Verleihung der MTV-Awards in München:Alle heiligen Hip-Hopper

Beim Fest für die MTV-Awards wird es laut in der Olympiahalle - da wollen die Münchner Clubs natürlich in Nichts nachstehen.

Christian Rost

Das Plakat, das derzeit an den Reklamewänden in München hervorsticht, wirbt für eine Veranstaltung an Allerheiligen. Es zeigt einen Mann in Lederhose mit zwei kessen Damen im Arm, die drei haben es sich auf der Rückbank einer Limousine bequem gemacht.

Verleihung der MTV-Awards in München: Rapper Snoop Dogg erwartet einen "völlig ausgeflippten" Abend in München.

Rapper Snoop Dogg erwartet einen "völlig ausgeflippten" Abend in München.

(Foto: Foto: Stephan Rumpf)

Das Wort "Volksmusik" steht darüber geschrieben, und dies trifft es durchaus, wirbt das Plakat doch für eine Musiksendung. Zwar nicht für eine mit volkstümlichem Charakter, all das Jungvolk dieser Welt fühlt sich aber durchaus angesprochen davon.

Bei dem Herrn handelt es sich um den Hip-Hop-Musiker Snoop Dogg, wie die Damen heißen, ist unbekannt. Mister Dogg wird jedenfalls am morgigen Donnerstag in der Olympiahalle die Sendung moderieren, in der der Musikkanal MTV seine Europe Music Awards, also seine jährlichen Preise vergibt.

Es handelt sich um eine ziemlich schrille Veranstaltung: So manche Songs, die zur Aufführung kommen, sollten erst für Leute jenseits von 18 Jahren hörbar sein, fordern Kritiker. Und so mancher Künstler, der auftritt, ist selbst von zweifelhaftem Ruf.

Auch der Moderator, der wegen diverser strafbarer Handlungen, illegalen Waffenbesitzes etwa, immer wieder vor Gericht steht. Kürzlich musste er in Kalifornien zur Buße Parks reinigen.

Da Dogg wegen seines Rufs auch Probleme beim Einchecken an Flughäfen haben soll, wie die FAZ es herausgefunden hat, grenzt es beinahe an ein Wunder, wenn er's überhaupt nach München schafft.

Bürgermeisterin Christine Strobl liest solche Klatschgeschichten aber vermutlich gar nicht, sie freut sich lieber über die Werbewirkung für München: 130 Millionen Haushalte sähen sich am Donnerstag die große MTV-Show an, jubelt das Rathaus.

Strobl allerdings sollte sich beim städtischen Empfang am Mittwoch für den Hip-Hopper und die MTV-Leute schon etwas in acht nehmen: Dogg sprach zuletzt nämlich ständig davon, dass er einen "völlig ausgeflippten" Abend in München verbringen wolle. Und wer weiß, ob er damit nicht schon im Rathaus anfängt.

Während die Stadtspitze also keinerlei Furcht vor den Künstlern zeigt, herrscht beim Erzbischöflichen Ordinariat Bauchgrimmen. MTV ist den Kirchenvertretern für Allerheiligen eindeutig zu wild - und zu laut.

Schon die Auswahl des Publikums für die Show gibt einen Vorgeschmack auf die zu erwartende Attacke auf die Hörnerven: 100 Münchner, die sich in einem Casting durch besonders lautes Schreien hervortaten, stehen in der Olympiahalle in der ersten Reihe. Das Ordinariat konnte nicht anders, als Protest gegen den MTV-Zirkus einzulegen (wie berichtet).

Die Stadt entschied sich dennoch dafür, das Feiertagsverbot ausfallen zu lassen. Die Begründung ist mit größter Sorgfalt formuliert: "Auf Grund der Einmaligkeit des Ereignisses, welches in 169 Länder übertragen wird und seiner damit internationalen Bedeutung für die musikalische Jugendkultur und das positive internationale Image der Landeshauptstadt, der Nichtverschiebbarkeit auf Grund langfristiger, von regionalen Überlegungen unabhängiger Planungen, nicht zuletzt aber auch der Sicherstellung, dass öffentliche Störungen Feiertagskonform vermieden werden, wurde somit eine Befreiung vom Verbot gemäß Art. 5 Feiertagsgesetz erteilt."

Alle heiligen Hip-Hopper

Für die Kirche ist das doppelt bitter, weil seit einigen Jahren der Allerheiligentag schon von einer anderen amerikanischen Mode bedrängt wird: den Halloween-Partys. Auch in der Nacht zum Donnerstag laden wieder eine ganze Reihe "Freakshows" in die Münchner Clubs zum Tanzen, Trinken und Gruseln ein.

Laut Kreisverwaltungsreferat (KVR) gibt es wieder jede Menge Sondergenehmigungen für die Lokalitäten, in denen eigentlich Tanz- und Musikverbot herrschen müsste. Daneben, so erfuhr die SZ am Dienstag, haben auch die Clubs, die im Fahrwasser der MTV-Show Partys feiern wollen, Ausnahmegenehmigungen erhalten.

Michael Kern, Betreiber des Pacha, hatte der Stadt sogar mit einer Klage gedroht, wenn er am 31.Oktober, seinem "zweitumsatzstärksten Tag im Jahr", die Musik hätte abstellen müssen. Schließlich hatten alle möglichen Plattenfirmen, die wegen des MTV-Awards in die Stadt kommen, Tische bei ihm bestellt.

Kern sah München bereits "zur Schlafstadt" verkommen, konnte sich dann aber wieder versöhnlich geben, als auch er vom KVR grünes Licht für Allerheiligen bekam. Die Auflagen, für die Party nicht groß Werbung zu machen und für die Gäste einen diskreten Seiteneingang zu benutzen, ließen sich leicht erfüllen, sagt Kern.

Da der MTV-Award nicht nur den Münchner Clubs hübsche Einnahmen beschert, steht die Kirche mit ihrem Unmut über die Feiertagsausnahmen letztlich ganz alleine da: Die Direktoren der Luxushotels jubeln ebenfalls über das Spektakel und erzählen jedem Journalisten, der es wissen will, was man eigens für die Künstler in die Minibars der Suiten stellt. Dabei wurde bekannt, dass all die Doggs, Babyshambles und Mikas gar nicht so wild sind, wie es immer heißt. Vor allem "Wasser" wünschten die Gäste zu trinken.

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