Video-Überwachung:Der große Bruder am Stachus

Mit digitalen Kameras geht die Polizei von nun an auf Verbrecherjagd am Hauptbahnhof und am Karlsplatz - probeweise. Das 280.000 Euro teure Projekt wird von Grünen und Datenschützern heftig kritisiert.

Von Christian Rost

Nach Modellversuchen in Regensburg und Nürnberg ist nun also München an der Reihe: Drei Kameras, so teilte Polizeipräsident Wilhelm Schmidbauer gestern Oberbürgermeister Christian Ude und den Mitgliedern des Kreisverwaltungsausschusses mit, bringen die Beamten am Gebäude der Deutschen Bahn am Bahnhofplatz/Ecke Arnulfstraße sowie am Haus Bayerstraße 21, dem C&A-Haus, an.

Zudem beobachtet künftig eine Videokamera den Stachus vom Königshof aus. Schildern weisen auf die Überwachung hin. Bei den hochauflösenden digitalen Kameras, die Gesichter in Fotoqualität heranzoomen können, handelt es sich um die ersten, die die Polizei eigenständig in der Stadt betreibt. Bereits installierte Kameras dienten im wesentlichen der Verkehrsüberwachung.

Die Polizei betreibt diesen "Modellversuch", wie Schmidbauer es nannte, zunächst zwölf Monate. Dann soll Bilanz gezogen und diskutiert werden, ob sich der Einsatz der 280000 Euro teuren Technik überhaupt in der Kriminalstatistik bemerkbar macht. Die Maßnahme begründet das Polizeipräsidium damit, dass gerade der Bahnhofplatz und der Stachus als "gefährliche Orte" gelten.

So wurden 2001 am Bahnhof 251 Straftaten angezeigt, im Vorjahr waren es bereits 391. Ähnlich stellt sich die Situation am Stachus dar: Die Zahl der Straftaten stieg in diesem Zeitraum von 188 auf 209 an.

Kritik an der Überwachungsaktion weist Schmidbauer zurück: Lückenlos und flächendeckend sei dies weder geplant noch gewollt. Die Kameras stellten lediglich eine "ergänzende Maßnahme zur Verhütung und Aufklärung von Verbrechen dar". Insbesondere Rohheitsdelikte wie die zunehmende Zahl von Körperverletzungen, der Rauschgifthandel aber auch Diebstähle oder Sexualdelikte sollen mit der Überwachung verhindert beziehungsweise aufgeklärt werden.

Sieben Tage will die Polizei die aufgezeichneten Bilder im Computer speichern, dann sollen sie, falls strafrechtlich nicht relevant, automatisch gelöscht werden. Trotz aller Möglichkeiten herrschen auch in den Reihen der Polizei zum Thema Videoüberwachung unterschiedliche Meinungen vor. Ein Einsatzleiter sagte am Dienstag zur SZ: "Das ist sicher sinnvoll, aber für 280000 Euro wären mir in Zeiten des Sparens ein paar Beamtemehr lieber gewesen."

Der Fraktions-Chef der Grünen im Rathaus, Siegfried Benker, kritisiert das Vorgehen der Polizei als einen "Einstieg in eine neue Qualität der Überwachung". Benker vermutet gar, die Polizei wolle eine "Überwachungsachse" vom Hauptbahnhof über das Isartor bis zum Ostbahnhof schaffen. Dies sei, so der Stadtrat, eine schleichende Ausweitung der polizeilichen Befugnisse.

Zu weit geht die nach dem Polizeiaufgabengesetz verfügte Videoüberwachung, die Innenminister Günther Beckstein (CSU) in einer Art Festakt am 18. Mai selbst in Betrieb nehmen will, auch dem Datenschutzbeauftragten des Freistaats, Reinhard Vetter. Er hatte im Innenministerium gefordert, dass die Kameras wenigstens keine Gesichter auf Fotogröße heranzoomen können. Das Ministerium lehnte diese Art der Selbstbeschneidung jedoch ab.

Hinsichtlich der Bedenken Benkers zu einer flächendeckenden Überwachung beteuert das Polizeipräsidium: An solche Pläne könne derzeit schon aus finanziellen Gründen nicht gedacht werden.

Die Polizei beginnt am 18. Mai in München mit der Videoüberwachung von öffentlichen Plätzen. Begleitet von Protesten insbesondere seitens der Grünen, installieren die Fahnder am Bahnhofsplatz und am Stachus insgesamt drei Kameras, um die dort grassierende Kriminalität einzudämmen. Bedenken des bayerischen Datenschutzbeauftragten gegen dieses Projekt wurden dabei nicht berücksichtigt.

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