Verfassungsschutz:Salafisten werben Flüchtlinge an

Münchner Hauptbahnhof, 2014

Auch am Münchner Hauptbahnhof verbreiten Radikale offenbar ihre Propaganda.

(Foto: Alessandra Schellnegger)
  • Radikale Salafisten betreiben ihre Propaganda jetzt offenbar auch gezielt in der Nähe von Flüchtlingsunterkünften.
  • Der bayerische Verfassungschutz bestätigt jetzt einen entsprechenden Bericht des Bayerischen Rundfunks.
  • Ex-Bundesinnenminister Friedrich bezeichnet die unkontrollierte und unregistrierte Einreise von Flüchtlingen aus Ungarn als "beispiellose politische Fehlleistung" der Bundesregierung.

Salafisten versuchen nach Erkenntnissen des Verfassungsschutzes gezielt, Flüchtlinge anzuwerben, darunter auch Jugendliche. Dem bayerischen Landesamt seien derartige Fälle bekannt, erklärte ein Sprecher und bestätigte einen entsprechenden Bericht des Bayerischen Rundfunks.

"Salafisten versuchen dabei, auch unbegleitete junge Flüchtlinge anzusprechen, die ohne ihre Familien in unser Land kommen und in besonderer Weise nach Anschluss und Unterstützung suchen", sagte der Sprecher. Dies geschehe vor allem im Umfeld von Flüchtlingsunterkünften, vereinzelt aber auch auf dem Münchner Hauptbahnhof, wo in den vergangenen Tagen Tausende Flüchtlinge ankamen.

Zielgruppe seien junge Menschen, die sich in Krisensituationen befänden und nach Anschluss, Orientierung und Unterstützung suchten. "Die Hilfsbedürftigkeit von Flüchtlingen wollen Salafisten gezielt für ihre Zwecke ausnutzen und missbrauchen", erklärte der Sprecher.

Aufruf auf Facebook

Ein bundesweit bekannter salafistischer Prediger habe auf seinem Facebook-Profil offen dazu aufgerufen, gezielt auf Flüchtlinge zuzugehen und diese für die salafistische Szene zu gewinnen. Der Prediger gebe dafür auch ganz konkrete Handlungsempfehlungen. Der Salafismus ist eine religiöse und politische Bewegung im Islam, die nur von einer kleinen Minderheit der Muslime getragen wird.

Salafisten lehnen westliche Demokratien ab und sehen eine "islamische Ordnung" mit islamischer Rechtsprechung, der Scharia, als einzig legitime Staats- und Gesellschaftsform an. Der Salafismus ist derzeit die am schnellsten wachsende islamistische Gruppierung.

Die Behörden warnen vor der Bewegung: Der Verfassungsschutz sieht die Übergänge zwischen politischem und dschihadistischem Salafismus als fließend an.

Friedrich kritisiert Einreise von Flüchtlingen aus Ungarn

Die Entscheidung, Flüchtlinge aus Ungarn unkontrolliert und unregistriert ins Land zu lassen, sei "eine beispiellose politische Fehlleistung" der Bundesregierung und werde "verheerende Spätfolgen" haben, sagte Unionsfraktionsvize Hans-Peter Friedrich (CSU) der Passauer Neuen Presse. Trotz aller menschlich anrührender Gesten, die die Gesellschaft vielerorts bei der Ankunft der Flüchtlinge zeige, sei es "die Aufgabe der Politik, über den Tag hinaus zu denken und Entscheidungen für die Zukunft zu treffen".

Angesichts Zehntausender Flüchtlinge, die sich unkontrolliert und unregistriert durch Deutschland und Europa bewegten, stellte der frühere Bundesinnenminister fest: "Wir haben die Kontrolle verloren." Es sei "völlig unverantwortlich, dass jetzt Zigtausende unkontrolliert und unregistriert ins Land strömen und man nur unzuverlässig genau abschätzen kann, wie viele davon IS-Kämpfer oder islamistische Schläfer" seien.

Er hoffe, dass dieses Ignorieren einer Gefährdung etwa durch die Dschihadistenmiliz Islamischer Staat (IS) "nicht noch zu einem bösen Erwachen führen wird". Er sei "jedenfalls überzeugt, dass kein anderes Land der Welt sich so naiv und blauäugig einer solchen Gefahr aussetzen würde". Außerdem habe die Bundesregierung mit dieser Missachtung von EU-Regeln "nach Gutsherrenart" den "Sog nach Europa erhöht" und "nicht nur ihre Glaubwürdigkeit, sondern auch ihre Führungsfähigkeit in Europa geschwächt".

Kritik von CDU und SPD

Der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses im Bundestag, Norbert Röttgen (CDU), hat die Kritik von Friedrich zurückgewiesen. "Ich halte das Verhalten der Regierung und das der Bundeskanzlerin für eine der größten Leistungen, die sie bisher erbracht haben", sagte Röttgen am Freitag im ARD-Morgenmagazin. "Hans-Peter Friedrich liegt hier völlig falsch."

SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann hat ebenfalls die Kritik der CSU zurückgewiesen: "Die CSU handelt wohlfeil", sagte Oppermann dem SWR. "Sie kann selbst keine Alternative bieten. Da soll nur zusätzlich Angst geschürt werden." Die Kritik sei unsachgemäß und helfe nicht weiter. "Was hat den der CSU-Entwicklungshilfeminister bisher getan, um die Ursachen für Flucht zu verringern?", attackierte Oppermann den Bundesminister Gerd Müller.

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