Vermietung zum Oktoberfest:Weder recht noch billig

Vermietung zum Oktoberfest: Der Vermieter der jungen Frau weiß nichts davon, dass die Mieterin in seiner Wohnung in Haidhausen regelmäßig gegen Bezahlung Fremde beherbergt.

Der Vermieter der jungen Frau weiß nichts davon, dass die Mieterin in seiner Wohnung in Haidhausen regelmäßig gegen Bezahlung Fremde beherbergt.

(Foto: Catherina Hess)

Es kann die Kündigung bedeuten, doch das ist vielen egal: Während der Wiesn stellen viele Münchner ihre Mietwohnung Besuchern aus aller Welt zur Verfügung - und verlangen dafür mitunter 800 Euro pro Nacht.

Von Lena Liebau

37 Quadratmeter, liebevolle Dekoration in Rosa. Bestlage in München, nur wenige U-Bahnhaltestellen bis zur Theresienwiese. In der Wohnung der 29-jährigen Jennifer Schmitt (alle Namen von Mietern geändert) würde manch einer gerne residieren, besonders zur Wiesn. Und das kann man auch - für 200 Euro pro Nacht. Jennifer Schmitt ist Nutzerin der umstrittenen Internetplattform Airbnb, auf der private Wohnungen zur kurzzeitigen Miete angeboten werden. Für den von ihr festgelegten Preis lässt sie bis zu drei Personen bei sich übernachten. Regelmäßig packt sie ihre Koffer und übergibt ihre Mietwohnung wildfremden Menschen, sie schläft dann bei Freunden oder bei ihrer Familie in Erding.

Übernachtungsmöglichkeiten während des Oktoberfests sind so begehrt, dass es für eine private Unterkunft in einer guten Lage keine Preisgrenzen zu geben scheint. Bis zu 800 Euro werden zur Wiesnzeit für Wohnungen auf der Website Airbnb pro Nacht verlangt - obwohl bei solchen privaten Vermietungen oft massenlagerähnliche Zustände herrschen. So bietet ein Nutzer beispielsweise ein 21 Quadratmeter großes Zimmer für bis zu sechs Personen an. In einem günstigen Hostel nimmt man das sicher in Kauf, doch was rechtfertigt die hohen Preise für private Unterkünfte?

Nach Jennifer Schmitts Ansicht ist die persönliche Atmosphäre ein Vorteil gegenüber Hotels. Sie legt ihren Gästen Reiseführer bereit und gibt Tipps zu Restaurants und Sehenswürdigkeiten. Per Handy sei sie für ihre Gäste immer erreichbar, sagt Schmitt. Es erscheint ihr keineswegs seltsam, ihre vier Wände mit sämtlichen Habseligkeiten Fremden zu überlassen.

Trotz anfänglicher Bedenken haben sich auch Nadine Huber und Philipp Graf vor einiger Zeit dafür entschieden, ihre Wohnung in der Au auf Airbnb zu inserieren. Im Unterschied zu Schmitt vermieten die beiden 25-Jährigen nur ihr Gästezimmer. Einschränken müssen sie sich für ihre Gäste kaum, da diese ohnehin tagsüber unterwegs sind und auch die Küche kaum nutzen. Während der Wiesn ist die Nachfrage so groß, dass sie den Preis verdreifachen - auf 150 Euro pro Nacht. Nadine Huber und Philipp Graf sind durchaus vorsichtig bei der Auswahl ihrer Gäste. Aus Angst, dass etwas in ihrer Wohnung beschädigt wird, akzeptieren sie nur Buchungen von Paaren oder einer Einzelperson.

Auch heuer ist Schmitt während der Wiesen wieder ausgebucht. Sie erwartet unter anderem drei Männer Mitte 30 aus Tel Aviv, die für eine ganze Woche bleiben wollen. "Da spielt Geld scheinbar keine große Rolle." Wie die anderen Angebote auf der Website zeigen, kann man auch deutlich mehr Verdienst herausschlagen.

Die Angestellte in der Logistikbranche nutzt Airbnb als gelegentlichen Nebenverdienst. Der größte Gewinn springt für sie natürlich zur Wiesnzeit heraus, wenn sie den Preis von regulär 89 Euro auf 200 Euro erhöht. "Da herrscht einfach zwei Wochen Ausnahmezustand. Warum sollte ich davon nicht profitieren?", sagt sie. Auf die Idee kam die 29-Jährige im vergangenen Jahr, als sie wegen einer Krankheit die Wiesn nicht besuchen konnte. Also machte sie aus der Not eine Tugend und inserierte erstmals ihre Wohnung in Haidhausen, die auch außerhalb der Saison bei Touristen gefragt ist. Im Verlauf des vergangenen Jahres mieteten sich 15 Gäste bei ihr ein; sie blieben jeweils mindestens drei Tagen.

Airbnb Said to Be Raising Funding At $10 Billion Valuation

Das 2008 in San Francisco gegründete Unternehmen vermittelt über 800 000 Inserate in 190 Ländern.

