Viertel-Stunde:Die Straße zum Erfolg

Viertel-Stunde: Eine besondere Adresse: die Adele- Hartmann-Straße.

Eine besondere Adresse: die Adele- Hartmann-Straße.

(Foto: Catherina hess)

Adele Hartmann war die erste Frau im Deutschen Reich, die habilitiert wurde. Heute trägt eine Straße ihren Namen

Von Berthold Neff

Eine kleine Straße mit sechs Hausnummern ist es nur, aber benannt nach einer großen Persönlichkeit - nach Adele Hartmann, die 1918 als erste Frau im Deutschen Reich die Habilitation erlangte, also die Lehrbefähigung für Hochschulen. Als Adele Caroline Auguste Hartmann am 9. Januar 1881 in Neu-Ulm zur Welt kam, konnte niemand mit einer solchen Karriere rechnen. Der Vater, ein Offizier, widersetzte sich sogar ihrem Wunsch, das Abitur abzulegen. Sie musste damit bis zur Volljährigkeit warten und bestand dann 1906, mit immerhin schon 25 Jahren, am Ludwigsgymnasium die Abiturprüfung. Eine Berufsausbildung hatte sie da schon, 1898 erwarb sie am Max-Joseph-Stift den Lehrerinnenabschluss für Französisch und arbeitete dann zwei Jahre lang als Erzieherin in Großbritannien. Nach ihrer Rückkehr schaffte sie auch noch die Prüfung als Englischlehrerin.

Aber eigentlich wollte sie Ärztin werden. Bis 1899 war es Frauen verboten, Medizin, Zahnmedizin oder Pharmazie zu studieren. Der Münchner Anatomieprofessor Theodor von Bischoff suchte wissenschaftlich zu beweisen, dass Frauen dieses Studium schon körperlich nicht schaffen könnten. O-Ton Bischoff: "Die Beschäftigung mit dem Studium und die Ausübung der Medicin widerstreitet und verletzt die besten und edelsten Stellen der weiblichen Natur, die Sittsamkeit, die Schamhaftigkeit, Mitgefühl und Barmherzigkeit, durch welche sich dieselbe vor der männlichen auszeichnet."

Das Königreich Bayern erlaubte Frauen den Zugang zum Medizinstudium dennoch früh, 1903. Adele Hartmann nutzte die Chance 1906 und bestand am 19. Dezember 1911 die medizinische Staatsprüfung, die Approbation erlangte sie am 20. Dezember 1912. Schon im Jahr darauf, nunmehr als Assistentin an der Anatomischen Anstalt für Histologie und Embryologie tätig, legte sie ihre Dissertation mit dem Titel "Zur Entwicklung der Bindegewebsknochen" ab. Dann begann sie die Arbeit an ihrer Habilitationsschrift, und am 20. Dezember 1918 - der Kaiser hatte vor Kurzem abgedankt - hielt sie ihre Antrittsvorlesung. Sie war dann als Privatdozentin tätig, ihre Forschung galt vor allem der Nierenentwicklung und der Wirkung von Röntgen- und Kathodenstrahlung auf Organismen. 1927, Jahre nach ihrem Sieg über die verkrustete Gesellschaft, brauchte sie neue Kraft, nun für den Kampf gegen den Brustkrebs. Sie nahm eine Auszeit, wurde 1932 Konservatorin der Anatomischen Anstalt. Aber die Krankheit kam wieder, am 15. Dezember 1937 starb sie in München mit 56 Jahren.

2002 wurde die kleine Straße in der Nähe des Klinikums Großhadern nach ihr benannt. Von hier aus könnte sie durchs Grüne zu den Instituten radeln. An der Ludwig-Maximilians-Universität, an der sie 84 Jahre zuvor allen Frauen eine neue Welt erschloss, gibt es heute das Adele-Hartmann-Programm. Es fördert die Berufung herausragender Professorinnen - von Frauen wie Adele Hartmann.

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