Urteil gegen U-Bahn-Schläger:Die volle Härte des Gesetzes

Äußerst "brutal und erbarmungslos" hätten Serkan A. und Spyridon L. ihr Opfer niedergeschlagen, begründet das Gericht die hohen Haftstrafen der beiden Münchner U-Bahn-Schläger. Es handle sich deshalb um versuchten Mord. Die Verteidigung kündigte Revision an.

Beate Wild

Als Richter Reinhold Baier am Dienstagmittag das Urteil gegen die beiden U-Bahn-Schläger verliest, geht ein Raunen durch den Gerichtssaal. Zwölf Jahre für den 20 Jahre alten Türken Serkan A., acht Jahre und sechs Monate für den zum Tatzeitpunkt noch minderjährigen Griechen Spyridon L. Die Strafen sind hoch und zeigen die volle Härte des Gesetzes. Beim Strafmaß hat sich das Gericht an den Forderungen der Staatsanwaltschaft orientiert, die zwölf beziehungsweise neun Jahre gefordert hatte.

Die beiden Angeklagten nehmen das Urteil erschrocken auf. Serkan A. schüttelt immer wieder den Kopf, blickt abwechselnd zu seiner Mutter, die weinend in der ersten Reihe sitzt, und zu seiner Freundin Natascha H., die mit dem gemeinsamen Baby oben auf der Galerie Platz genommen hat. Das Entsetzen steht den jungen Tätern ins Gesicht geschrieben.

Die Strafen sind so hoch, weil das Gericht die Tat als versuchten Mord, nicht nur als gefährliche Körperverletzung wertet. Die Mordmerkmale "Heimtücke" und "sonstige niedere Beweggründe" seien gegeben, sagt Richter Baier. Das Opfer, der 76-jährige Hubertus N., sei arglos von hinten überfallen worden, die beiden Täter hätten die Wehrlosigkeit des Rentners schamlos ausgenützt.

Spyridon L. erhält sein Strafmaß von acht Jahren und sechs Monaten nach dem Jugendstrafgesetz, da er zum Zeitpunkt der Tat 17 Jahre alt war. Bei Serkan A. konnte das Gericht wählen, ob es die Strafe nach Jugend- oder Erwachsenenstrafrecht ansetzt. Richter Baier entschied sich für Letzteres, weshalb die Strafe höher ausfällt. Serkan A. war bei der Tat zwanzigeinhalb Jahre alt.

Er sei zwar noch keine "ausgewachsene Person", sagt Baier über Serkan A., aber seine "mangelnde Aggressionskontrolle", seine "Neigung zu delinquenten Handlungen" und seine Renitenz gegenüber früheren therapeutischen Maßnahmen ließen nur das Erwachsenenstrafrecht zu. "Und dass er direkt nach der Tat den Rucksack des Opfer stahl, weist auf eine unglaubliche Kaltschnäuzigkeit hin", begründet der Richter seine Entscheidung.

Brutal und erbarmungslos

Dass Serkan A. und Spyridon L. äußerst brutal vorgegangen sind, betont Baier im Laufe der Urteilsverkündung immer wieder. Die beiden jungen Männer hätten Hubertus N. am 20. Dezember 2007 im U-Bahnhof Arabellapark "erbarmungslos" zusammengeschlagen, nachdem der Rentner sie mit dem Satz "In der U-Bahn wird nicht geraucht" aufgefordert hatte, das Rauchen einzustellen. Ihnen sei bewusst gewesen, dass sie ihrem Opfer tödliche Verletzungen hätten zufügen können. Billigend hätten sie den möglichen Tod des Mannes in Kauf genommen. "Eine völlig sinnlose Tat auf sittlich niedrigster Stufe", sagt Baier. Das Opfer, ein pensionierter Schulrektor, erlitt schwere Schädelverletzungen und Gehirnblutungen. Er habe "nur mit Glück" überlebt.

Die volle Härte des Gesetzes

Vor der Tat hatten sich die jungen Schläger kräftig betrunken. "Ihr natürliches Hemmungsvermögen" sei deshalb zwar eingeschränkt gewesen, trotzdem liege keine eingeschränkte Schuldfähigkeit vor, so Baier. Serkan A. und Spyridon L. hatten während des Prozesses immer wieder beteuert, wie leid ihnen der Angriff auf den Pensionär tue und eine Mordabsicht abgestritten. Sie hatten sich auch wiederholt beim Opfer entschuldigt, Hubertus N. hatte die Entschuldigung jedoch stets als "unecht" zurückgewiesen.

"Niedergeschmettert und am Rande eines Selbstmordes"

Die Verteidiger der Angeklagten sehen das Urteil freilich ganz anders. Mit diesen harten Strafen wolle man ein Exempel statuieren und beweisen, dass die Münchner U-Bahn doch sicher sei. "Man will den Angeklagten zeigen, was eine bayerische Harke ist", sagt Wolfgang Kreuzer, der Anwalt von Spyridon L. Selbstverständlich werde er in Revision gehen, und zwar beim Bundesgerichtshof. Und dann werde man ja sehen, ob das Urteil haltbar sei.

Auch Michael Gallus, Rechtsbeistand von Serkan A. ist entsetzt über das hohe Strafmaß. Sein Mandat sei "völlig niedergeschmettert" und "am Rande eines Selbstmordes", befürchtet der Anwalt. Wenn das Urteil Bestand hätte, müsste Serkan A. trotz einkalkulierter Strafminderung mindestens sechs Jahre absitzen, vermutet der Anwalt. Danach - so fürchtet Gallus - würde Serkan A. wohl in die Türkei abgeschoben - so wie es Bayerns Ministerpräsident Günther Beckstein und Innenminister Joachim Herrmann vehement fordern. Sein Mandat, der in Deutschland geboren wurde, spreche ja nicht einmal richtig Türkisch, sagt Gallus. "Das sind katastrophale Aussichten."

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