Verhaftete Hebamme:Mordermittler rätseln über Motiv

Lesezeit: 2 min

Nach der Verhaftung einer Hebamme wegen vierfachen versuchten Mordes im Kreißsaal befragt die Polizei weiter Zeugen und hat nun auch ein medizinisches Gutachten in Auftrag gegeben. Beim Klinikum Großhadern melden sich zahlreiche besorgte Frauen.

Von Stefan Handel und Susi Wimmer

Nach der Verhaftung einer Hebamme wegen vierfachen versuchten Mordes haben sich bis Freitagnachmittag 21 Frauen bei der vom Klinikum Großhadern eingerichteten Telefon-Hotline gemeldet. Der Hebamme wird vorgeworfen, während vier Kaiserschnitt-Operationen den Patientinnen heimlich das Blutverdünnungsmittel Heparin verabreicht und sie dadurch in akute Lebensgefahr gebracht zu haben. Sie wurde am vergangenen Freitag verhaftet, die Mordkommission ermittelt.

Hebamme in München verhaftet
:Versuchter Mord bei der Geburt

Vier Mütter und ihre Neugeborenen kämpften um ihr Leben: Eine Hebamme soll im Münchner Klinikum Großhadern vier Frauen im Kreißsaal ein blutverdünnendes Medikament in hoher Dosis verabreicht haben. Nun ermittelt die Mordkommission.

Bislang liegt das Motiv der 33 Jahre alten Frau völlig im Dunkeln. Die Kripo befragt weiter Zeugen und die früheren Arbeitgeber und hat medizinische Gutachten in Auftrag gegeben bezüglich der Heparin-Gaben. Die Hebamme hatte kurz nach ihrer Festnahme alle Vorwürfe bestritten und dann auf Anraten ihrer Anwältin geschwiegen. Die Frau, die in Kiel und Hessen als Hebamme tätig war, hatte laut Klinikum einen einwandfreien Ruf. Sie galt als kompetent und engagiert, hielt auch Partnerabende für Gebärende ab. Gleichzeitig galt sie als introvertiert und lebte zurückgezogen im Süden von München.

Uwe Hasbargen, Leiter der Geburtshilfe in Großhadern, beantwortet persönlich die Anrufe bei der Hotline. Er sagt, die Anruferinnen ließen sich in fünf Gruppen einteilen: Frauen, die in Großhadern entbunden haben, dabei unter starken Blutungen litten und nun wissen wollten, ob die verhaftete Hebamme mit ihnen zu tun hatte - diese Frage konnte Hasbargen in allen Fällen verneinen. Sodann Frauen mit normalen Geburten, die dennoch wissen wollten, ob die Geburtshelferin dabei war.

Mordversuche im Kreißsaal
:"Alles getan, was in unserer Macht stand"

Die beschuldigte Hebamme galt als äußerst engagiert: Nach den Mordversuchen im Klinikum Großhadern zeigen sich die Verantwortlichen geschockt. Das Krankenhaus hat nun eine Hotline für Patientinnen eingerichtet.

Von Susi Wimmer und Florian Fuchs

Ihnen kann der Arzt aus Datenschutzgründen keine Auskunft geben, versucht sie aber mithilfe der Patientenakte zu beruhigen. Sodann Patientinnen, die bei einer Hebamme einen Geburtsvorbereitungskurs gebucht haben und nun wissen möchten, ob das denn die verhaftete sei. Ihnen schickt Hasbargen das verpixelte Bild, das in Boulevardzeitungen veröffentlicht wurde. Schließlich Frauen von außerhalb Münchens, die bei ihrer Geburt stark geblutet haben - das könnte für den Staatsanwalt interessant werden, dann nämlich, wenn sich herausstellt, dass es schon in früheren Arbeitsverhältnissen der Hebamme zu Auffälligkeiten kam. Bislang hat sich aber kein solcher Treffer ergeben.

Und zuletzt die Frauen, die in den nächsten Tagen in Großhadern entbinden wollen und sich nun Sorgen um ihre Sicherheit machen. Mit ihnen führt Hasbargen die längsten Gespräche - und erklärt ihnen zum Beispiel, dass die Klinik ihre Prozesse vor und während der Operation verkompliziert und damit verbessert hat, indem die bislang übliche Arbeitsteilung aufgehoben wurde und nur mehr eine Person für Zubereitung und Verabreichung einer Injektion zuständig ist.

Andere große Geburtskliniken spüren bislang keinen Effekt durch den Vorfall in Großhadern. Übereinstimmend jedoch betonen Ärzte des Dritten Ordens und der Taxisklinik, wie sehr sie die Arbeit ihrer Kollegen in Großhadern schätzen - und dass es gegen kriminelle Energie keinen 100-prozentigen Schutz gebe.

© SZ vom 26.07.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: