Vergewaltigung:Verdrängtes Verbrechen

240 Vergewaltigungen werden jährlich in München angezeigt. Die Dunkelziffer betrage jedoch das Zehn- bis Zwanzigfache, erklären die Veranstalter der Kampagne "2000 plus 3 - gegen Vergewaltigung". Zwei Drittel aller Vergewaltigungen passieren im persönlichen Umfeld, 90 Prozent der Täter sind Partner, Verwandte und Bekannte.

Von Claudia Wessel

85 Prozent aller Taten geschehen in der Wohnung des Opfers oder des Täters. Jede siebte Frau zwischen 20 und 59 Jahren wird ein Mal im Leben Opfer von Vergewaltigung.

Nicht jeder ist bereit, diesen Tatsachen ins Auge zu sehen. Diese Erfahrung machten die Veranstalter während der ein Jahr lang dauernden Kampagne. Gesucht wurden 2003 Männer, die sich mit ihrer Unterschrift öffentlich gegen Vergewaltigung engagieren sollten.

Beim Sammeln der Unterschriften erlebten die zusammen arbeitenden Organisationen, der Frauennotruf und das Münchner Informationszentrum für Männer (MIM) die unterschiedlichsten Reaktionen. "Wir erlebten erschreckend viel Desinteresse, ängstliche Distanz und offene Ablehnung", so Sigurd Hainbach. "Wir wissen, dass dies auch Reaktionen sind, mit denen die Opfer konfrontiert werden."

Auch merkwürdige Vorbehalte fanden sich beim "Mann auf der Straße": "Wenn ich da unterschreibe, stehe ich ja wie ein Täter da." "Ihr glaubt doch nicht, dass sich durch ein paar Unterschriften etwas ändern wird." "Männer sind eben aggressiver." "Man weiß ja nie, sagt sie Nein, weil sie es geil findet, genommen zu werden, oder weil sie es ernst meint." Viele Männer mit prominentem Namen wollten zwar unterschreiben, jedoch nicht in der Öffentlichkeit genannt, nicht mit dem Thema Vergewaltigung in Zusammenhang gebracht werden. Insgesamt wollten 500 der 2200 Männer, die unterschrieben haben, dies nur unter Ausschluss der Öffentlichkeit tun.

Doch es gab auch viele prominente Männer, die ihren Namen gerne für die Kampagne hergaben. Einer von ihnen ist der Bandleader Hugo Strasser, der auch zur Abschluss-Pressekonferenz im Rathaus gekommen war. "Was mir seit ewigen Zeiten auffällt", erklärte der Musiker, "ist, dass die Bedeutung eines Männerverbrechens an einer Frau zu leicht genommen wird. Man sollte Täter viel mehr mit wirklicher Verachtung strafen, es sie spüren lassen, wie sehr man ihre Tat verabscheut. Die kommen oft viel zu leicht davon und brüsten sich noch damit am Stammtisch."

Die Kampagne war bundesweit die erste Veranstaltung gegen Vergewaltigung, die gemeinsam von einer Frauen- und einer Männerorganisation veranstaltet wurde. Die Veranstalter beklagen allerdings geringe Spendenbereitschaft. Nur 5400 Euro kamen zusammen.

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