Verwaltungsgericht:Weitere Niederlage für Befürworter der Stolpersteine

Die Klage scheitert, weil sich das Verwaltungsgericht nicht zuständig sieht. Die Kläger geben nicht auf und wollen die nächste Instanz anrufen

Von Ekkehard Müller-Jentsch

Es bleibt beim Verbot für Stolpersteine: Drei Nachfahren von Münchner Juden, die den Verbrechen des NS-Regimes zum Opfer gefallen sind, hatten am Dienstag mit ihren Klagen gegen die Stadt keinen Erfolg. Das Verwaltungsgericht sieht sich im Streit über die mit Messingplaketten versehenen Steinwürfel nämlich gar nicht zuständig. Denn hier gehe es in Wirklichkeit nicht um das öffentlich-rechtliche Problem der Sondernutzung von kommunalen Gehwegen. Vielmehr wollten die Kläger Stolpersteine in städtischem Boden versenken. Hier sei also die Stadt in ihrer Rolle als Grundstückseigentümerin angesprochen. Dazu müsse mit der Kommune ein privatrechtlicher Vertrag ausgehandelt werden. Und sollten sich Kläger und Stadt dabei nicht einigen können, sei dann das Amtsgericht zuständig, sagen die Richter.

Wie sehr der Streit über die Stolpersteine die Münchner spaltet, zeigte eine kleine Gruppe von Demonstranten, die am Morgen vor dem Gerichtseingang mit Plakaten gegen diese Form des Gedenkens protestierte. Sie teilte die Meinung der Israelitischen Kultusgemeinde, dass mit solchen Gedenksteinen auf dem Trottoir die Opfer ein zweites Mal mit Füßen getreten würden, und prangerten deshalb die Klagen gegen den Stadtratsbeschluss an.

Emotionen zeigten im Sitzungssaal auch die Kläger, die sehr bewegend von ihren ermordeten Angehörigen berichteten, die sie mit mahnenden Stolpersteinen vor deren früheren Wohnhäusern in der Mauerkircher-, Hess- und Corneliusstraße ehren wollen. Sie betrachten ihre Stolpersteine als Teile eines Gesamtdenkmals für alle Naziopfer: Es gibt europaweit bereits etwa 55 000 Steine, in etwa 1000 deutschen Städten sowie in 300 weiteren Kommunen in anderen europäischen Staaten. Allein in Bayern haben sich schon mehr als 70 Städte und Gemeinden entschieden, Stolpersteine zu genehmigen.

Der Münchner Stadtrat hat dagegen für eine andere Formen des Gedenkens gestimmt, etwa mit Stelen vor oder Gedenktafeln an den früheren Wohnhäusern der Opfer. Das halten die klagenden Angehörigen jedoch nicht für realisierbar: Etwa 4500 Stelen seien viel zu teuer, und bei Gedenktafeln an Hausmauern scheitere man zumeist am Veto der Immobilieneigentümer. Die ablehnende Haltung der Stadt erscheint den Klägern als unverständlich: In München gebe es doch schon andere Denkmäler, die im Boden eingelassen sind, etwa die Blätter der "Weißen Rose" vor der Universität.

Der Vorsitzende Richter Thomas Eidam machte später in der Urteilsbegründung deutlich, dass die Kammer keineswegs zu bewerten hatte, welche Form des Gedenkens optimal sei. Zur Prüfung habe nur die Frage gestanden, ob die Entscheidung der Stadt gegen die Stolpersteine rechtlich in Ordnung war. Dies sei der Fall: München habe völlig korrekt im Rahmen der Selbstverwaltung darüber bestimmt, "was im öffentlichen Raum stattfindet".

Rechtsanwalt Hannes Hartung, der die drei Kläger vertritt, hatte solch eine Entscheidung nicht erwartet. Das Gericht "hat sich gedrückt", meinte er. Für die Kläger will der Anwalt auf jeden Fall Berufung beim Bayerischen Verwaltungsgerichtshof beantragen. Zugleich wolle man aber auch versuchen, mit der Stadt nun einen privatrechtlichen Vertrag auszuhandeln: "Wir wollen jetzt zweigleisig fahren."

Verwaltungsgericht: Kläger Thomas Nowotny und Christof Eberstadt (rechts) mit Stolpersteinen; Anwalt Hannes Hartung.

Kläger Thomas Nowotny und Christof Eberstadt (rechts) mit Stolpersteinen; Anwalt Hannes Hartung.

(Foto: Catherina Hess)

Der Journalist Terry Swartzberg, der seit fünf Jahren für die Stolperstein-Initiative spricht, mahnte nach dem Urteil erneut das verfassungsrechtliche "Recht auf individuelles Gedenken" an. Die Stadt habe kein Recht, ihnen in die Gehwege eingelassene Erinnerungstafeln zu verbieten.

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