Verkehr:Eltern haften doch für ihre Kinder

Ein Vierjähriger knallt mit seinem Rad gegen ein Auto - wer zahlt? Das Landgericht München hat entschieden.

Ekkehard Müller-Jentsch

Wenn ein Kleinkind auf dem Gehweg radelt, muss eine Aufsichtsperson in direkter Nähe sein, um im Notfall unmittelbar eingreifen zu können. So hat es das Amtsgericht München festgestellt und eine Mutter rechtskräftig verurteilt, den Schaden zu bezahlen, den ihr vierjähriger Filius an einem geparkten Wagen verursacht hat.

Verkehr: Die Verkehrssicherheit von Kindern im Straßenverkehr - ein heikles Thema.

Die Verkehrssicherheit von Kindern im Straßenverkehr - ein heikles Thema.

(Foto: Foto: AP)

Sprüche wie "Eltern haften für ihre Kinder" kleben regelmäßig an Deutschlands Zäunen. Viele Menschen glauben, was da steht. Doch es ist schlichtweg falsch: Nicht Eltern haften, sondern die Kinder selbst, allerdings je nach Alter. Kinder unter sieben Jahren sind aus dem Schneider, wenn bei Tante Trude mal die Kaffeekanne zu Bruch geht.

Und für den Straßenverkehr hat der Gesetzgeber die Siebenjahresgrenze gar auf zehn Jahre angehoben. Denn jüngere Kinder können speziell die besonderen Gefahren des fließenden Verkehrs noch nicht einschätzen.

Ausschlaggebend: Die Aufsichtspflicht

Wenn ein Kind jedoch ein parkendes Auto mit dem Roller, Kickboard oder Kinder-Radl streift, gilt: Im Alter zwischen sieben und achtzehn Jahren haften Kinder, wenn sie die nötige "Einsichtsfähigkeit" besitzen (ein dehnbarer Rechtsbegriff). Eltern haften also nicht automatisch für alles, was ihre Sprösslinge anrichten, sondern nur, wenn sie ihre "Aufsichtspflicht" verletzt haben.

Und genau das war der Knackpunkt in diesem Rechtsstreit. Die Mutter des Vierjährigen hatte sich darauf berufen, dass der Unfall "unvermeidbar" gewesen sei. Passiert war folgendes: Der Kleine war mit seinem Radl auf dem Gehweg der Schleißheimer Straße in Richtung der geparkten Autos gefahren. Dort war er abgerutscht und gegen einen MercedesC190 geprallt.

Dabei wurde ein vorderer Kotflügel, das vordere Einstiegsblech, Zierstäbe und ein Schriftzug beschädigt. Die Reparaturkosten in Höhe von 827,95 Euro hatte der Halter von der Mutter verlangt. Als diese nicht zahlen mochte, klagte er vor dem Amtsgericht.

Die Richterin gab ein unfallanalytisches Gutachten in Auftrag, um festzustellen, ob der Unfall tatsächlich - wie behauptet - unvermeidbar gewesen sei. Der Sachverständige kam zu dem Ergebnis, dass eine in unmittelbarer Nähe gehende Aufsichtsperson durch sofortiges Eingreifen den Unfall hätte vermeiden können: "Die Zeitspanne zwischen dem Abbiegen des Buben in Richtung Auto und der Kollision war groß genug."

Die Richterin meint deshalb, dass die Mutter ihre Aufsichtspflicht verletzt habe. Dabei sei es egal, ob sie sich zu weit von dem Kind entfernt aufgehalten, die Situation falsch eingeschätzt hatte oder nur unaufmerksam gewesen war. "Auch die Behauptung, ihr Sohn sei im Umgang mit dem Kinderfahrrad geübt, entbindet sie nicht davon, die Fahrt zu beobachten", meinte die Richterin. "Tut sie es nicht, verletzt sie ihre Aufsichtspflicht."

Das Landgericht München I hat die Berufung gegen dieses Urteil zurückgewiesen - damit ist es rechtskräftig (Aktenzeichen:332C27974/05).

Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: