Viertel-Stunde:Den Verstorbenen lauschen

Viertel-Stunde: Blumengeschmücktes Grab auf dem Waldfriedhof.

Blumengeschmücktes Grab auf dem Waldfriedhof.

(Foto: Catherina Hess)

Bei ihrer Führung über den Waldfriedhof lässt Christa Bühl vom Münchner Begräbnisverein via Kassettenrekorder Stimmen von berühmten Toten durch die Bäume schallen

Von Jana Heigl

Die Baumwipfel bewegen sich sacht im Wind, die Sonnenstrahlen drängen sich durch die Äste. Sie hinterlassen ein spinnennetzartiges Muster auf dem weichen Waldboden. Wären da nicht die schmalen, goldenen Plättchen am Stamm, die sich hinter den Blättern der Bäume verstecken, dann könnte man meinen, man wäre hier ganz allein.

Ist man aber nicht, denn zu Füßen der Bäume liegen die sterblichen Überreste von Zehntausenden Menschen. Die Riesen im neuen Teil des Waldfriedhofs geben rund 26 000 Münchnern im Schatten ihrer Zweige ein Zuhause für die Ewigkeit. Geht man weiter in den Wald hinein, verzweigen sich Feldwege und Trampelpfade zu einem riesigen Netz von 60 Kilometern. Da kann man sich leicht verlaufen. Man kommt an Gräbern vorbei, die von wilden Blumen und Gräsern erobert wurden. Frische Schnittblumen in einem satten Dunkelrosa zieren ein anderes Grab. "Viele der Gräber sind gut gepflegt", sagt Christa Bühl, die für den Münchner Begräbnisverein Führungen durch die Münchner Friedhöfe anbietet. "Das wundert mich immer auf den großen Friedhöfen." Groß ist ein gutes Stichwort. Neben den 26 000 Baumgräbern gibt es hier noch 63 000 normale Gräber - und es ist noch Platz.

Das riesige Areal des Waldfriedhofs bietet auch Raum für die Gräber, die ebenso schön wie beklemmend sind. Kleine bunte Windräder reflektieren die Sonne. Die Wiese, auf der sie stehen, ist gespickt mit bemalten Steinen, Kuscheltieren und Blumen. Schneckenförmig winden sich die kleinen Gräber totgeborener Säuglinge und zu früh verstorbener Babys bis zu dem See, der den Mittelpunkt des neuen Teils des Waldfriedhofs bildet.

Die Ruhe hier wird nur selten gestört, etwa wenn die Gärtner im Transporter vorbeifahren. Menschen sitzen auf den Bänken, genießen den Frieden. Nur bei der Führung kann es schon mal lauter werden. Zum Beispiel, wenn Christa Bühls Ehemann Hermann einen Kassettenrekorder aus der Stofftasche zieht und die Stimmen der vielen berühmten Verstorbenen durch die Bäume schallen lässt. "Wenn die das wüssten", sagt eine Teilnehmerin, "die würden sich freuen!"

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