Verkehr der Zukunft:Wie die Stadt die Luftverschmutzung in den Griff bekommen will

Verkehr der Zukunft: Dieter Reiter posiert auf dem UPS-Lastenfahrrad. Er saß nur kurz bequem: Nach ein paar Metern Fahrt kippte das Rad nach vorne. Der OB blieb unverletzt.

Dieter Reiter posiert auf dem UPS-Lastenfahrrad. Er saß nur kurz bequem: Nach ein paar Metern Fahrt kippte das Rad nach vorne. Der OB blieb unverletzt.

(Foto: City2Share)
  • Die Stadt steht vor der Herausforderung, die Luftverschmutzung einzudämmen.
  • Damit weniger Lastwagen durch das Glockenbachviertel fahren, wird dort ein neues System zur Paketverteilung getestet.
  • Die CSU präsentiert außerdem die Idee, dass Elektroautos in München kostenlos parken können.

Von Dominik Hutter und Andreas Schubert

Den Verkehr und die Luftverschmutzung in den Griff zu bekommen, ist eine der größten Herausforderungen der Stadt. Ob weitere Fahrverbote kommen, ist noch offen. Es mehren sich aber alternative Überlegungen, wie sich der motorisierte Verkehr zumindest eindämmen ließe. Am Donnerstag startete im Glockenbachviertel ein Versuch, verschiedene Angebote für abgasfreie Mobilität zu bündeln. Am Karl-Heinrich-Ulrichs-Platz haben die Stadtwerke eine MVG-Leihradstation aufgestellt, nächsten Mai folgt dort eine Ladestation für Elektroautos.

Schon jetzt gibt es dort eine Verteilstation für Pakete, um den motorisierten Lieferverkehr zu reduzieren. Die funktioniert so: Morgens liefert ein Lastwagen einen großen Container, von dem aus Boten mit dem Rad oder Elektromobil die Pakete zu den Kunden bringen. Etwa 300 Lieferungen schaffen die Mitarbeiter pro Tag - in einem Umkreis von 800 Metern. Dadurch spart sich UPS zwei Lastwagen ein. Größere Pakete müssen allerdings nach wie vor mit dem Laster ausgeliefert werden. Weitere Stationen finden sich am Zenettiplatz und am Kidlerplatz. Der noch in UPS-Braun lackierte Container soll bald umgestaltet werden. Dazu läuft derzeit ein Designwettbewerb.

Der Versuch läuft im Rahmen des Forschungsprojekts "City2Share", an dem zehn Kooperationspartner beteiligt sind, unter anderem die Landeshauptstadt, BMW, der Carsharing-Anbieter DriveNow, die Stadtwerke München und eben UPS. Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) sagte am Donnerstag bei der Eröffnung der Verteilstation, bei den Bemühungen um eine saubere Luft sei er froh, "was zum Anfassen präsentieren zu können". Der stetig zunehmende Lieferverkehr müsse der Stadt zu denken geben. Das Modell von City2Share sei ein einfacher und schnell wirksamer Weg.

Auch an Zenetti- und Kidlerplatz sowie am Goetheplatz wollen die Stadtwerke Mobilitätsstationen aufstellen. Neu im Programm sind dann auch Pedelecs zum Ausleihen sowie Pumpstationen für die Fahrräder. Georg Dunkel, Leiter der Verkehrsplanung bei der Stadt, sieht im Glockenbachviertel einen ersten Schritt, der künftig auch in anderen Vierteln realisiert werden kann, zum Beispiel im Neubaugebiet Domagkpark im Münchner Nordosten.

Für dort gebe es Überlegungen, wie man die "letzte Meile" bündeln könne, wie man also ein Paket-Verteilzentrum für mehrere verschiedene Lieferunternehmen einrichten könne. Konkret ist das aber noch nicht. Fest steht, dass die Stadt die Bürger bei der Umgestaltung des öffentlichen Raums nicht übergehen will. So wird das Planungsreferat bei Bürgerwerkstätten Vorschläge von Anwohnern sammeln.

