Urteil:Freispruch im Mordprozess

Drei Tote bei Brand in München

Ein Mann und seine zwei Töchter kamen bei dem Brand im November 2016 ums Leben.

(Foto: Tobias Hase/dpa)

Brand an Dachauer Straße: Angeklagter erhält Entschädigung

Von Susi Wimmer

Mohamed E. steht im Gang des Landgerichts München I und wartet. Nämlich auf seinen Entlassungsschein. Dass dieser Schein nach Urteilsverkündungen in einem Mordprozess ausgestellt wird, ist eher eine Seltenheit. Deshalb musste das Gericht den Schein mit etwas Verspätung nachreichen. Denn am Freitag endete der Prozess um den Brand an der Dachauer Straße, bei dem im November 2016 ein Vater und seine beiden Töchter ums Leben kamen, mit einem Freispruch für den 44-jährigen Mohamed E. "In dubio pro reo - im Zweifel für den Angeklagten", sagte der Vorsitzende der ersten großen Schwurgerichtskammer, Michael Höhne. Es sei für die Angehörigen und alle Beteiligten zwar unbefriedigend, dass im Prozess nicht zweifelsfrei ein Täter festgestellt werden konnte. "Aber auch nach so einer Brandkatastrophe kann man nicht mit Gewalt einen Täter präsentieren. Einen Unschuldigen einzusperren, wäre die nächste Katastrophe."

Für die Ehefrau des Brandopfers, gleichzeitig Mutter der toten Kinder, war es ein schwerer Gang in den Gerichtssaal B 175. Sie schluchzte während der einstündigen Urteilsverkündung. Als in der Nacht auf den 2. November der Brand in dem Haus an der Dachauer Straße 24 ausgebrochen war, hatte die schwangere Frau gerade ihre Familie in Bulgarien besucht. Sie musste nun mit anhören, wie ihre Lieben ums Leben gekommen waren: Die Brandschutztüre im Dachgeschoss war bewusst offen gehalten worden. Ihr Mann und die neunjährige Tochter fand man im Gang liegend, eng umklammert, durch die enorme Hitzeeinwirkung qualvoll gestorben. Die 16-jährige Tochter versuchte noch, in die Wohnung zurückzugelangen, brach aber infolge einer Rauchgasvergiftung zusammen und starb.

Mohamed E. hält sich bei der Urteilsverkündung die Hand vor den Mund, er weint, seine Verteidiger, Birgit Schwerdt und Walter Lechner, atmen sichtbar aus. "Wir sind von seiner Unschuld überzeugt", hatten sie im Schlussplädoyer gesagt. Diese Überzeugung teilte das Gericht nicht ganz, aber Höhne führte aus, dass in dem Rauchertreppenhaus nicht ausgeschlossen werden könne, dass eine weggeworfene Kippe den Brand verursacht haben könnte. Minutiös rechnete er die von einem Gutachter dargelegten Mindestminuten von einer Inbrandsetzung bis zum Vollbrand aus und kam zu dem Schluss, dass vier Männer, die an dem Abend Gepäck aus dem Haus trugen und Raucher waren, genauso gut eine Kippe weggeschnippt haben könnten, wie auch Fremde, die in das frei zugängliche Treppenhaus gelangen konnten.

Auch an dem angebliche Täterwissen des Mannes hatte das Gericht Zweifel. Wenige Stunden nach dem Brand hatte E. der Polizei gesagt, dass zwei Jahre zuvor "auch eine Matratze gebrannt hat". Allerdings ging das Gericht davon aus, dass er das Wissen, dass die Matratze Ursache für den Brand war, auch auf der Straße von Feuerwehrleuten oder Polizei gehört haben könnte. Die Widersprüche in den Aussagen von E. fand das Gericht ebenfalls nicht so gravierend. Zeugen hätten vor Gericht auch widersprüchlich oder nachweislich sogar falsch ausgesagt.

Auch Wut und Ärger über die katastrophalen hygienischen Zustände und die ständig wechselnden Mieter im Haus seien zwar ein Tatmotiv, "aber dieses Motiv hätten alle Bewohner gehabt". Das Ausschlussverfahren, das die Staatsanwaltschaft in ihrem Plädoyer verfolgt hatte, sei unzulässig, so Höhne weiter. Man könne nicht schlussfolgern nach dem Motto: Wenn es sonst keiner war, dann war es er.

Birgit Schwerdt und Walter Lechner hatten ihren Mandanten als "Besserwisser und Gschaftlhuber" dargestellt, der sich wichtig machen wollte bei der Polizei nach dem Brand, dass ihn diese Geschwätzigkeit verdächtig gemacht habe. Am ersten Verhandlungstag hatte E. auch noch ein Victory-Zeichen in die Kameras der Fotografen formiert, was ihm beim Gericht nicht unbedingt zu Sympathiepunkten verholfen haben dürfte. Jetzt, im Gang des Gerichts, fährt E. mit einer Reißverschlussbewegung über den Mund: Seine Lippen bleiben verschlossen. Er sagt nichts mehr. Dass er erleichtert ist, sieht man ihm auch ohne Worte an. Für die 14-monatige Haft wird er mit gut 10 000 entschädigt.

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