenpaar auf dem Kamin des Huberwirts. Als der Abriss des Gasthauses beschlossen wurde, musste ein neues Domizil gefunden werden. Für die Umsiedelung der Störche hat Straub zusammen mit dem Forstinninger Imker Richard Hörl im vergangenen Jahr einen neuen Horst geflochten.

Jetzt dient ein eigens angefertigtes Metallgitter als Horstunterbau und wurde an einen 15 Meter langen Holzmast montiert. Dann ging es ans Flechten mit Weiden- und Haselästen. Drei bis vier Stunden Zeit benötigt eine solche Prozedur. Das Innenleben statteten die beiden Männer zusätzlich mit Stroh aus. Erst mitsamt dem fertigen Horst wurde der Mast mit Hilfe eines Krans aufgerichtet und einbetoniert. Straub und sein Kollege haben die neue Brutstätte bereits einige Monate vor Abriss des Huberwirts aufgestellt, "damit die Störche Zeit zum Umgewöhnen hatten", erklärt Straub. Ihr Plan ist aufgegangen.

Neubau: Früher brütete ein Storchenpaar auf dem Kamin eines Wirtshauses in Forstinning im Landkreis Ebersberg. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Als Storchenexperte ist Straub weit über seinen Landkreis hinaus bekannt. Etwa alle zwei Jahre bringt er sämtliche Horste in der Umgebung in Ordnung, flechtet Nistmaterial wieder sauber ein oder trägt es ab, damit die Nester nicht zu schwer werden. Manchmal gibt es aber auch größere Projekte. In Eitting im Landkreis Erding musste Straub aufgrund der enormen Schieflage des Horstes eine neue Unterlage einbauen, um die Brutstätte zu begradigen. Die Einsturzgefahr sei zu groß gewesen, sagt Straub.

Bereits 28 Jahre lang engagiert sich Straub mit seinem Wissen im Landesbund für Vogelschutz in Bayern (LBV). Seit neun Jahren ist er der Vorsitzende der Kreisgruppe Ebersberg. Seine Leidenschaft für Störche reicht jedoch viel weiter zurück, bis in seine Kindheit. Damals begleitete der heute 64-Jährige seinen Vater manchmal auf dessen Touren als Landbriefträger, als dieser einen bewohnten Storchenhorst entdeckte. "Meine Familie väterlicherseits stammt aus dem ehemaligen Jugoslawien. Da war es ganz normal, dass in jedem Ort mehrere Störche leben", erzählt Straub. Für seinen Vater seien die Vögel mit einem Heimatgefühl verbunden gewesen, sodass er gerade diese Tour besonders gern mochte. Die Faszination seines Vaters hat Straub offenbar stark geprägt. Straubs frühe Tierliebe liegt wohl auch an seinem jüngeren Bruder, der bereits als junger Erwachsener verstarb. "Er litt an progressiver Muskeldystrophie und konnte das Haus nicht verlassen", sagt Straub. Das sei der Grund gewesen, weshalb sie immer Haustiere besaßen: "Damit sich mein Bruder nicht so langweilte." Seine familiären Umstände hielten Straub auch davon ab, sein Interesse an Biologie in einem Studium zu vertiefen. Sein Vater und seine Mutter waren bei der Post beschäftigt, die Pflege seines Bruders kostete viel Geld. "Da war Studieren einfach nicht angesagt", sagt Straub. Nach seiner Ausbildung zum Postboten und einigen weiteren Jahren bei der Post wechselte Straub zur Sparkasse. Seit fünf Jahren ist er im Ruhestand.

Richard Straub vom LBV freut sich über die hohe Teilnehmerzahl bei der Zählaktion. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Viele Jahre engagierte sich Straub in Eigenregie für die Tier- und Pflanzenwelt. Das mag wohl in Zusammenhang mit der niedrigen Toleranzgrenze stehen, die früher noch herrschte. "Als Grüner ist man ziemlich alleine gewesen und wurde sofort als Spinner abgetan", sagt Straub. Heute habe er das Gefühl, mit seinen Anliegen ganz anders wahr- und ernst genommen zu werden. Und trotzdem wollte er auch damals etwas tun. Deshalb begann er, im Alleingang Nistkästen zu bauen und zusammen mit dem im vergangenen Jahr verstorbenen Landwirt Georg Adlberger Biotope anzulegen. Sein Einsatz macht sich bezahlt: Mit Straubs Einwirken sind im Landkreis Ebersberg um die 20 Biotope entstanden.

1994 startete der erste Versuch, wieder Störche anzusiedeln. Die Wahl des Ortes fiel auf Markt Schwaben. Da flocht Straub zum ersten Mal einen Horst. Und das mit Erfolg. Über die Jahre sind 40 Jungstörche aus dem Nest ausgeflogen. Vor drei Jahren allerdings habe ein zu neugieriger und unachtsamer Arbeiter die Vögel vertrieben. Über eine Dachluke sei der Mann zum Horst gekrochen. So wurde es Straub erzählt. Wegen dieser Störung habe das Storchenpaar ihr Domizil verlassen und das, obwohl sie bereits brüteten. "Das war einer der stärksten Rückschläge in meiner Naturschutzarbeit. Es wird sehr schwer werden, dort wieder Störche anzusiedeln."

Aber warum überhaupt so viel Engagement für den Natur- und Tierschutz? Straub sagt, dass er nur in der Natur völlig zur Ruhe kommen könne. Als er als junger Mann in den Münchner Stadtteil Haidhausen zog, sei ihm dies schmerzlich bewusst geworden. "Ich habe das dort einfach nicht ausgehalten. Mir hat der weite Blick gefehlt!" Nach einem Jahr kehrte er wieder zurück nach Markt Schwaben. "Die Natur gehört nun einmal zu uns Menschen, das ist unsere Kultur", begründet Straub seinen Einsatz. "Wenn jemand die Bavaria an der Theresienwiese sprengen würde, dann wäre das schlimm, aber man könnte sie wieder aufbauen. Eine ausgestorbene Tierart bleibt aber ein für alle Mal tot."

© SZ vom 26.04.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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