Noch bevor OB Reiter die Verteilstation eröffnet hatte, präsentierte sein Stellvertreter Josef Schmid (CSU) seine Ideen, wie man den Verkehr in München modernisieren könne. Um den bisher eher schleppend verlaufenden Kauf von Elektroautos anzuschieben, will er deren Besitzern das kostenlose Parken am Straßenrand ermöglichen. Damit die Technologie vorankommt, benötigten E-Auto-Fahrer "Privilegien", forderte Schmid gemeinsam mit Hans Hammer vom Wirtschaftsbeirat.

Schmid beruft sich auf das Elektromobilitätsgesetz der Bundesregierung, mit dem Kommunen Ausnahmeregelungen ermöglicht werden, um die Elektromobilität zu fördern: Denkbar wären demnach neben dem Entfall von Parkgebühren auch Ausnahmegenehmigungen für das Befahren von Busspuren oder von für den Individualverkehr gesperrten Straßen, auch Durchfahrtsverbote könnten ignoriert werden. Schmid will sich aber auf die kostenlosen Parkplätze konzentrieren, nach Auskunft der MVG kämen in München lediglich zwei Busspuren für Elektro-Extrawürste infrage.

"Es wird Zeit, dass wir uns in München stärker anstrengen"

Der Vorstoß fürs kostenlose E-Auto-Parken soll demnächst von der CSU-Fraktion offiziell in den Stadtrat eingebracht werden. Finden sie eine Mehrheit, müssten die Fahrer von Elektroautos in den Lizenzzonen der Innenstadt nicht mehr die Parkuhren füttern, sondern dürften ihren Wagen abseits der allein für Anwohner reservierten Straßen einfach abstellen. Parkhäuser werden freilich weiterhin Geld kosten, sie gehören privaten Betreibern.

Schmid will damit zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen: Einerseits will er die E-Mobilität fördern, die angesichts der hohen Stickstoffdioxidbelastung die Technologie der Zukunft sei. Andererseits will er verhindern, dass durch rigide Lösungen wie Dieselfahrverbote die Stadt lahmgelegt wird. "Die zentrale Aussage lautet: Haltet uns die Mobilität offen", sagte Schmid.

Mobilität sei eine der "ganz großen Nervenbahnen der Münchner Wirtschaft". In anderen Städten sei das Gratisparken für Elektroautos bereits Alltag. "Es wird Zeit, dass wir uns in München stärker anstrengen." Schmid lobte das von der Stadt initiierte Förderprogramm für Elektromobilität, das besser laufe als erhofft. Statt der angepeilten 100 neuen Ladestationen kämen die Stadtwerke in diesem Jahr auf 150. Und auch in den beiden kommenden Jahren werde man die Zielzahl von jeweils 100 auf 150 erhöhen können.

Unentbehrlicher Bestandteil moderner Mobilität ist für Schmid auch der öffentliche Nahverkehr, den es ebenfalls intensiv zu fördern gelte. Schmid erneuerte die Forderung der CSU nach einem S-Bahn-Nordring. Wichtig sei auch eine Neugestaltung der sogenannten standardisierten Bewertung, mit der das Kosten-Nutzen-Verhältnis bei Nahverkehrsprojekten errechnet wird. Dieses komplizierte Modell, von dem abhängt, ob staatliche Zuschüsse für neue Nahverkehrstraßen fließen, müsse an die Bedürfnisse der Gegenwart angepasst werden.

Negativbeispiel für Schmid ist die nach dem alten Muster vorgenommene Rechnung für die Verkehrsanbindung des neuen Viertels Freiham: Hier schnitt die U-Bahn schlecht ab, obwohl sie viermal mehr Menschen aus dem Auto zum MVV locken könne als eine Tram. Hintergrund sei eine Überbewertung der Baukosten, die zugegebenermaßen sechsmal so hoch seien wie bei einem oberirdischen Gleis. Nur: Es gelte eben auch, den Nutzen für die Lebensqualität in der Stadt zu berücksichtigen. Für so etwas sei im aktuellen Bewertungsverfahren kein Raum.

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