Urteil:Milde Strafen

Die früheren Müller-Brot-Manager müssen nicht ins Gefängnis. Allerdings stehen noch Verfahren aus

Von Peter Becker

Kurz vor 10 Uhr am Freitag in der Wirtschaftskammer des Landshuter Landgerichts. Der 70-jährige Klaus-Dieter O. tritt an die Anklagebank und bezieht seinen Platz, wie so oft in den vergangenen zehn Monaten. Er leckt sich nervös über die Lippen. Gleich verkündet Vorsitzender Richter Alfons Gmelch dem ehemaligen Manager der Neufahrner Großbäckerei Müller-Brot und seinen beiden mitangeklagten Geschäftsführern das Urteil. Staatsanwalt Jürgen Rohrmüller hatte in seinem Plädoyer mehrjährige Haftstrafen gefordert. Ein Verteidiger von Klaus-Dieter O. hatte da schon angedeutet, dass sein 70-jähriger Mandant diese aufgrund seines gesundheitlichen Zustands wohl nicht überleben werde. Klaus-Dieter O. atmet dreimal kräftig durch, als der Richter das Urteil verkündet: Wegen Verstößen gegen die Lebensmittelhygiene, verschleppte Insolvenz und Betrug verurteilt er die ehemaligen Manager zu Geld- und Bewährungsstrafen zwischen einem Jahr und einem Jahr und zehn Monaten.

Gmelch schickt seiner Urteilsverkündung voraus, dass sich viele Vorwürfe während der langen Verhandlungsdauer relativiert hätten. Dazu haben die Beschuldigten nach Ansicht der Wirtschaftskammer viel beigetragen. Sie gaben Hinweise, in welchen der mehr als 1000 sichergestellten Ordner Hinweise auf Hygieneanweisungen und Buchungsvorgänge zu finden waren. So könne am Ende nicht mehr davon die Rede sein, die Angeklagten hätten absichtlich Geld aus dem Unternehmen abgezogen, um sich selbst zu bereichern. Vorsätzliche Insolvenz schließt die Wirtschaftskammer aus.

Für den Konsumenten mag enttäuschend sein, dass die Verstöße gegen die Lebensmittelhygiene nur eine untergeordnete Rolle gespielt haben. Sie sind mit den Geldstrafen zwischen 9000 und 13 000 Euro abgegolten. Keiner möchte eine Frühstückssemmel essen, über die eine Kakerlake oder eine Maus gelaufen ist. So manchem Kunden von Müller-Brot dürfte nachträglich ein Schauer über den Rücken gelaufen sein.

Und darin besteht der Unterschied. Die in Umlauf gebrachte Ware sei zwar geeignet, beim Konsumenten Ekel hervorzurufen. Dieser entsteht aber erst im Nachhinein im Kopf des Kunden, nachdem er von den Zuständen bei Müller-Brot erfahren hat. Tote Mäuse und deren Kot sowie Motten oder Kakerlaken sind zwar in der 40 000 Quadratmeter großen Produktionshalle gefunden worden, aber nie in direktem Kontakt mit den Lebensmitteln selbst. Eine Gesundheitsgefährdung für den Kunden habe nicht bestanden, stellte Gmelch fest. Das wäre der Fall gewesen, wenn die Ware etwa mit Listerien oder Salmonellen verseucht gewesen wäre.

Was die Lebensmittelhygiene betrifft, haben diese die drei Manager wenig ernst genommen. Darauf deutet eine Aussage von Klaus-Dieter O. hin, das Freisinger Landratsamt würde den Betrieb wegen solcher Kleinigkeiten nicht schließen. Schließlich stünden über 1000 Arbeitsplätze auf dem Spiel. Laut Gutachter hätten aber selbst geringfügige bauliche Maßnahmen genügt, um das Risiko zu senken, dass Mäusen eindringen.

Was die Verschleppung der Insolvenz anbelangt, erkennt die Wirtschaftskammer keinen Vorsatz. Sonst hätte Klaus-Dieter O., so die Argumentation, nicht zweistellige Millionenbeträge in das Unternehmen gepumpt. Das führte soweit, dass es zum Zerwürfnis mit seiner Familie kam. Die wollte ihn entmündigen lassen, weil sie der Ansicht war, er verschleudere das Vermögen. Seit 2010 hatte Müller-Brot bereits erhebliche finanzielle Probleme. Diese verschärften sich, als der Mehlpreis eklatant anstieg. Das wollte man nicht an den Kunden weitergeben. Überdies sprang mit Rewe ein Großkunde ab, was Einbußen von etwa 30 Prozent zur Folge hatte. Personal wurde entlassen, was sich auf die Hygienekontrolle niederschlug.

Nach Ansicht der Wirtschaftskammer versuchten die Geschäftsführer verzweifelt, Löcher zu stopfen und das Unternehmen am Leben zu erhalten. So lange, bis es im Februar 2012 nicht mehr weiterging. Der Betrug besteht nun darin, bis zu diesem Zeitpunkt den Lieferanten vorzugaukeln, der Betrieb sei liquide. Diesen entstand ein Schaden von etwa einer Million Euro. Ähnlich verhält es sich mit der Commerzbank. Dieser wurde mittels Umbuchungen von 647 000 Euro vorgespiegelt, das Unternehmen sei kreditwürdig. In beiden Fällen ist die Wirtschaftskammer der Ansicht, dass dies insbesondere der für die Finanzen verantwortliche Stefan H. nicht getan hat, um sich selbst zu bereichern. Er habe an Geld kommen wollen, um den Betrieb am Leben zu erhalten.

Was Klaus-Dieter O. angeht, erkennt die Wirtschaftskammer doch eine Form der persönlichen Bereicherung. Er hatte auf sein Geschäftsführergehalt verzichtet. Stattdessen wurden seit 2010 insgesamt 518 000 Euro an ein Gestüt überwiesen, angeblich handelte es sich um Werbezwecke. Tatsächlich war es das Gehalt des Geschäftsführers, der es so am Finanzamt vorbeischummelte und sich die Einkommensteuer ersparte.

Nach der Urteilsverkündung steht Klaus-Dieter O. in der Mittagssonne als freier Mann vor dem Landgericht und zieht an einer Zigarette. Doch die Sache ist für die drei ehemaligen Manager nicht ganz ausgestanden. Nach Auskunft von Ulf Israel, Verteidiger von Jürgen K., stehen noch zwei Zivilverfahren an. Eines der Commerzbank, eines der Insolvenzverwalter. Und die Staatsanwaltschaft kündigt Revision an.

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