Videoüberwachung:Stadt zahlt mit

Die Stadt trägt einen Teil der Kosten für die Installation von Überwachungskameras auf dem Orleonsplatz in Haidhausen. Eine Herzensanegelegenheit Udes: Marodierende Junkies stören im Wahlkampf.

Susi Wimmer

"Ich kann mir das nur ganz schwer vorstellen", hatte Barbara Scheuble-Schaefer noch vor drei Wochen erklärt. Schwer vorstellen konnte sie sich, dass die Stadt München gemeinsam mit der Polizei eine Video-Überwachung des Haidhauser Orleansplatzes finanzieren würde.

Überwachungskamera, Videoüberwachung, Foto: ddp

Anfang 2007 sollen am Orleonsplatz drei schwenkbaren Videokameras installiert werden.

(Foto: Foto: ddp)

In der Vollversammlung an diesem Mittwoch wird die SPD-Stadträtin freilich gar nicht erst um Zustimmung gebeten: Der Stadtrat darf lediglich zur Kenntnis nehmen, dass das Kreisverwaltungsreferat (KVR) in Eigenregie 40 000 Euro für die drei Kameras auf den Tisch legen wird, die Anfang 2007 in Haidhausen in Betrieb gehen.

Herzensangelegenheit Udes

Das treibt wiederum die Grünen auf die Palme . "Für soziale Arbeit ist kein Geld da", wettert Fraktionschef Siegfried Benker, "aber für soziale Kontrolle schon."

Nach Informationen der Süddeutschen Zeitung ist die Installation von Videokameras auf dem Orleansplatz und auch die Finanzspritze der Stadt quasi eine Herzensangelegenheit des Oberbürgermeisters.

"Die Polizei hat jetzt um unseren Beitrag gebeten", bestätigt ein Sprecher des KVR, "und der OB hat entschieden, dass wir ihn leisten."

Wie berichtet, hatte sich der Platz vor dem Ostbahnhof im Sommer zu einem Treffpunkt von bis zu 50 Menschen aus diversen Szenen entwickelt.

Polizei hat Lage nicht mehr im Griff

"Wohnungsflüchter, Alkoholiker, Drogenabhängige", zählt Stefan Schraut von der Polizei auf. Pöbeleien, Alkoholkonsum, freilaufende riesige Hunde, öffentliches Urinieren, jede Menge Ladendiebstähle und Begleitkriminalität im Viertel, blutige Schlägereien, Drogenhandel - die Polizei hatte die Lage nicht mehr im Griff.

Nach Tätlichkeiten unter den Szenemitgliedern herrschte plötzlich tiefer Friede, sobald die Polizei auftauchte. "Anwohner, Geschäftsleute und Passanten waren mehr als beunruhigt", sagt Gerhard Stern von der Abteilung Verbrechensbekämpfung am Polizeipräsidium, "wir waren mit unseren Maßnahmen aber am Ende", meint Schraut. Selbst die Streetworker seien dort an ihre Grenzen gestoßen.

Anfang 2007 soll das Problem nun mit Hilfe von drei schwenkbaren Videokameras gelöst werden, die ihre Bilder direkt in die Verkehrszentrale im Polizeipräsidium senden.

"Damit können wir Pöbeleien im Ansatz erkennen, aggressive Täter überführen und Aufenthaltsverbote ausspechen", erklärt Schraut. Gleichzeitig will man die hohe Streifenpräsenz aufrechterhalten. "Das wird für bestimmte Personen auf dem Platz auf die Dauer unbequem", rechnet Schraut und hofft, dass sich diese "davontrollen". Aber wohin?

Dem Stadtrat bleibt nur noch die Kenntnisnahme

Möglicherweise auf einen anderen Platz, "jedoch sicher nicht in dieser geballten Formation wie jetzt auf dem Orleansplatz". Schraut glaubt gar, dass nur dank der Videokameras die Arbeit der Streetworker wieder möglich sein wird.

"Erst der Orleansplatz, dann der Pasinger Bahnhofsplatz, dann die Münchner Freiheit" - der Grüne Siegfried Benker befürchtet, dass Polizei mit finanzieller Unterstützung der Stadt München ihre "Überwachungsmaßnahmen" noch ausweiten wird.

Ursprünglich war vorgesehen, dass sich das Sozialreferat an der Finanzierung beteiligen solle. "Dass das Sozialreferat dann soziale Randgruppen überwachen lässt und dafür bezahlt, wäre wohl das falsch Signal gewesen", meint Benker.

Auf seine Intervention hin wird sich nun das KVR alleine um die Finanzen kümmern. Er plädiert dafür, den Menschen am Orleansplatz niederschwellige Hilfe im Ostbahnhof-Untergeschoss anzubieten: Für eine solche "Rückzugsmöglichkeit" sei das Geld sinnvoller angelegt.

Dass die Stadt zahlen wird, steht fest. Den Stadträten lag Ende November eine Beschlussvorlage von Kreisverwaltungsreferent Wilfried Blume-Beyerle vor.

Darin ist zu lesen, dass das KVR alleine über die Erforderlichkeit von Videoüberwachungen befinden und über die Kostenbeteiligung entscheiden könne: "Über eine Videoüberwachung auf dem Orleansplatz wird demnach in eigener Zuständigkeit der Verwaltung (. . .) eine Entscheidung getroffen werden." Die Stadträte können dies also heute nur noch zur Kenntnis nehmen.

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