Urteil:Vodafone darf abkassieren

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Vodafone hat ein Luxusproblem: Der Konzern könnte bald 130 Milliarden Dollar mehr in der Kasse haben. (Foto: Stefan Wermuth/Reuters)
  • Internet- und Kabelfernsehkunden müssen bei Umzügen drei Monate ihren alten Vertrag weiterzahlen - auch wenn der Provider am neuen Wohnort nicht vertreten ist.
  • Das Oberlandesgericht München hat entschieden, dass das Sonderkündigungsrecht für solche Fälle erst ab dem Tag des Umzugs gilt.

Von Stephan Handel

Drei Monate "Strafgebühr" - das kann fällig werden, wenn ein Bürger seinen Wohnsitz wechselt und aus diesem Grund seinen Handy- und Internetvertrag kündigen möchte, etwa weil am neuen Wohnort kein DSL zur Verfügung steht und er deshalb auch nicht dafür bezahlen will. In einem Rechtsstreit zwischen dem Dachverband der Verbraucherzentralen und der Vodafone Kabel Deutschland GmbH hat der Wettbewerbs-Senat des Oberlandesgerichts nun zugunsten des Telefonanbieters geurteilt. (Az: 29 U 757/17)

Die Verbraucherschützer hatten sich an einer Formulierung auf der Vodafone-Internetseite gestört: Im Falle eines Umzugs gebe es die Möglichkeit "mit einer Frist von 3 Monaten ab Umzugstermin den Vertrag vorzeitig zu kündigen". Das, so der Kläger, sei falsch und irreführend, denn die Frist von drei Monaten beginne nicht mit dem Termin des Umzugs zu laufen, sondern mit dem der Kündigung - juristisch: Die Kündigung könne auch schon vor dem Eintritt des Kündigungsgrundes, also des Umzugs, erklärt werden.

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Andernfalls müsse der Verbraucher ja drei Monate für Leistungen bezahlen, die er gar nicht in Anspruch nehme. Und das könne nicht der Sinn der entsprechenden Regelung im Telekommunikationsgesetz (TKG) sein, die der Gesetzgeber extra für diesen Fall getroffen habe.

Vodafone verteidigte seine Aussagen mit dem einfachen Hinweis, dass unterschiedliche Rechtsauffassungen zu dem Paragrafen im TKG vertreten würden, dass noch nicht abschließend - also gerichtlich - geklärt sei, welche die geltende Rechtsauffassung sei und dass das Unternehmen nur seine Auffassung dargestellt habe. Außerdem könne das Sonderkündigungsrecht nicht unabhängig vom Umzugstermin sein, denn dadurch würde die Gefahr des Missbrauchs entstehen.

Vor dem Landgericht hatten die Verbraucherzentralen Recht bekommen, Vodafone wurde zur Unterlassung der beanstandeten Äußerung verurteilt. Dagegen ging das Unternehmen in die Berufung - und siegte nun beim Oberlandesgericht. Damit ist nicht nur die beanstandete Formulierung auf der Website zulässig, sondern auch die dahinterstehende Praxis, Kunden erst drei Monate nach dem Umzug aus dem Vertrag zu entlassen.

Der Vorsitzende Richter recherchierte in der Rechtsgeschichte

Um zu diesem Ergebnis zu gelangen, unternahm Andreas Müller, der Vorsitzende Richter, einen Ausflug in die jüngere Rechtsgeschichte: 2010 habe der Bundesgerichtshof in einem ähnlichen Fall geurteilt, dass dem Kunden ein Sonderkündigungsrecht nicht zustehe. Das fand der Gesetzgeber nicht gut und hat deshalb zwei Jahre später den entsprechenden Paragrafen im TKG geändert - allerdings ohne festzuschreiben, wann denn die Kündigungsfrist zu laufen beginnen solle.

Den Schlüssel dazu fand Richter Müller schließlich in der Gesetzesbegründung: Dort ist die Rede von einem "angemessenen und unbürokratischen Interessensausgleich": Der Bürger hat ein Interesse, seinen unnütz gewordenen Vertrag loszuwerden, der Anbieter hat das Interesse, dass die vereinbarte Vertragsdauer eingehalten wird. Also, so die Schlussfolgerung des Richters, habe der Gesetzgeber wohl nicht gemeint, dass Risiko und Kosten alleine beim Anbieter hängen bleiben würden.

Zudem, so Müller, berge jede andere Terminfestlegung tatsächlich die Gefahr des Missbrauchs: Würde dann das Kündigungsrecht schon greifen, wenn der Kunde nur darüber nachdenkt, eventuell umzuziehen? Oder wenn sein Arbeitgeber ihm das Angebot macht, anderswo zu arbeiten? Dem gegenüber sei die Drei-Monats-Frist akzeptabel.

Der Anwalt der Verbraucherzentralen versuchte noch zu retten, was zu retten ist, und argumentierte damit, dass der einschlägige Fall irgendwann sowieso nicht mehr vorkommen werde, wenn nämlich das ganze Land kommunikationstechnisch gleich versorgt sei. Allein, es half nichts: Der Senat sprach sein Urteil im Sinne von Vodafone, die Revision wurde nicht zugelassen.

© SZ vom 19.01.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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