Verkehr in München:Tram durch den Englischen Garten: "Katastrophenstimmung" in der CSU

Der Alleingang von Ministerpräsident Seehofer düpiert Münchens CSU-Chef Spaenle.

Von Stefan Mühleisen und Frank Müller

Für Alleingänge und halsbrecherische Kurswechsel ist der Ministerpräsident berühmt, das weiß man auch und gerade in der Münchner CSU. Die jüngste Trambahnwende aber, die CSU-Chef Horst Seehofer jetzt vollzog, als er nach jahrzehntelanger Debatte plötzlich einer Straßenbahnquerung durch den Englischen Garten zustimmte, ist selbst für Seehofers Verhältnisse ungewöhnlich.

Das liegt vor allem an den Abläufen: Am Donnerstag verkündete Seehofer sein Ja zur Gartentram völlig überraschend bei einem Treffen mit Oberbürgermeistern, darunter dem Münchner Dieter Reiter, in der Staatskanzlei. Die Münchner CSU jedoch, die seit vielen Jahren diese Trambahnpläne massiv bekämpft, hatte Seehofer nicht nur nicht eingeweiht.

Er überließ es auch dem SPD-Mann Reiter, den Wechsel zu verkünden. So kam es, dass gestandene Münchner CSU-Größen wie Bezirkschef Ludwig Spaenle oder Bürgermeister Josef Schmid über eine SPD-Presseerklärung erfahren durften, was sie künftig zu denken haben.

"Katastrophenstimmung" herrsche nun bei den Münchnern, heißt es in der Partei. Die Frage, wie gezielt Seehofer solche Nadelstiche gegen die Münchner CSU und vor allem gegen deren Chef Spaenle setzt, beschäftigt die Partei immer nachhaltiger. Zumal der weitere Ablauf des Geschehens nicht zur Entspannung beiträgt. Seehofer tauchte nach seiner Wende erst einmal ab, redete offenbar weder mit der Münchner CSU noch mit seinem Finanzminister Markus Söder, der als Hausherr im Englischen Garten keine unwichtige Rolle spielt.

Und dass Reiter all dies kommunizieren durfte, als wäre er Seehofers Sprecher, war offensichtlich auch kein Zufall, wie im Nachgang klar wurde. Seehofer habe sich ausdrücklich einverstanden gezeigt, dass Oberbürgermeister Reiter die Trambahnwende öffentlich macht.

Offenbar ist Seehofer der Meinung, dass der Wechsel vom abgaslastigen Bus zur elektrisch betriebenen Tram in die Zeit und vor allem in die Schadstoffdebatte passt. Da allerdings hat Spaenle eine gänzlich andere Meinung. "Ich als der zuständige Ressortminister", sagt Spaenle, zu dessen Verantwortung als Kultusminister auch der Denkmalschutz gehört, "werde meine Hand zu diesem Plan nicht reichen."

Spaenle spricht von "einer hochproblematischen Lage" in dem Park, der sowohl dem Landschafts- als auch dem Denkmalschutz unterliege. Dass es im Grunde egal sei, ob dort ein Bus oder eine Tram fährt, weil jedes Verkehrsmittel eine Schneise brauche, will der Kultusminister nicht gelten lassen. Es gebe Pläne, die Straße zu verschmälern, die Trambahn sei mit ihren Gleisen dagegen ein viel gravierenderer Einschnitt.

Spaenle musste sich von Seehofer zuletzt bei der Rückkehr zum neunstufigen Gymnasium oder bei seiner Auseinandersetzung mit CSU-Fraktionschef Thomas Kreuzer gleich mehrmals vorführen lassen. Und er hat seinen Landtagsstimmkreis direkt am Englischen Garten, den er 2013 nur sehr knapp gewann - er muss also fürchten, dass sich enttäuschte Parkfreunde von der CSU abwenden, was Spaenle durchaus sein Landtagsmandat kosten könnte.

Vielleicht auch deswegen versucht Spaenle nun Seehofer bei der Ehre zu packen. Der Freistaat habe "eine besondere Schutzfunktion für einen der schönsten und wichtigsten Landschaftsparks der Welt". Wenn Seehofer sich darüber nun hinwegsetze, werde dies auch für andere Grundeigentümer ein Präzedenzfall, nicht so schonend mit ihrem Grund und Boden umzugehen.

Ein hoch umstrittenes Thema ist die Tram seit vielen Jahren auch an der Basis. Sollte es zum Schwur kommen, würde es im örtlichen Bezirksausschuss wohl ein Patt geben - oder eine knappe Mehrheit für die Trasse. Dabei stehen die Reihen der Christsozialen fest hinter Spaenle, der noch immer Mitglied in dem Bürgergremium ist. Die Grünen sind hingegen auf Tram-Linie; ebenso die meisten in der SPD-Fraktion, die so wie OB Reiter die Straßenbahn wollen.

Pikant ist jedoch, dass ausgerechnet jener SPD-Mann, der das Gremium führt, Werner Lederer-Piloty, sowie sein Frau Petra Piloty, gerne öffentlich und laut gegen das Projekt argumentieren. Als "Zerstörung eines Gesamtkunstwerks von internationaler Bedeutung", bezeichnet Lederer-Piloty die Tram-Pläne. Der Gleiskörper, so zeigt er sich überzeugt, werde "wie ein Rasiermesser den Englischen Garten brutal zerteilen". Die Trambahn zerschneidet also nicht nur die CSU.

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