(Foto: Andrew Harrer/Bloomberg)

Über das Betragen ihrer Besucher kann Jennifer Schmitt nicht klagen, bisher sei nichts demoliert worden. Allerdings bekam sie einmal einen Beschwerdebrief wegen Lärmbelästigung. "Da waren drei junge, feierwütige Italiener hier", erzählt Jennifer Schmitt, "seitdem achte ich mehr darauf, welche Anfragen ich annehme." Nadine Huber und Philipp Graf berichten von Schmutz, den einige Gäste hinterlassen haben. Aber das nähmen sie in Kauf - immerhin wandert der Verdienst direkt in ihre Urlaubskasse. "Wir sind finanziell nicht darauf angewiesen, unser Gästezimmer zu vermieten. Aber wir möchten uns eben ab und zu etwas leisten, zum Beispiel einen Urlaub", erklärt Nadine Huber.

Allerdings: Jennifer Schmitt, Nadine Huber und Philipp Graf könnten ziemlichen Ärger bekommen, wenn ihr Vermieter oder die Stadt von der Untervermietung Wind bekommt. Das wissen sie auch, deshalb wollen sie nicht mit ihrem richtigen Namen in der Zeitung stehen. Bernhard Stocker vom Haus- und Grundbesitzerverein München erklärt, dass die wiederholte, gewinnerzielende Überlassung der Privatwohnung vom Mietvertrag nicht gedeckt ist. Sie entspreche nicht den "mietrechtlich berechtigten Interesse". Dieses Interesse sei das Wohnen, nicht der Gewinn. Wenn die Wohnung zum Wirtschaftsgut werde, liege eine Zweckentfremdung vor. Das kann die Kündigung zur Folge haben - und Bußgeldbescheide von der Stadt.

Schwierige Recherche

Airbnb ist wie Wimdu oder 9flats eine Onlineplattform zur Vermietung von Privatwohnungen. Die Stadt München definiert die Nutzung "für Zwecke der Fremdenbeherbergung" als "Tatbestand der Zweckentfremdung". Da die Räume für Wohnzwecke und nicht als Gewerbe registriert sind, entgehen der Stadt hohe Summen an Steuergeldern. Auch Hotelbetreiber fürchten um ihre Einnahmen. 2013 konnte die Stadt Zweckentfremdungen in 159 Münchner Wohnungen feststellen. Doch auf Airbnb sind in München über 1000 Inserate verzeichnet. In den meisten Fällen kann eine Zweckentfremdung nicht nachgewiesen werden, da verdeckte Ermittlungen unzulässig sind. Mitarbeiter der Stadt dürfen sich also nicht als potenzielle Kunden ausgeben, um Informationen zu erhalten. Wenn der Vermieter informiert ist, liegt zwar kein Verstoß gegen das Mietrecht vor, der Tatbestand der Zweckentfremdung bleibt allerdings bestehen. leli

Eine städtische Satzung bezeichnet das, was Schmitt, Huber und Graf tun, als "Tatbestand der Zweckentfremdung". Das ist allerdings schwer nachzuweisen. Das Sozialreferat gibt an, dass kurzfristige Vermietungen von jeweils weniger als drei Monaten Dauer über den Zeitraum von mindestens einem Jahr dokumentiert werden müssen. Die Recherche ist schwierig, denn Plattformen wie Airbnb schützen die Kontaktdaten der Nutzer akribisch. Erst nach vollzogener Buchung kann man diese einsehen.

Der Vermieter von Jennifer Schmitt weiß nichts davon, dass seine Mieterin regelmäßig gegen Bezahlung Fremde beherbergt. Sie mag dabei nichts Widerrechtliches erkennen. "Ich könnte ja genauso gut Freunde zu Besuch haben", sagt sie. Indes wertet sie es als unzulässig, die Wohnung zeitweise zu einem Massenlager umzufunktionieren. In diesem Fall hat sie Verständnis dafür, dass den Mietern die Kündigung ins Haus flattert. Schmitt gibt an, nur höchsten drei Besucher auf einmal einzuquartieren.

Der Großteil ihrer Gäste sind junge Rucksacktouristen, sie kommen aus aller Welt. Viele haben nach dem Besuch Kommentare unter Jennifers Schmitts Airbnb-Inserat getippt. "Sie konnte uns wertvolle Tipps geben, sodass die Wiesn 2013 für uns einmalig war", lobt zum Beispiel eine Ex-Kurzzeitbewohnerin.

Jennifer Schmitt selbst nutzt Airbnb übrigens auch - schon öfter habe sie in privaten Wohnungen in den USA übernachtet. Im Juni dieses Jahres hat sie sich in Nizza bei Fremden eingemietet. Von dem Geld, das sie während der Wiesn einnehmen wird, plant sie bereits ihren nächsten Urlaub, es soll nach Barcelona gehen. Die Unterkunft ist schon gebucht - bei Airbnb natürlich.

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