Verkehr:Wenn Lebensretter im Stau stecken bleiben

Notarztwagen des ASB in München, 2012

Ein Rettungswagen des Arbeiter-Samariter-Bunds unterwegs in München. Viele Retter beklagen, der immer dichter werdende Verkehr bremse sie aus.

(Foto: Robert Haas)

Der dichte Verkehr in München macht Hilfsorganisationen zu schaffen - genauso wie die Rücksichtslosigkeit vieler Autofahrer.

Von Marco Völklein

"Natürlich", sagt Roland Dollmeier, der Geschäftsleiter des Rettungszweckverbands München, "natürlich spüren unsere Leute die zunehmende Dichte im Verkehr." Immer mehr Autos auf den Straßen, immer dichtere und längere Staus - "es ist extrem schwierig, sich trotz Blaulicht und Martinshorn einen Weg durch das Verkehrsgeschehen zu bahnen."

Der Rettungszweckverband plant und organisiert die Versorgung mit Rettungswagen in der Stadt und im Landkreis München. Konkrete Zahlen oder Daten, die seinen Befund belegen, kann Dollmeier jedoch nicht nennen.

Wer sich aber bei verschiedenen Hilfsorganisationen umhört, der bekommt relativ rasch ein eindeutiges Bild. Das "Bauchgefühl" vieler Mitarbeiter zeige, dass das Durchkommen immer schwieriger werde, sagt Gerhard Bieber von den Johannitern. Und auch Reimund Wagenseil, Betriebsleiter beim Anbieter MKT-Krankentransport, erläutert, dass es für seine Leute "immer mühsamer" werde. Das liege zum einen an der "zunehmenden Dichte durch immer mehr Fahrzeuge auf den Straßen", wie er sagt.

Zum anderen an der "zunehmend egoistischen Rücksichtslosigkeit auch Einsatzfahrzeugen gegenüber". So seien seine Krankentransporter, also Fahrzeuge, die meist ohne Sondersignale unterwegs sind, an Vormittagen bis zu dreimal länger unterwegs als vor wenigen Jahren. Auf "Blaulichtfahrten" treffe dies zwar nicht zu, diese verliefen dennoch "entsprechend zäher" als vor einiger Zeit noch.

Tatsächlich hat sich die Staudichte in den vergangenen Jahren in München erhöht, wie Zahlen des Navigationsgeräteherstellers Tomtom zeigen. Sofern der Nutzer dies gestattet, senden die Geräte regelmäßig Daten zur Staulage an einen zentralen Rechner. Fachleute in Amsterdam lesen diese Daten aus und errechnen so den jährlichen, durchschnittlichen Stauindex.

An der Isar hat sich der Wert von 24 Prozent im Jahr 2008 über 27 Prozent im Jahr 2013 auf zuletzt 29 Prozent im vergangenen Jahr gesteigert. Wer in München eine Stunde im Auto unterwegs ist, der benötigte also 2015 im Durchschnitt 17 Minuten länger als er bräuchte, wenn der Verkehr stets reibungslos fließen würde. Zu den Hauptverkehrszeiten beträgt die Verzögerung gegenüber den staufreien Zeiten sogar durchschnittlich 31 Minuten.

Die Eintreffzeiten der Helfer allerdings hätten bislang unter dem immer dichter werdenden Verkehr nicht gelitten, beruhigt Rettungsdienst-Organisator Dollmeier. In Bayern schreibt das Gesetz vor, dass der Rettungsdienst binnen zwölf Minuten am Einsatzort sein muss. In München werde dieses Ziel in 95 bis 97 Prozent der Fälle erreicht. "Wir haben damit ein sehr hohes Niveau", sagt Dollmeier.

Dies werde aber unter anderem nur gehalten, weil die Helfer das Netz aus Rettungswachen und dort stationierten Rettungswagen stets neu justieren. "Wir bringen zusätzliche Fahrzeuge auf die Straße", sagt Dollmeier. So seien bis zu 40 Rettungswagen täglich im Einsatz, einige davon auch "on the fly" - nicht fest in einer Wache stationiert; vielmehr halten sie sich an zentralen Plätzen auf, um von dort rasch zum Notfall zu eilen.

Zudem würden die Standorte von Rettungswachen immer wieder hinterfragt, hin und wieder verlegt oder die Einsatzzeiten eines Standortes ausgedehnt, etwa von einem Zwölf- auf einen 18- oder 24-Stunden-Betrieb. "Der Aufwand, den wir treiben", sagt Dollmeier, "ist enorm."

Info

Unter dem Titel "Rettung hat Vorfahrt" befasst sich auch das SZ-Verkehrsparlament mit dem Thema. Die Diskussion beginnt am Donnerstag, 23. Juni, um 19 Uhr im Raum "Chiemsee" beim TÜV-Süd, Westendstraße 199. Teilnehmen werden der Psychologe Ulrich Chiellino, der Polizist Markus Jerger sowie der Notarzt Stephan Prückner.

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